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Dem zur TKMS-Gruppe gehörenden Unternehmen kommt als Service- und Reparaturwerft eine wichtige Rolle zu. Die Ursprünge des Betriebes liegen indes in den traditionsreichen Emder Nordseewerken.

Es ist – zugegebenermaßen – nicht so, dass die Emder Werft und Dockbetriebe GmbH (EWD) zu den bekanntesten maritimen Adressen an der[ds_preview] deutschen Nordseeküste zählen, aber ein genauerer Blick zeigt schnell, dass diesem noch relativ jungen Unternehmen eine durchaus wichtige Rolle zugefallen ist, die es nicht nur auszufüllen gewillt ist, sondern wofür es auch das erforderliche Potenzial hat. Entstanden sind die EWD am 9. August 2010 durch Umfirmierung der TKMS Blohm + Voss Nordseewerke. Das Unternehmen ist eine 100-prozentige Tochter von ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und als solche Rechtsnachfolgerin der vom Windkraftanlagenbauer Siag Schaaf übernommenen ehemaligen Nordseewerke Emden.

Um dieses Konstrukt zu verstehen, zunächst ein kurzer Blick zurück: Nach Abschluss des Verkaufs der Fertigung und des Betriebsgeländes an Siag im März 2010 ist die Restrukturierung der bei TKMS verbliebenen Betriebsteile in Angriff genommen worden. Im Einzelnen waren dies:

• die Abteilung U-Boot-Engineering mit ca. 120 Mitarbeitern,

• die Abteilung Engineering von Marine-überwasserschiffen sowie einigen Zentralfunktionen mit insgesamt rund 200 Mitarbeitern und

• der Bereich Service, Reparaturen und Abwicklung der bestehenden Aufträge.

Für das U-Boot-Engineering konnte die Zukunft nur im Zentrum der TKMS-U-Bootfertigung bei HDW in Kiel liegen. Folgerichtig wurde dieser Betriebsteil ab 1. Juli 2010 mit Verlagerung der Emder Arbeitsplätze ein Betriebsteil der HDW in Kiel. Der für die betroffenen Mitarbeiter ausgehandelte Interessenausgleich und Sozialplan wurde aber nur von wenigen in Anspruch genommen. Damit gehört der in Emden lange erfolgreiche U-Bootbau der Vergangenheit an.

Das Engineering für Marineüberwasserschiffe blieb in Emden bestehen und ist seit der Umstrukturierung vor zwei Jahren ein Betriebsteil der Blohm + Voss Naval in Hamburg. Die dort tätigen Mitarbeiter wurden alle weiter beschäftigt. Die ebenfalls weiter bestehenden Schiffbauaktivitäten im Service- und Reparaturbereich wurden unter dem Namen Emder Werft und Dockbetriebe weitergeführt. Diese Gesellschaft mit damals etwa noch 130 eigenen Mitarbeitern bildete die verbliebenen Schiffbaukapazitäten der ehemaligen Nordseewerke ab und ist, wie erwähnt, juristisch deren Rechtsnachfolgerin. Nach Vollendung der letzten Arbeiten im Schiffsneubau durch die Endausrüstung und Ablieferung des Einsatzgruppenversorgers (EGV) »Bonn« positionieren sich die EWD schwerpunktmäßig als kompetente Service- und Reparaturwerft im internationalen Markt.

Festzuhalten bleibt für diese Phase, dass es ohne die vorstehend skizzierten Maßnahmen in Emden zu betriebsbedingten Kündigungen in großem Umfang gekommen wäre, was in dieser strukturschwachen Region Ostfrieslands ungleich stärkere Auswirkungen gehabt hätte, als es in anderen Teilen Deutschlands der Fall gewesen wäre. So aber war es möglich, das Ziel »Umbau statt Abbau« zu erreichen.

Die Transformation eines Traditionsunternehmens mit über hundertjähriger Schiffbauerfahrung in einen Zulieferbetrieb für zukunftsträchtige Energieerzeuger einerseits sowie die Aufteilung anderer Betriebsteile in eigenständige Organisationseinheiten andererseits bot und bietet für den Standort Emden eine große Chance, die auch wahrgenommen wird, und zwar zu einem nicht unerheblichen Teil von den Emder Werft und Dockbetrieben. Diese führen den seit 1903 erfolgreich betriebenen Schiffsreparaturbetrieb der ehemaligen Nordseewerke in bewährter Weise fort, und zwar – auf diese gewachsene Tradition bauend – mit erfahrenen Mitarbeitern.

Bauen können die nach ISO 9001:2000 und AQAP zertifizierten Emder Werft und Dockbetriebe auf die wichtige Stammkundschaft aus der Region. Aber es werden zunehmend auch überregional Aufträge akquiriert. Aus dem Kreis der Hafenbenutzer, beispielsweise bei Autotransportern, können ebenfalls Aufträge generiert werden. »Darüber hinaus«, erklärt EWB-Geschäftsführer Dr. Christian Eckel, »gibt es gute Kontakte zu Unternehmen aus verwandten Bereichen, wie etwa der Offshore-Industrie. Das passt technisch zu uns, genauso wie beispielsweise Behördenschiffe. Auf diesem Gebiet haben wir spezielle Erfahrungen, die die Erledigung selbst der anspruchsvollsten Aufträge ermöglichen. Schließlich haben wir das Wehrforschungsschiff ›Planet‹ gebaut sowie die beiden SWATH-Zollboote ›Helgoland‹ und ›Borkum‹, für die in absehbarer Zeit Erhaltungsarbeiten anstehen und für deren Durchführung wir uns gute Chancen ausrechnen«, so Eckel.

Beispielhaft einige besondere Aufträge, die in jüngster Zeit erledigt wurden:

• Der Offshore-Windpark-Versorger »Natalie« wurde 2010 mit einem 20-t-Bordkran und einer passiven Anti-Heeling-Anlage ausgerüstet. Außerdem wurden Decksverstärkungen in SPS-Sandwich-Bauweise eingebracht.

• Das Forschungsschiff »Maria S. Merian« war in den vergangenen Jahren mehrfach für Umrüstarbeiten bei den EWD. Mitte September wird es erneut für vier Wochen in Emden erwartet. Dann sollen einige Laborräume umgebaut und Maßnahmen zur akustischen Optimierung der Kompressorenräume durchgeführt werden.

• Die Fregatte »Sachsen« war Mitte des vergangenen Jahres für eine Woche bei der EMD, um Arbeiten am Unterwasserschiff ausführen zu lassen.

Was die Marineaufträge betrifft, ist festzuhalten, dass die EWD die Zulassung vom Marinearsenal für die Instandsetzung aller Arten von Marineschiffen erhalten haben. Auch auf diesem Gebiet können besondere Erfahrungen eingebracht werden. Schließlich waren die ehemaligen Nordseewerke nicht nur im U-Bootbau, sondern auch im Bau von Fregatten tätig. Dennoch soll hier zunächst vorsichtig vorgegangen werden, etwa mit Arbeiten an kleineren Einheiten, wie zum Beispiel Tendern. Selbstverständlich aber traut man sich auch Fregatten zu, und es gibt sogar Chancen im U-Bootsegment als Unterauftragnehmer von HDW.

Angestrebt wird ganz gezielt eine Erweiterung des Portfolios über die Schiffsreparatur hinaus. »Wir verstehen und als Dienstleister«, sagt Geschäftsführer Eckel. »Infrage kommen für uns Consulting und Projektmanagement, beispielsweise bei der Fertigung von Zulieferteilen für den Bereich Offshore-Wind und Ähnlichem. Wir sind dann dafür der Generalunternehmer und vergeben die entsprechenden Unteraufträge. Das heißt, als Partner die Lieferanten richtig zu führen und die Arbeiten zu koordinieren. Bewusst ist uns allerdings dabei, dass wir uns als mittelgroßes Unternehmen einzuordnen haben und insofern wissen, in welcher Liga wir spielen bzw. spielen können. Das ist keine Selbstbeschränkung an sich, aber es ist wichtig, dies vor Augen zu haben, damit wir uns nicht übernehmen.«

Als Betriebsareal stehen den Emder Werft und Dockbetrieben 107.000 m2 (ca. 11 ha) langfristig von der Siag angemieteter Fläche auf dem Gelände der ehemaligen Nordseewerke zur Verfügung. Auch einige Gebäude sind angemietet, welche wiederum teilweise untervermietet sind für Konstruktionspersonal von Blohm + Voss Naval. Vorhanden sind drei Docks für Schiffe mit bis zu 55.000 dwt. Dabei ist das 218 m lange Trockendock ebenfalls von der Siag angemietet, während sich die beiden 176 m bzw. 136 m langen Schwimmdocks im EWD-Besitz befinden. Weiterhin haben die EWD das Nutzungsrecht für ca. 800 m Kailänge, die mit Kränen bis zu 60 t Hubkraft bestückt ist.

Gegenwärtig zählen die Emder Werft und Dockbetriebe rund 75 Beschäftigte, jeweils die Hälfte davon »white collar« und »blue collar«. Das in etwa ist auch die angestrebte Zielvorstellung. Bei den Mitarbeitern handelt es sich ausschließlich um erfahrene Leute von den ehemaligen Nordseewerken, die bei Bedarf als mobile Reparaturtrupps (»Flying Squads«) weltweit eingesetzt werden können. Nach Abschluss der Übergangsphase soll dann auch wieder ausgebildet werden.

Um die Zukunft seines Unternehmens ist Werftmanager Eckel nicht bange: »Wir haben vom Standort Emden aus einen uneingeschränkten Zugang zu den mit am stärksten frequentierten Routen der Nordsee. Wir passen von unserer Größe her optimal zum Hafen und wir sind anerkannt, flexibel und leistungsstark. Wir stellen uns in unserem Rahmen jeder Herausforderung.«


Hans Jürgen Witthöft