Zeit zur Besinnung

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Das Jahr neigt sich dem Ende zu, wir kommen langsam zur Ruhe und freuen uns auf besinnliche Tage im Kreis[ds_preview] von Familie und Freunden. Es ist auch die Zeit, in der wir traditionell zurückschauen auf das Jahr, welches im Fall der Schifffahrt leider eines der härtesten überhaupt war. Und wo TV-Sendungen und Nachrichtenmagazine in ihren Rückblicken bewusst ein paar Positivmeldungen einstreuen, die das Herz erweichen, fällt dies in der hiesigen Branche angesichts der Faktenlage schwer.

Wir wollen trotzdem versuchen, ein paar Lichtblicke zu finden, beginnen aber mit den schlechten Nachrichten: Jeder zehnte Schiffsfonds – mindestens 113 an der Zahl – ist inzwischen insolvent; bis zu 500 Pleiten werden innerhalb von drei Jahren erwartet. Das liegt auch daran, dass nur jedes dritte Fondsschiff aktuell Gewinne einfährt.

Vonseiten der Banken ist nicht viel Hilfe zu erwarten: Nach dem sukzessiven Ausstieg der Commerzbank bauen auch die meisten anderen Institute ihre Portfolios ab.

Um die Überkapazitäten abzumildern, helfen neben Super Slow Steaming nur Abwracken und Auflegen in großem Stil: So findet dieser Tage ein erst im Jahr 2000 gebautes Containerschiff an einem indischen Strand sein Ende. Und die Zahl der Auflieger nähert sich schon wieder der Marke von 300.

Es gibt aber auch Positives zu vermelden: Die Linien, so scheint es, haben ihre Lektion im letzten Ratenwettkampf gelernt – vorerst, zumindest. MSC-Chef Gian-Luigi Aponte nennt das Branchenverhalten, an dem er maßgeblich beteiligt war, »unverantwortlich«. Maersk-Line-Chef Sören Skou räumt ein, dass die Reederschaft zu leichtfertig »zu viel Kapital« verbrannt habe und gelobt Besserung, worin ihn die jüngsten überraschend guten Quartalszahlen bestätigen. Dass der Marktführer nun wieder komfortabel in den schwarzen Zahlen ist, sollte auch mehr Luft bei den Charterraten geben.

Ebenfalls positiv: Die Werftkapazitäten in Fernost dürften schrumpfen. Nach 50 % Orderrückgang in diesem Jahr wird so mancher chinesische Schiffbauer seine Tore schließen. »Last year was grey, this year is black and next year will be bloody«, sagte unlängst der Chef einer großen Werft im Reich der Mitte. Was für ihn betrüblich ist, gibt deutschen Reedern Hoffnung.

Verlässliche Konstanten, freilich, sind auch Welthandel und Globalisierung. Solange letztere nicht stockt, wird der Güterverkehr auf See stetig weiter wachsen – und er tut es ja sogar in einem Krisenjahr wie 2012.

Die allerbeste Nachricht indes ist: Die jetzigen Probleme sind nicht von einer Naturgewalt herbeigeführt worden, auch wenn wir das immer wieder lesen können: Ein »Gewitter, keine Wolke am blauen Himmel«, habe die aktuellen Probleme verursacht, heißt es. »Rauer Gegenwind« blase der Branche entgegen. Es sei eine »schwere Sturmsee«, in der die deutsche Schifffahrt steuere. Auch wenn Metaphern in Krisenzeiten ein beliebtes Stilmittel sind, haben freilich ganz allein menschliche Fehlentscheidungen zu der Misere geführt: individuelle Entscheidungen, die im Kollektiv falsch waren. Aber vielleicht lernen ja genug Beteiligte daraus, damit wir aus dieser – laut Analysten-Ikone Martin Stopford 23. Zykluskrise seit 1741 – nicht direkt in die 24. hineinstolpern.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, lieben Lesern, im Namen der HANSA friedvolle Weihnachtstage und für das kommende Jahr viel Gesundheit, Glück und Erfolg!


Nikos Späth