Karsten Rieck und Ulrich Feldhaus beschreiben, wie die Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam bei der Simulation von Kavitationserscheinungen bei Schlepperantrieben mit CFD-Programmen eine hohe Genauigkeit erreichen konnte
Die Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam (SVA) verbessert mit modernsten Simulationswerkzeugen die Entwurfssicherheit für Schlepper und ihre Antriebe. Angesichts wachsender Anforderungen an[ds_preview] die Leistung von Schleppern zeigt sich, dass dem Einfluss der Kavitation auf die Düsenpropellerkennwerte und damit auf den Pfahlzug mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.
Da Entwickler für diese Problematik nur auf Erfahrungswerte zurückgreifen können, führt die SVA umfangreiche Untersuchungen durch, um die Prognosemethoden auf eine fundierte Basis zu stellen und so eine höhere Entwurfssicherheit zu erreichen. Verstärkt werden dabei CFD-Programme (Computational Fluid Dynamics) zur Strömungssimulation eingesetzt.
Untersuchungen mit numerischen Strömungssimulationen
Das Nichterreichen des prognostizierten Pfahlzuges eines Schleppers kann gravierende Konsequenzen haben: niedrigere Charterraten der Betreiber, zeit- und kostenintensive Nacharbeiten für die Werft und den Propellerhersteller, bis hin zu empfindlichen Vertragsstrafen.
Um die gestiegenen Anforderungen zu erfüllen, müssen die Entwickler näher an die technischen Systemgrenzen herangehen, wodurch die Gefahr der Kavitation an Propeller und Düse bei hoher Belastung steigt und letztlich zu einer Schubminderung führen kann. Hierzu hat die SVA umfangreiche Untersuchungen auf der Basis von numerischen Strömungssimulationen durchgeführt, um eine verbesserte und wissenschaftlich basierte Prognosesicherheit zu erreichen und die Ursachen dieses Phänomens und deren Auswirkungen auf die Betriebsparameter des Propellers bzw. des Antriebssystems zu ergründen.
Know-how-Träger arbeitet mit modernsten Methoden
Die vor mehr als 50 Jahren gegründete SVA ist ein privates, gemeinnütziges Unternehmen, das intensiv Forschung betreibt, um so die eigene Wettbewerbsfähigkeit als auch die ihrer Kunden zu stärken. Man hat sich dabei auch international einen guten Ruf erworben, nicht zuletzt dank der modernen und leistungsfähigen Ausstattung in den Bereichen Schiffshydrodynamik, Modellbau und Messtechnik. Auch wenn Modellversuche mit der finalen Schiffsform nach wie vor ein international anerkanntes Prognoseverfahren sind, gewinnen numerische Berechnungen zunehmend an Bedeutung, da sie mit vergleichsweise geringem Aufwand detaillierte strömungstech-
nische Untersuchungen erlauben.
Die SVA verfügt auf diesem Sektor, dem sich sechs Mitarbeiter widmen, über eine hohe Expertise. Seit rund 15 Jahren besteht hierbei eine enge Zusammenarbeit mit Ansys, einem bekannten Anbieter von Simulationslösungen. Der kürzlich verlängerte Kooperationsvertrag ermöglicht die Nutzung von Ansys-Lizenzen und Support zur Bearbeitung von mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Im Gegenzug wird Ansys bei der Weiterentwicklung und Vermarktung der Simulationstechnologie für den Marine- und Offshore-Bereich unterstützt. Eingesetzt werden die CFD-Programme Ansys CFX und Ansys Fluent sowie für die Vernetzung Ansys ICEM CFD.
Virtuelle Modelle anstatt Modellversuche
Einer der zentralen Vorteile der Simulation liegt in der Möglichkeit, den zeit- und kostenintensiven Bau von Modellen zu reduzieren oder ganz zu eliminieren. Zudem lassen sich die Berechnungen an jeder beliebigen Position und nach beliebigen Kriterien auswerten, wodurch ein höheres Verständnis von Zusammenhängen und Abhängigkeiten erreicht werden kann.
Speziell für den Schiffbau ist von Bedeutung, dass maßstabsunabhängig gearbeitet werden kann, da es für die Größe des digitalen Modells und die Berechnungszeiten unerheblich ist, ob es sich um eine Untersuchung im kleineren Maßstabsmodell oder in der »realen« Großausführung handelt. Durch die Arbeit mit der Großausführung können die beim Modellversuch notwendigen Ähnlichkeitsbetrachtungen ebenso entfallen wie fertigungs- bzw. messtechnisch bedingte Unmaßstäblichkeiten (beispielsweise Spalt zwischen Propeller und Düse bzw. Düse und Rumpf).
Auf das »Wie« kommt es an
Moderne CFD-Programme bieten einen hohen Grad an Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Bedienungskomfort, was den Anwender allerdings nicht davon befreit, neben entsprechenden Programmkenntnissen auch ein Verständnis für die physikalische Problemstellung zu entwickeln.
Für die Berechnungen wird eine meistens auf CAD-Daten basierende Modellgeometrie benötigt sowie für die entsprechende Aufgabenstellung gültige physikalische Modelle zur Abbildung der auftretenden physikalischen Phänomene. Ansys Fluent und Ansys CFX bieten hierzu eine umfangreiche Bibliothek.
Die Gittergröße hängt dabei unter anderem vom Detaillierungsgrad sowie den eingesetzten physikalischen Modellen ab. Üblicherweise liegen die berechneten Modelle bei der SVA in der Größenordnung von 2–5 Mio. Knoten, können jedoch bei komplizierten Geometrien und einem hohen Detaillierungsgrad bis zu 10 Mio. Knoten erreichen.
Schrittweises Vorgehen
Um eine abgesicherte Basis für realistische Prognosen zu schaffen, betreibt die SVA einen hohen simulationstechnischen Aufwand, wozu u.a. gehört, dass die Berechnungsmodelle anhand vergleichender Modellversuche kalibriert und die Ergebnisse über entsprechende Versuchsdaten bzw. Messungen an Großausführungen validiert werden.
Obwohl für verlässliche Aussagen die Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen Antrieb und Schiffskörper notwendig ist, wurden aus den oben genannten Gründen zuerst Berechnungen und Modellversuche am freifahrenden Düsenpropeller durchgeführt. Wie bei allen Kavitationsuntersuchungen handelt es sich hierbei um instationäre Zwei-Phasen-Rechnungen (Wasser, Wasserdampf), bei denen das Modell aus einem stationären Teil (Düse) sowie einem rotierenden Gitter (Propeller) besteht; als Turbulenzmodell wurde das sogenannte SST-Turbulenzmodell gewählt.
Alle Untersuchungen bzw. Rechnungen wurden für den Standschub durchgeführt, lediglich die Kavitationszahl wurde variiert. Die Messungen im Kavitationstunnel zeigten, dass beim Einsatz der Spitzenwirbelkavitation der Schub des Propellers kurz ansteigt, um anschließend einzubrechen. Der Düsenschub verringert sich, wenn eine Spitzenwirbelkavitation im gesamten Umlauf auftritt. Dieser Effekt konnte jedoch durch Strömungsberechnungen aufgeklärt werden.
Schließt das Kavitationsvolumen den Spalt zwischen Propeller und Düseninnenwand, wird die Strömung über die Flügelspitze zum Druckausgleich zwischen Druck- und Saugseite behindert und führt zu einem Anstieg des Propellerschubs. Wird das Kavitationsvolumen bei weiterer Absenkung der Kavitationszahl größer, reduziert sich der für die Durchströmung nutzbare Querschnitt der Düse erheblich und der Düsenschub sinkt ab. Insgesamt stimmen die rechnerisch ermittelten Freifahrtkennwerte gut mit den Modellversuchen überein.
Berechnung und Vergleich mit Messungen an der Großausführung
Eine hohe Prognosequalität für die Großausführung verlangt die Betrachtung des Gesamtsystems aus Schiffskörper und Antrieb, das im nächsten Schritt in den Maßstäben = 20, = 13 und = 1 untersucht wurde. Modellversuche bzw. an der Großausführung durchgeführte Messungen dien-
ten dabei als Referenz. Berechnungen für den Betriebszustand »Pfahlzug bei Nennleistung« zeigen hier, dass in der Großausführung bei gleicher Kavitationszahl wie im Modellversuch maßstäblich größere Kavitationsvolumina ermittelt werden, wodurch eine Reduktion des Schubes gegenüber der Prognose nach Modellversuchen eintritt. Vergleichsrechnungen haben gezeigt, dass die Netzauflösung speziell im Bereich des Düseneintritts einen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisgüte hat.
Schlussbemerkung
Mit der CFD-Simulation lassen sich bei entsprechender Sorgfalt die realen Verhältnisse an Schiffsantrieben sehr gut beschreiben. Die mit dem CFD-Programm Ansys CFX durchgeführten Berechnungen haben einen Stand erreicht, der die Prognose der Propellerkennwerte einschließlich des Kavitationsverhaltens mit guter Genauigkeit gewährleistet. Die hier von der SVA geleistete Grundlagenarbeit wird deshalb dazu beitragen, die Entwurfssicherheit zu erhöhen und Entwicklungsprozesse im Schiffbau effizienter zu machen.
Ansys und die SVA stellen auf der SMM 2012 aus. Ansys: Halle B4 EG, Stand 303; SVA: Halle B4 EG, Stand 302
Autoren:
Karsten Rieck
Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam
Ulrich Feldhaus
freier Fachjournalist, Erkrath
Karsten Rieck, Ulrich Feldhaus