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Vor einem Jahrhundert begann die Geschichte der Hamburger Unternehmensgruppe mit dem Handel von Stahl. Heute ist Komrowski neben dem immer noch bestehenden Handelshaus als Reederei, Schiffs- und Befrachtungsmakler sowie Assekuradeur tätig

Nirgendwo in Hamburg gibt es so viele traditionelle Unternehmen auf so engem Raum wie im Kontorhausviertel direkt am Hafen. Ihre[ds_preview] »Höfe«, wie die backsteinroten Geschäftshäuser aus den 1920erJahren genannt werden, bilden ein einmaliges architektonisches Ensemble, sie künden von Wohlstand und Weltverkehr, von merkantilem Erfolg und bürgerlicher Selbstsicherheit. Hier arbeiten auch im 21. Jahrhundert Firmen, deren Schicksal eng mit der Stadtgeschichte verbunden ist.

Im Montanhof gegenüber dem Chilehaus begeht 2012 eine Unternehmensgruppe ihr hundertjähriges Bestehen, deren Weg für sie alle prototypisch ist: für die klassische Kombination von Handel und Schifffahrt ebenso wie für den Wandel vom traditionellen Außenhändler zum modernen Anbieter von Waren und Dienstleis­tungen. Nach wie vor trägt sie den Namen ihres Gründers: »Komrowski«. Zugleich geht der Schifffahrtsbe­reich im Jahr 2012 einen neuen Weg. In hanseatischer Tradition schließen die Reederei Blue Star, das Komrowski Befrachtungs­kontor und die E.R. Schiffahrt ihre Bereederungsaktivitäten zusammen, um die Herausforderung veränderter Märkte gemeinsam anzunehmen.

Start im Wirtschaftswunder und Erfolg in der Krise

Unternehmensgründer Ernst Komrowski war ein klassischer Selfmademan. Geboren 1889 als Sohn eines Schiffszimmermanns, machte sich der Hamburger 1912 zusammen mit seinem Kollegen Carl Dobbertin als Stahlhändler selbständig. Hamburg war damals Außenhandels- und Schifffahrtszentrum eines scheinbar unaufhaltsam aufstrebenden Wirtschaftswunderlandes. Das neue Unternehmen wurde als »Dobbertin & Co.« am 27. November 1912 ins Handelsregister eingetragen, doch sein Durchbruch an die Spitze kam erst gut zehn Jahre später. 1923, als die deutschen Weltmachtträume zerbrochen waren und die Inflation das Land erschütterte, gehörte das Handelshaus zu den wenigen Unternehmen, die noch auf ausländische Geschäftspartner zählen konnten, durch Lieferungen von Gütern aus der Eisen- und Stahlindustrie kostbare Devisen einnahmen und so entsprechend verdienten. Die Newcomer erwarben, zur Überraschung vieler Kollegen, 1923 ein Grundstück in Top­lage im neu geschaffenen Kontorhausviertel. Als sie dort ein Jahr später ihren »Montanhof« bezogen, war das ein klares Signal: Sie hatten sich in der ersten Reihe etabliert.

Ernst Komrowski Reederei

Im Inflationsjahr 1923 hatte Komrows­ki zusätzlich die Ernst Komrowski Reede­rei GmbH gegründet. In Anlehnung an die Montanindustrie nannte er sein erstes Schiff »Montan«. Es war mit 30 m Länge und 244 DWT ein relativ unspektakuläres kleines Frachtmotorschiff, aber mit klappbarem Mast und großen Luken für den Rhein-Seeverkehr und den Transport von Langeisen direkt ab Hüttenwerk konzipiert. 1924 liefen mit »Mangan« und »Methan« die eigentlichen Prototypen der Komrowski-Flotte vom Stapel. Mit jeweils gut 50 m Länge und mehr als 700 DWT bewährten sie sich derart, dass die »Methan« bis 1957, also 33 Jahre lang, unter der blauweiß­roten Flagge ihrer Reederei blieb. Bald setzte Komrowski seine Schiffe auch im Massenguttransport auf der Ostsee ein, und die »Heluan«, die 1936 in Fahrt kam, wurde in diesem Fahrtgebiet mit 2.450 DWT sogar als moderner »Schiffsriese« bewundert. Anfang 1939 blieb die »Egeran« nach einem schweren Sturm vor Borkum verschollen – ein makaber passender Auftakt für ein Katastrophenjahr. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges unterstand die deutsche Handelsflotte nicht mehr den Eignern, sondern dem Reichsverkehrsministerium. Komrowski-Schiffe transportierten Erze aus Norwegen, und Ernst Komrowskis einziger Sohn und designierter Nachfolger starb auf See im Winter 1943 ausgerechnet in Sichtweite der väterlichen »Balkan«. Das von ihm kommandierte Vorpostenboot, das den Konvoi einschließlich der »Balkan« begleitete, lief auf eine Mine und versank in der eisigen Ostsee. Ernst Peter Komrowski, der Enkel des Gründers und heutige Inhaber des Familienunternehmens, wurde 1944 kurz nach dem Tod seines Vaters geboren.

Diskrete Unterstützung: Komrowski und die Hapag

Senior Ernst Komrowski war längst auch Alleininhaber eines Handelshauses, nachdem er und Dobbertin sich 1938 getrennt hatten. Wie erfolgreich er dabei war, zeigt die Tatsache, dass man ihn, der von den im Dritten Reich reichlich vergebenen Staatsauf­trägen nie profitiert hatte, 1942 nicht mehr übergehen konnte, als es um Hamburgs Renommierunternehmen ging. Die Hapag, seit der Weltwirtschaftkrise in Staatsbesitz, sollte auf Druck aus Hamburg reprivatisiert werden, bevor sie dem staatlichen Konzern Hermann Göring angegliedert werden konnte.

Der ebenso diskrete wie solvente Komrowski gehörte nun zu den »geeigneten hanseatischen Wirtschaftskreisen«, denen seine Hausbank ein Aktienpaket anbot. Er wurde Mitinhaber dieser hanseatischen Institution, saß im Hapag-Aufsichtsrat, und nach dem Krieg war er es, der der Großreederei zum Comeback verhalf. In den frühen 50er-Jahren, als die Restriktionen für die deutsche Seeschifffahrt langsam gelockert wurden, standen ihr die alten Fahrtgebiete zwar wieder offen, doch als Aktiengesellschaft durfte sie noch keine Überseeschiffe bauen. So bestellte stattdessen Privatreeder Komrowski ein Spitzenschiff, das mit erstklassigen Passagiereinrichtungen eigens auf Hapag-Charter zugeschnitten war. Als die »Vulkan«1953 für die Hapag in Fahrt kam, war sie eines der größten und modernsten Schiffe unter der Flagge der Bundesrepublik.

Die Zusammenarbeit verlief derart erfolgreich, dass Komrowski bis Ende der 50er-Jahre mit zeitweise drei Schiffen einen Anteil der Chartertonnage stellte. Als die Kooperation 1960 endete, engagierte er sich fortan frei im internationalen Chartergeschäft.

In aller Welt

Die Komrowski-Frachter »Methan« und »Ossian«, beide um die 15.000 DWT groß, die sowohl umfangreiches Ladegeschirr trugen als auch Bulkladung befördern konnten, wurden den Anforderungen überseeischen Massenguttransports und internationaler Märkte bereits gerecht. 1962 kam eine neue »Vulkan« dazu – ein moderner Bulkfrachter mit 34.000 t Tragfähigkeit, gut zwanzigmal größer als das erste Komrowski-Schiff dieses Namens.

»Merian« und »Mangan«, beide Ende der 1960er-Jahre gebaut, waren schnelle Linienschiffe mit einer Tragfähigkeit von 15.250 t. Sie konnten mit ihrem umfangreichen Ladegeschirr auch Container bewegen und waren mit 18 kn außergewöhnlich schnell.

Mit dem heimischen Wirtschaftswunder explodierten auch die Preise für deutsche Inves­titionsgüter, Rohstoffe und Industrieerzeugnisse. Das Handelshaus Komrows­ki & Co. ergänzte den Stahlexport durch Import und gründete dazu 1955 eine eigene Niederlassung in Antwerpen. Ein paar Jahre später erwarb Komrowski ein modernes Stahlgroßlager für Präzisrohre und Feinbleche. Das Antwerpener Handelshaus ASE ist bis heute die wichtigste Auslandsniederlassung. Das Hamburger Stammhaus baute ein dichtes Netz internationaler Vertretungen und Verbindungen auf, etwa nach Spanien, ins Baskenland, in den Nahen und Mittleren Osten, nach Indonesien, China und Vietnam.

Der Mittelständler, flexibler als ein Großkonzern, spezialisierte sich nun auf Marktnischen in aller Welt – etwa darauf, junge Staaten auf dem Weg in die Unabhängigkeit zu begleiten. Komrowski war durchaus bereit, dabei Risiken einzugehen, doch ein eiserner Grundsatz des Seniors gilt dabei bis heute: »Alles außer Waffen«.

Ernst Komrowski blieb nach dem frühen Tod seines Sohnes der Unternehmenspatriarch, bis er 1978 mit 88 Jahren starb. Sein Enkel Ernst Peter, der ihn ablöste, stand nun vor den Herausforderungen eines weltweiten Strukturwandels: Die Schifffahrt wurde vom Container dominiert, und an die Stelle des traditionellen Warenhandels traten komplexere Angebote von Technologie, Service und Know-how. Komrowski lieferte nun auch technische Produkte. Nachdem Indonesien seine Unabhängigkeit erlangte, war es eine erste Niederlassung Komrowskis in Jakarta 1955, die sich beim Aufbau des Inselstaates zu Land und zur See engagierte. In den Iran wurden Reisezugwagen und Gleisbaumaschinen verkauft, nach China ging 1996 sogar eine komplette Reparaturwerkstatt für die neu entstandene Metro in Schanghai. Im gleichen Jahr konnten zehn Lufthansa-Maschinen des Typs Boeing 737-200 an die Merpati Airlines nach Indonesien geliefert werden. Fabrikanlagen zur Herstellung von Hohlglas wurden in der Ukraine, Thailand, Vietnam und Ägypten errichtet. An Kunden in China lieferte Komrowski Produktionsanlagen zur Herstellung von Parkettbearbeitungsmaschinen für Holz. Reiner Stahlhandel ohne Werksbindung aus Deutschland hatte dagegen keine Zukunft mehr. Seither ist der Stahlhandel in Antwerpen konzentriert.

»Gute Schiffe« – wechselvolle Zeiten

Bis zur Jahrtausendwende fuhren Vollcontainerschiffe ebenso für Komrowski wie Bulkcarrier und Multipurpose-Schiffe. Die Flotte ist nach höchsten internationalen Sicherheitsstandards ausgerüstet. Die Besatzungen fahren oft schon seit vielen Jahren für die Reederei. Hohe technische Standards, verantwortungsvolles Management und gut ausgebildete Besatzungen sind ein Aufwand, der sich immer lohnt, denn, so weiß Ernst Peter Komrowski: »Dadurch unterscheiden sich die guten von den weniger guten Schiffen.«

2009 machte die »Dorian« international Schlagzeilen, als sie 74 Menschen, Passagiere und Besatzung einer sinkenden Fähre in schwerem Wetter aus gefährlichen Gewässeren vor den Komoren retten konnte. Ostern 2010 wurde die »Taipan« von Piraten überfallen. Das Schiff konnte zwar in einer spektakulären Aktion von der niederländischen Marine befreit werden, doch der Überfall und der folgende erste Hamburger Piratenprozess seit Störtebekers Tagen machten noch einmal deutlich, wie hilflos die deutsche Politik dieser wachsenden Gefahr für die Weltschifffahrt gegenübersteht. Komrowski selbst zog immerhin ein konstruktives Fazit aus der brutalen Attacke: Die Sicherheitsabteilung des Unternehmens bietet nun auch qualifizierte Beratung für andere Mittelständler an.

Gemeinsam gegen die Krise: Blue Star Holding

Die Banken- und Wirtschaftskrise von 2008 bedeutet für die mittelständische Schifffahrt ein besonders bitteres Fazit: Zu viele Schiffe sind am Markt, zu wenig liquide Mittel, Banken, die sich überstürzt aus der eben noch hofierten Branche zurückziehen.

Komrowski positionierte sich inmitten der Krise neu und erwarb die Reederei Blue Star. Ursprünglich war sie als britisches Familienunternehmen weltberühmt geworden. Inzwischen stand ihr Stern für ein Reedereimanagement, das zum Maersk-Konzern gehörte. Für Komrowski war die Übernahme der Aufbruch in eine andere Dimension. Bis dahin waren 18 Massengut- und Schwergutfrachter, Feeder- und Containerschiffe unter Blauweißrot gefahren, die größten von ihnen mit einer Containerkapazität von 1.700 TEU. Nun kamen noch 34 Schiffe mit 2.500 bis 8.450 TEU dazu, sodass die Reederei jetzt 52 Schiffe mit einer Gesamtkapazität von 190.000  TEU umfasste. Da die Folgen der globalen Krise weiterhin nicht abzusehen sind, ist Größe weiterhin die Devise, dieses Mal im unternehmensübergreifenden Verbund. Im Sommer 2012 haben die mittelständischen Hamburger Reedereien Blue Star/Komrowski und E.R. Schiffahrt ihre Bereederungsaktivitäten unter dem legendären blauen Stern gebündelt und die Blue Star Holding, eine der größten Charterreedereien Deutschlands, gegründet.

»Auf unsere Stärken konzentrieren«

Komrowski bleibt im Schifffahrtsbereich darüber hinaus auch weiterhin Reederei, Schiffs- und Befrachtungsmakler sowie Assekuradeur und unterhält das eigene Handelshaus. »Es gab in den letzten hundert Jahren schwere Zeiten, weit schwerer als heute: Kriege, Zerstörung und totalen Neuanfang«, lautet die Bilanz von Ernst Peter Komrowski, der an der Unternehmensspitze inzwischen von seinem Sohn Ernst Thomas Komrowski unterstützt wird. »Heute müssen wir uns neu ausrichten und uns vermehrt auf unsere Stärken konzentrieren. Dass wir nach wie vor ›familiengeprägt‹ sind, ist uns gelegentlich als Schwäche vorgehalten worden. Wir aber sehen darin nicht nur unsere Stärke, sondern einen großen Vorteil mittelständischer Unternehmen. Wir freuen uns, Mitarbeiter mit Charakter zu haben und eine spezielle, enge Verbindung zu unseren Kunden halten zu können. Diesen Geist möchten wir im eigenen Haus weiter pflegen, damit wir auch in Zukunft auf das setzen können, was unsere größte Stärke ist: Einsatz und Qualität.«