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Dr. Hermann J. Klein, CEO von E.R. Schiffahrt und der Blue Star Holding, erläutert den Charme der Betriebsgrößeneffekte der neuen Firmengruppe, Sparmöglichkeiten bei wachsender IMO-Regulierung und klare Qualitätsmerkmale

Seit einigen Monaten sind die Aktivitäten von E.R. Schiffahrt und den Bereederungsfirmen der Komrowski-Gruppe zusammengelegt. Wie weit sind[ds_preview] Sie mit der Integration vorangekommen?

Dr. Hermann J. Klein: Der Zusammenschluss wurde zum 1. Juli im Haus von E.R. Schiffahrt erfolgreich vollzogen. Wir haben alle Teams bewusst gemischt, sodass es keine Abteilung gibt, die ausschließlich aus Mitarbeitern der früheren Einzelfirmen besteht. Und wir haben eine grundsätzlich neue Organisation, die es vorher auf keiner der beiden Seiten gab. Aufgrund der größeren Einheiten und gemeinsamen Flotte mit 137 Schiffen machte es Sinn, zu überlegen, wie eine neue Organisationsform aussehen soll. Wir haben beispielsweise ein Team, das sich nur mit Drydockings und anderen Grundsatzthemen wie Verbrauchseinsparungen beschäftigt. Nach drei Monaten bin ich begeistert, wo wir heute stehen. Ich führe das darauf zurück, dass der kulturelle Fit zwischen den Firmen stimmt und die Fu–sion exzellent vorbereitet war. Wir hatten schon im Vorweg viele Veranstaltungen und Treffen zwischen den unterschiedlichen Teams organisiert, damit sich die Kollegen kennenlernen und austauschen können. Hier im Hause hat jeder neue Mitarbeiter zusätzlich einen persönlichen Lotsen zur Seite bekommen, der ihm Fragen von A bis Z beantwortet und auch abteilungsspezifische Abläufe erklärt.

 

Die Mitarbeiter von Komrowski sind aus dem Montanhof zu Ihnen gezogen?

Klein: Ja, denn wir hatten den nötigen Platz. Im Rahmen des Zusammenschlusses sind übrigens alle Mitarbeiter hier im Haus umgezogen.

 

Die Personalkapazitäten addieren sich bei Firmenzusammenschlüssen meist nicht voll auf. Da sind 1 und 1 eher 1,5 als 2. Haben Sie viele Stellen eingespart?

Klein: Nein, nicht wesentlich. Es gibt immer Mitarbeiter, die sich in solchen Situa­tionen selbst dazu entscheiden, einen an­deren Weg zu gehen. In einigen wenigen Fällen gab es Redundanzen. Aber bei rund 50 weiteren Schiffen benötigen Sie ja die entsprechenden Ressourcen, um die Flotte auch managen zu können.

 

Es wurde in der Branche gemutmaßt, dass es sich eher um eine Übernahme der Komrowski-Reedereiaktivitäten durch E.R. als um eine Fusion handelt. Wie sehen denn die Gesellschafterverhältnisse aus?

Klein: Die unternehmerische Führung liegt bei der E.R. Schiffahrt. Es wäre auch ungewöhnlich gewesen, wenn ein Zusammenschluss zwischen einem kleineren und einem größeren Partner paritätisch organisiert wird. Aber es gibt zwei Gesellschafter in der Blue Star Holding. Wir haben das folgendermaßen angelegt: Alle Schiffe werden von E.R. Schiffahrt bereedert, die zu einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Blue Star Holding geworden ist. Die Gesellschafter arbeiten sehr gut zusammen.

 

Sie brauchen also keinen neuen Briefkopf für die Geschäftskorrespondenz im Reedereigeschäft …

Klein: Wenn Sie lediglich den Briefkopf betrachten, ist das richtig. Neues Brief­papier und neue Visitenkarten haben wir trotzdem drucken müssen, denn wir haben überall den Zusatz »Member of the Blue Star Group« integriert. Dass wir nun eine neue Gruppe sind, sehen Sie auch im Internet, auf unserer Mitarbeiterzeitschrift und bald auch auf unserem Dach. Hier wird

ein weiterer Fahnenmast für die Blue-Star-Flagge installiert.

 

Die Sorgen der deutschen Schifffahrt liegen heute primär auf der Eigenkapitalseite, nicht im Management. Die Schiffe sind zu hoch verschuldet und fahren keinen Überschuss ein. Was kann eine Konsolidierung der Bereederung da ausrichten?

Klein: Bei dem Zusammenschluss stand nicht irgendein Eigenkapitalproblem im Vordergrund, sondern die Frage, wie man Schiffe vernünftig managen kann, damit gar nicht erst ein Eigenkapitalproblem entsteht. Es geht darum, die Betriebsausgaben zu optimieren. Ein wichtiger Faktor dabei sind die Trockendockungen, die ganz erhebliche Einmalkosten darstellen. Unsere neue Organisation verfügt jetzt über ein Expertenteam, das sich ausschließlich auf dieses Thema konzentriert. Als E.R. Schiffahrt sind wir in der glücklichen Situation, dass wir keine Neubaubestellungen mehr haben. Für alle Schiffe, die bereits geliefert sind, gibt es feste Finanzierungsstrukturen.

 

Was für Kostenvorteile können Sie denn erzielen? Wie weit wollen Sie die Betriebsausgaben senken?

Klein: Es gibt messbare Ergebnisse. Es liegt doch auf der Hand, dass es einen Unterschied macht, ob Sie bestimmte strukturelle Maßnahmen für eine Flotte von zwei oder von 20 identischen Schiffen durchführen. Wir haben einen ganz anderen Nenner, durch den wir die Kosten teilen können, als kleine Reedereien, wenn es darum geht, die Marktfähigkeit der Schiffe zu erhöhen.

 

Wie ist heute das Verhältnis von Fondsschiffen zu reedereieigenen Schiffen innerhalb der Flotte?

Klein: Wir haben eine ganze Reihe Reedereischiffe, die Mehrheit sind aber KG-Fondsschiffe. In der Bereederung werden alle Schiffe gleich behandelt. Unsere Teams sind jeweils für Teilflotten verantwortlich. Da bringen wir Schiffe zusammen, die ähnlich sind, sodass man dort Mengeneffekte erzielen kann. Für die Teams sind die dahinter liegenden Finanzierungsstrukturen unerheblich.

 

Haben alle Beiräte bzw. Kommanditisten der Fondsschiffe dem Bereederungswechsel zu E.R. Schiffahrt zugestimmt, oder gibt es Schiffe, die an Dritte vergeben wurden?

Klein: Die Geschäftsführungen und Beiräte der Einschiffsgesellschaften haben den Charme erkannt, der in den Economies of Scale – also den Betriebsgrößeneffekten – liegt. Vor dem Hintergrund ist es ihnen leicht gefallen, dem Wechsel zuzustimmen.

 

Gab es denn überhaupt eine Alternative für die Bereederung der Schiffe?

Klein: Sie können immer ja oder nein sagen. So war das auch in diesem Fall.

 

Sie möchten keine Zahlen zu den bis heu­te erreichten Einsparungen nennen. Wird denn ein Anleger eines Nordcapital-Schiffs tatsächlich feststellen können, dass sich die Kostensituation seines Schiffs verbessert hat, wenn er in den nächsten Jahren die Nordcapital-Leistungsbilanz aufschlägt?

Klein: Das Thema Betriebskosten ist komplex. Für einen Kommanditisten, der keine schifffahrtskaufmännische Ausbildung hat, ist es schwer zu beurteilen, ob etwas günstig ist oder nicht. Nehmen wir das Beispiel der Umrüstung von Schiffen für die Ballastwasserbehandlung, wie sie von der IMO bald vorgeschrieben sein wird. In diesem Fall vermeiden wir eher zusätzliche Kosten in einer bestimmten Höhe, als dass wir die Kosten insgesamt senken. In solchen Fällen werden die Investoren leider gar nicht merken, dass sie von Kosteneinsparungen profitieren.

 

Die Blue-Star-Partner haben signalisiert, dass Ihre Holding für weitere Interessenten offen stehe. Gibt es schon Anfragen?

Klein: Ich glaube, viele in der Branche schauen sich erst einmal an, wie der jetzige Zusammenschluss funktioniert. Wir sind offen für Gespräche und laden gerne Interessenten ein, in einem persönlichen Gespräch mehr über die Details zu erfahren. Ich würde mich freuen, wenn ein weiterer passender Partner dazustoßen würde.

 

Wie soll das praktisch funktionieren? Ein anderer Reeder gibt dann seine Schiffe an E.R. Schiffahrt ab und bekommt dafür Anteile an der darüber gelagerten Blue Star Holding?

Klein: Ja, das ist eigentlich ein ganz einfaches Modell.

Werden Sie dabei in einem Jahr schon weiter sein?

Klein: Das ist nicht vorhersagbar. Die Logik des Modells ist und bleibt aber überzeugend. Es funktioniert gut, und das ist belegbar. Die konkreten Vorteile können wir Interessenten in Gesprächen darstellen.

 

Können Sie Ihr »Beuteschema« in Bezug auf den Flottenausbau genauer erläutern? Geht es um Containerschiffe oberhalb des Feedersegments?

Klein: Zunächst einmal: Ihre Wortwahl scheint mir hier nicht ganz passend. Bei einem Zusammenschluss geht es um ein Win-Win-Modell für alle Seiten. Sonst werden Sie zusammen nicht glücklich. Die Kultur untereinander muss stimmen, damit Sie nachher gemeinsam als Gesellschafter an einem Tisch sitzen und im Sinne des Unternehmens entscheiden können. Dazu gehört auch, dass jeder kompromissbereit sein muss. Es kann nachher nicht genauso sein wie vorher bei den einzelnen Partnern. Entscheidend ist, dass die Schiffe zur jetzigen Flotte passen müssen, also Containerschiffe oder Bulker in den mittleren bis ganz großen Bereichen sowie Mehrzweckschiffe.

 

Erwarten Sie, dass Ihnen verstärkt verwertete Schiffe durch die Banken angeboten werden?

Klein: Solche Fälle gibt es hin und wieder. Wir wollen Schiffe langfristig übernehmen, nicht nur für ein oder zwei Jahre. Wir haben ein klares Qualitätsmerkmal, was die Zuverlässigkeit und die geringen Offhire-Zeiten unserer Schiffe angeht. Das werden wir nicht gefährden, nur um zusätzliche Schiffe aufzunehmen. Eine exzellente Reputation ist leichter verspielt als hinterher neu erarbeitet. Insofern gibt es auch Anfragen, bei denen wir »Nein« sagen müssen, weil sie nicht zu uns passen.

Kommen diese Anfragen von Banken?

Klein: Die Anfragen kommen aus der gesamten Szene: von Beiräten, Banken oder einzelnen Investoren, die der Meinung sind, dass das Schiff, in das sie investiert haben, bei uns besser aufgehoben sein könnte.

 

Welche Vorteile bringt Ihnen die vergrößerte Flotte noch? Sie erzielen als E.R. Schiffahrt jetzt wohl einen viel größeren Umsatz? Können Sie diesen Cashflow in die Waagschale werfen, um wieder eigene Investitionen in Neubauten anzuschieben?

Klein: Wir schätzen uns glücklich, dass wir nach vier Jahren Schifffahrtskrise so gut aufgestellt sind. Daraus resultiert eine erhebliche Flexibilität unsererseits.

 

Denken Sie konkret an Neubauten?

Klein: Ich glaube, alle haben verstanden, dass die Märkte heute übersättigt sind. Es deutet nichts darauf hin, dass in unseren Segmenten Bulk, Container und Multipurpose zeitnah Bedarf an zusätzlichen Schiffen besteht.

 

Es gibt aber auch viele, die meinen, dass der Zeitpunkt heute ideal sei angesichts der niedrigen Baupreise.

Klein: Und wie viele bestellen dann tatsächlich? Meine Überzeugung ist, dass wir in den wesentlichen Segmenten der Handelsschifffahrt weiterhin ein Tonnageüberangebot haben. Wenn wir tatsächlich wieder einen Bedarf sehen, können wir auch kurzfristig bestellen und die Schiffe geliefert bekommen. Die Werften sind hungrig auf Aufträge und nicht ausgelastet. Die Zeiten, in denen Sie dreieinhalb Jahre auf eine Ablieferung warten mussten, sind vorbei und werden auch nicht wiederkommen. Man hat heute als Schifffahrtsgesellschaft bessere Möglichkeiten, kurzfristig zu agieren.

 

Wie geht es im Jahr 2013 weiter? Was sind die nächs­ten Meilensteine für E.R. Schiffahrt/Blue Star?

Klein: Drei Monate nach dem Zusammenschluss sind viele Dinge natürlich noch nicht vollständig umgesetzt. Wir versprechen uns weitere Synergieerfolge. Die können wir beispielsweise über eine Vereinheitlichung der Dienstleister erreichen. Hier müssen wir aber Kündigungsfristen be­achten. Darüber hinaus werden wir immer wieder prüfen, ob wir auf Kurs sind oder

ob es weiteres Optimierungspotenzial gibt. Ich gehe aber davon aus, dass alle mit dem Zusammenschluss verbundenen Projekte in den kommenden sechs Monaten abgeschlossen sein werden.

 

Herr Dr. Klein, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Michael Hollmann, Nikos Späth