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Der Transport von Frischwaren ist für Reeder und Speditionen auch im Krisenjahr 2012 ein Wachstumsmarkt. Agrarexporteure auf der südlichen Halbkugel bangen angesichts geplanter Frachtanhebungen aber um ihr Geschäft.

Gegessen und getrunken wird immer – sogar immer mehr, muss man der Binsenweisheit angesichts des Wachstums der Weltbevölkerung und des steigenden[ds_preview] Konsums in den Entwicklungs- und Schwellenländern wohl hinzufügen. Wichtig für die Logistikbranche: Konsumiert werden Wa­ren häufig nicht dort, wo sie angebaut oder produziert werden. Trotz eines Trends zu heimischen Erzeugnissen in bestimmten Marktsegmenten nimmt der Verkehrs­aufwand im Frische- und Tiefkühlbereich von Jahr zu Jahr zu. Für die Linienreedereien und Speditionen wird der Markt in den kommenden Jahren nach Meinung von Experten weiter stabil wachsen.

Auf durchschnittlich 5 % pro Jahr taxiert Maersk-Vorstandschef Søren Skou das Ver­kehrs­wachstum bei Reefer-Containern. Die Beratungs- und Marktforschungsfirma Seabury rechnet für dieses und nächstes Jahr sogar mit Steigerungen von 7 %. Das ist deutlich mehr als im Standardsegment der Dry-Van-Container, wo die Verschiffungsvolumina Schätzungen zufolge im ers­ten Halbjahr um weniger als 4 % zugelegt haben. »Aus der südlichen Hemisphäre heraus erleben wir ein starkes Wachstum, völlig anders als auf den Ost-West-Haupt­routen«, erklärte Seabury-Berater Mathijs Slangen auf der Cool-Logistics-Konferenz in Antwerpen. Zu den Wachstumsrennern zählen demnach die innerasiatischen Verkehre mit +11 % im ersten Halbjahr sowie die Afrikaverkehre mit weit über 20 % Plus.

Dabei gewinnt der Handel unter den Schwellenländern immer mehr an Bedeutung. Einer Auswertung von Seabury zufolge ist der Anteil der latein­amerikanischen Produkte an Asiens Import­umfängen bei frischer Ware seit 2001 von 17 auf 22 % gestiegen. Der Anteil der Ware aus Afrika kletterte immerhin von 2 auf 7 %. Dafür ließen nordamerikanische Exporteure kräftig Federn: Sie mussten mit anschauen, wie ihr Marktanteil am Asien-Import von 71 auf 54 % zurückging.

Neben dem organischen Wachstum in den Schwellenländern profitiert die Containerschifffahrt auch von Sondereffekten: der Verlagerung von konventionellem See- sowie von Luftfrachtgut in den Reefer-Container. Angesichts der hohen Abfahrtfrequenzen, der geringen Stellplatzkosten und des immer leistungsfähigeren Kühlcontainer-Equipments der Linienreeder befindet sich die konventionelle Kühlschifffahrt schon seit Jahren auf dem absteigenden Ast. Mit der Vergabe zahlreicher Bananen-Kontrakte an die Container-Carrier hat sich der Siegeszug der Kühlboxen gegenüber den Breakbulk-Schiffen mit ihren großen klimatisierten Laderäumen seit vergangenem Jahr noch einmal beschleunigt. Mangels zahlender Ladung wurden nach Angaben von Schiffsmaklern dieses Jahr schon rund 60 konventionelle Schiffe zur Abwrackung verkauft. »Wir gehen davon aus, dass die beschleunigte Verlagerung in den nächsten Jahren anhalten wird«, so Slangen.

Immer interessanter für die Container-Reeder wird der Geflügelmarkt mit einem Volumenwachstum von durchschnittlich 8 % pro Jahr bei den Kühlcontainerbuchun­-

gen, hat Seabury errechnet. »Geflügel dürfte bald Bananen als wichtigstes Perishables-Frachtgut überholen«, prognostizierte Slangen. Zudem geben die Luftfracht-Carrier immer mehr Marktanteil an die Reeder ab – hauptsächlich bei Arzneimitteln, aber auch im Transport von Blumen, wo im vergangenen Jahr erstmals große Ladungskontingente von Luft- zu Seefracht gewechselt seien. 400.000 t Frachtgut – das entspricht 4.000 voll abgeladenen 747-Maschinen – seien insgesamt seit 2001 verlagert worden. Für die Reeder ist das angesichts der hohen Seetransportkapazität eher ein homöopathischer Zugewinn, für die Luftfrachtbranche hingegen ein Schlag ins Kontor.

Kräftige Ratensteigerungen geplant

Trotz der positiven Mengentrends macht das Reefer-Geschäft den Linienreedern aktuell aber wenig Freude. Denn die erzielbaren Frachtraten lassen je nach Geübtheit bei der Logistik und Disposition der Reefer-Boxen nur sehr schmale Gewinnmargen zu. Die stark saisonal schwankenden Preise haben den Höhenflug der Raten im Dry-Container-Segment dieses Jahr nicht mitgemacht. »Das Geschäft ist für die Linien derzeit kaum attraktiv«, so ein belgischer Agent. Obst aus China wird mitunter zu Dumping-Raten von unter 1.500 $/FEU nach Europa verschifft – größere gefrorene Fleischpartien in der Gegenrichtung zu 2.000 $. Im Rückverkehr zu den Exportmärk­ten Südamerikas seien noch niedrigere Raten mit erhöhten lagergeldfreien Standzeiten in den Häfen am Markt verfügbar, wird berichtet.

»Die Durchschnittsraten sind für uns auf demselben Niveau wie 2005. Die Raten haben nicht einmal die allgemeine Inflation und Brennstoffkostenerhöhungen abgedeckt«, sagte Maersk-Chef Skou in Antwerpen. Um die Preise auf ein auskömmliches Niveau zu bringen, haben die Dänen ihren Kunden eine pauschale Ratenanhebung bei Reefer-Ladung um 1.500 $/FEU auf allen Routen ab 1. Januar angekündigt. Anschaffungsinvestitionen für neue Reefer-Behälter seien auf Eis gelegt worden, bis sich die Preise erholt hätten. Der Konzern, der weltweit das dichteste Fahrplannetz und das größte Behälterangebot für Reefer-Kunden vorhält, sei auch bereit, Geschäft abzugeben, wenn Kunden die Preiserhöhung nicht mitmachen wollen, stellte Skou klar.

Mit seiner Ankündigung stellt sich der Branchenführer unter Zugzwang. Einige Konkurrenten dürften hingegen selektiver vorgehen, um dem Branchenführer Marktanteile abzujagen: gezielte Preiserhöhungen in stark ausgelasteten Relationen, gar keine oder nur leichte Anhebungen auf den Rückrouten in die Exportmärkte.

Inzwischen haben CMA CGM und einige andere Carrier für den reeferlastigen Verkehr von Neuseeland nach Asien eine gleich große Preiserhöhung angekündigt. Auch der zweitgrößte Reefer-Carrier MSC will die Preise auf den Routen ab Europa nach Mittelost und Asien ab 15. Januar 2013 um 1.000 $/TEU und um 1.500 $/FEU im Reefer-Bereich erhöhen. Die japanische Linie MOL denkt nach Aussage seines Senior Vice President Ryusuke Kimura nun ebenfalls über Reefer-Frachterhöhungen auf bestimmten Routen nach.

Nutznießer dieser Entwicklung könnten Speditionen wie Kühne + Nagel, DHL oder Hellmann sein, indem sie ihre Frachtraten gezielt bei den günstigsten Carriern einkaufen und weiter vermarkten. Sie spielen in dem durch Direktkontakte zwischen Reedern und Großverladern geprägten Reefergeschäft noch eine untergeordnete Rolle.


Michael Hollmann