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Das auf der polnischen Crist-Werft gebaute Jack-up Vessel »Innovation« wird maßgeblich an der Errichtung des Offshore-Windparks »Global Tech I« arbeiten. Über einige technische Aspekte des Schiffes, den Einsatzhafen und die Pionier–arbeiten am Windpark berichtet Karl-Heinz Hochhaus

Um Europas Ziel zum Ausbau der Offshore-Windenergie auf 44 GW bis 2020 zu realisieren, bedarf es großer Anstrengungen. Im Jahr[ds_preview] 2011 wurde pro Tag die durchschnittliche Leistung von rund 2,6 MW erreicht. Notwendig ist jedoch eine tägliche mittlere Leistung von rund 12,5 MW, also fast der fünffache Wert. Dazu werden mehr Errichterschiffe benötigt: wie die am 3. September in Bremerhaven getaufte »Innovation« (s. Abb. 2). Sie gilt mit 147,5 m Länge, 42 m Breite und 1.500 t Tragkraft des Krans als eines der bisher größten und leistungsstärksten Errichterschiffe der dritten Generation.

Da sich die deutschen Standorte der Offshore-Windparks im Gegensatz zu anderen Ländern in großem Abstand von der Küste befinden, werden Pionierarbeiten bei der Gründung und besonders bei der Strom­übertragung erbracht. Riesige Offshore- Transformatoren- und Konverter-Plattfor­men sind notwendig, um die Spannung zu erhöhen, den Drehstrom in Gleichstrom zu wandeln und mit geringen Verlusten an Land zu übertragen. Im Offshore-Bereich ist diese Technologie der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) Neuland und weltweit verfügen nur drei Unternehmen (Siemens, ABB, Alstom) über diese anspruchsvolle Technologie.

Die ersten sogenannten Errichterschiffe zum Aufbau von Offshore-Windparks waren Kompromisse: Es waren kranbestückte Hubinseln ohne Antrieb (erste Generation) oder kurzfristige Umbauten (zweite Generation). Errichterschiffe der nun dritten Generation entstehen in Südkorea, Abu Dhabi oder in Polen. Auf der Hamburger Sietas-Werft startete zudem im April 2012 der Bau des Errichterschiffes »Aeolus« für das niederländische Wasserbau-Unter­nehmen Van Oord. Die vorwiegend für den Aufbau und die Wartung von Offshore-Windparks kons­truierte »Innovation« entstand auf der polnischen Crist-Werft. Es ist je nach Tätigkeit ein schwimmendes Spezialschiff oder eine auf Beinen stehende Offshore-Kraninsel.

Ursprünglich war die »Innovation« von der Kooperation Beluga Hochtief Offshore (BHO) ab 2008 geplant, entworfen und im Jahr 2010 bei Crist in Auftrag gegeben worden. Nach der Insolvenz von Beluga übernahm die US-amerikanische Investment­gesellschaft Oaktree Capital Management im März 2011 die Geschäftsführung der Unternehmensgruppe und verkaufte den 50-prozentigen BHO-Anteil ans belgische Unternehmen GeoSea. GeoSea gehört zur 1991 gebildeten belgischen DEME-Holding, die über eine Flotte von rund 80 Baggerschiffen, weiteren 200 Hilfsschiffen und eine Offshore-Flotte verfügt. Sie ist auf komplexe Wasserbauprojekte im OffshoreBereich spezialisiert und hat mit Hochtief ein Joint Venture unter dem Namen HGO InfraSea Solutions gebildet.

Taufe in Bremerhaven

Beide Firmen haben schon gemeinsame Aktionen in der Nordsee und der Ostsee durchgeführt und unter anderem den ers­ten Windpark in der Nordsee »Alpha Ventus« errichtet. In Anwesenheit von Kapitän Jörg Eden und seiner Mannschaft sowie vor rund 600 Gästen aus der europäischen Offshore-Windkraftindustrie taufte Geertrui Van Rompuy-Windels, die Ehefrau des Präsidenten des Europäischen Rates, die »Innovation«. Ihren Taufspruch trug sie auf Englisch, Deutsch und Flämisch vor, denn das Schiff ist ein europäisches Projekt. Mit dieser Zeremonie, Konfettiregen und der Europa­hymne »Freude schöner Götterfunken« wurde das derzeit leistungsstärkste und rund 200 Mio. € teure Errichterschiff für den Offshore-Windmarkt am 3. September dieses Jahres in Bremerhaven offiziell in Dienst gestellt.

Vor der Taufe hatte die »Innovation« mit dem eigenen Kran am Offshore-Terminal der BLG, der ABC-Halb­insel, neun Rammpfähle zur Verankerung der dreibeinigen Gründungsstrukturen – den sogenannten Tripods – aus einem Binnenschiff an Bord genommen (s. Abb. 1). Nach der Taufe erfolgte die Beladung mit zwei jeweils 60 m hohen und 900 t schweren Tripods.

Bau auf der Crist-Werft in Gdynia

Die Idee und der Entwurf stammen von Beluga Hochtief Offshore und an der Detailkonstruktion waren neben der Crist-Werft das Hamburger Konstruktionsbüro Overdick und Wärtsilä­ Ship Design maßgeblich beteiligt. Die Crist-Werft in Gdynia hat auch schon die Hubinsel »Thor« für Hochtief gebaut.

Der Bau der »Innovation«, ein Prototyp mit vielen technischen Herausforderungen, erfolgte in rund zwei Jahren Bauzeit als Neubau mit der Nummer 142. Details zum Bau sind in [1, 2, 3] beschrieben und mit Fotos dokumentiert.

Die »Innovation« wurde im Gegensatz zu anderen Errichterschiffen trotz diverser Schwierigkeiten und kritischer Stimmen pünktlich abgeliefert. Ein Großteil der technischen Ausrüstung wie auch die Diesel­motoren, Generatoren, Mittelspannungs­anlage, die dynamische Positionierung nach DP2 mit den vier Ruderpropellern (s. Abb. 1) und drei Querstrahlern im Bug sowie der riesige Schwerlastkran kamen aus Deutschland. DP2 bedeutet, dass eine Redundanz von allen aktiven Antriebskomponenten ge­währleistet ist.

Das Schiff mit der IMO-Nr. 9603453 wurde vom Germanischen Lloyd klassifiziert. Mit einer Tragfähigkeit von 9.550 dwt bei der Vermessung von 21.900 BRZ hat die »Innovation« Einrichtungen für 100 Personen und ist für die Erweiterung auf 180 Menschen an Bord vorbereitet. Sie erreicht eine Geschwindigkeit von 12 kn und kann in Wassertiefen bis zu 65 m arbeiten. Sie verfügt über eine Deckfläche von 3.400 m2 und hat eine Ladekapazität von rund 8.000 t.

Ein Konsortium der Firmen Caterpillar (MaK), Schottel und SAM Electronics hat die diesel-elektrische Antriebsanlage zur dynamischen Positionierung mit integriertem Automationssystem als Gesamtpaket ge­liefert. Die Generatoren kommen von Siemens und die elektrischen Antriebsmotoren (Nennspannung jeweils 6.600 V) für die Ruderpropeller und Querstrahler jeweils mit Festpropeller wurden von VEM geliefert. Für eine feinfühlige Schubdosierung der Antriebe sorgen die Frequenzumrichter, die eine stufenlose Drehzahleinstellung ermöglichen.

Sechs Dieselmotoren vom Typ MaK 9M32 mit einer Nennleistung von jeweils 4.500 kW und ein Hafendiesel vom Typ MaK 9M20 treiben die Siemens-Generatoren an, die das Mittelspannungsnetz von 6.600 V versorgen.

Der Generatorstrom wird zu zwei Schaltanlagen geführt, die aus Redundanzgründen (DP2) in getrennten Räumen aufgestellt sind. Damit werden neben den Hilfsanlagen die vier 3.500-kW-Heckstrahler und die drei 2.800-kW-Bugstrahler von Schottel versorgt. Auch die elektrischen Antriebe der vier Ruderpropeller und Querstrahler sind aus Redundanzgründen in separaten Räumen untergebracht.

Hubbeine

Für das Aufstellen des Schiffes sind die von Siemens gelieferten Hubvorrichtungen nach dem »Rack & Pinion«-Verfahren vorgesehen, die pro Gitterbein 24 Zahnräder elektrisch antreiben (s. Abb. 6, 7, 8). Für alle vier Gitterbeine sind es insgesamt 96 Zahnräder und Elektromotoren mit einer Antriebsleistung von insgesamt rund 9.000 kW. Diese enorme elektrische Antriebsleistung ist notwendig, um mit einer Hubgeschwindigkeit von rund einem Meter pro Minute in einer Stunde eine Höhe von 60 m zu erreichen.

Eine weitere Besonderheit des Errichterschiffes ist die Seewasserversorgung für die Feuerlösch-, Kühlwasser- und Spülwassersysteme, die je nach Verwendung als Schiff oder Hubinsel umzuschalten ist. Das Seekühlwassersys­tem versorgt die Plattenwärmetauscher (s. Abb. 3), die das Frischkühlwasser der Hauptmotoren, der Luft- und der Klimakompressoren zurückkühlen. Die Spülwassersysteme werden benötigt, wenn die Hubbeine, jedes mit einer Traglast von 8.000 bis 10.000 t, im schlammigen Meeresgrund zu tief einsinken. Die in der Fachsprache als »Spudcans« bezeichneten Füße mit gro­ßen Standflächen werden dann mit einem Nenndruck von über 50 bar freigespült.

Da Pumpen nur eine theoretische Ansaughöhe von 10 m (praktisch 7 bis 8 m) haben, werden die Ansaugleitungen der Seewassersysteme beim Aufstellen des Schiffes an spezielle in den Hubbeinen befindlichen Rohrleitungen mit unteren Tauchpumpen angeschlossen. Um die ständige Seewasserversorgung für die Kühlung der Dieselgeneratoren zu gewährleisten, wird beim Aufrichten des Schiffes ein wechselseitiger Kühlwasseranschluss über eine Y-Schlauch­leitung mit integrierten Absperr­organen realisiert.

Die 90 m langen Hubbeine aus Spezialstahl wiegen rund 1.000 t und wurden als Gitterkonstruktion von der Maritime Industrial Services (MIS) gefertigt. Das Unternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten beschäftigt sich mit dem Entwurf, der Konstruktion, Fertigung und Reparatur von Schiffen und Offshore-Bauwerken für die Öl-, Gas- und Petrochemie.

Schwerlastkran für 1.500 t

Um das hintere steuerbordseitige Hubbein wurde aus Platzgründen der Schwerlast-Offshorekran angeordnet. Der von Liebherr-MCCtec entwickelte Kran mit der Bezeichnung CAL 64000-1500 Litronic (s. Abb. 10) wurde für die Montage von Windkraftanlagen auf hoher See konstruiert und im Rostocker Liebherr-Werk gefertigt. Der Ausleger ist 105 m lang, die Hubhöhe beträgt 120 m über Deck. Der Kran kann 1.500 t heben, sich um 360° drehen und weist ein Eigengewicht von rund 1.500 t auf. Er wurde aufgrund seiner Größe in mehreren Einzelteilen in jeweils dreitägiger Überfahrt nach Gdynia verschifft.

Einsatzhafen

Heimat- und Basishafen der »Innovation« ist Bremerhaven. Hier wurde von der Bremer BLG Logistics Group im Kaiserhafen auf der sogenannten ABC-Halbinsel ein vorläufiges Offshore-Terminal eingerichtet. Der Boden im Hafenbecken wurde im Abstand von rund 25 m von der Kaikante extra für die »Innovation« mit über 30.000 t Gewicht ausgekoffert, damit sie beim Umschlag der bis zu 900 t schweren Tripodfundamente auf sicheren Beinen steht. Das Offshore-Terminal auf der ABC-Halbinsel befindet sich in gerader Linie zur von Hochtief erbauten und am 29. April 2011 eingeweihten neuen Kaiserschleuse, die eine Durchfahrtsbreite von 55 m und eine Länge von 305 m hat

(s. Abb. 8). Sie musste von der »Innovation« aufgrund der universellen Propulsionsanlage nur beim ersten Mal mit Schlepperassis­tenz durchfahren werden, denn zukünftig ist für die Brückenmannschaft aufgrund der nauti­schen Einrichtung (s. Abb. 9) und DP2 kein Schlepper mehr vorgeschrieben. Die Schleusenbreite gestattet auch eine »Verbreiterung« des Schiffes, um die Transportkapazität durch seitliche Anbauten besser auszunutzen.

Offshore-Windpark »Global Tech I«

Die »Innovation« wurde gechartert, um den bisher größten Offshore-Windpark »Global Tech I« in großer Küstenentfernung zu errichten. Der Windpark wurde am 24. Mai 2006 vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) genehmigt und liegt in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Die Gesamtinvesti­tion des Projekts beläuft sich laut dem Initiator, der Firma Windreich, auf rund 1,6 Mrd. €.

80 Windenergieanlagen der 5-MW-Klasse (insgesamt 400 MW) werden rund 90 km nordwestlich der Insel Juist in Wassertiefen bis 40 m aufgestellt. Der Windpark mit einer trapezförmigen Fläche von 41 km2 befindet sich in einem verkehrsarmen Seegebiet ca. 180 km vor Bremerhaven und 138 km vor Emden. Die Fertigstellung ist für Mitte 2013 geplant. Ab Ende 2013 soll Strom geliefert werden. Es wird mit einem Jahresertrag von 1,5 bis 1,8 Mrd. kWh gerechnet, was einer Stromversorgung für 400.000 bis 500.000 Haushalte entspricht.

Die »Innovation« hat bereits begonnen, die als Tripod bezeichneten Fundamente mit einem Gewicht von rund 900 t, der Höhe von 60 m und der Grundfläche 30 mal 30 m zu verlegen und durch Rammen von kleineren Pfählen in den Meeresboden zu befestigen. Die Tripods werden von der Arbeitsgemeinschaft Tripod Global Tech 1 gefertigt, die aus den Unternehmen Weserwind, Offshore Construction Georgsmarienhütte, Erndtebrücker Eisenwerk (EEW)sowie den – inzwischen insolventen – Siag Nordseewerken besteht. Die 80 Windtur­binen werden von Areva Wind gefertigt und haben einen Drei-Blatt-Rotor mit einem Durchmesser von 116 m. Ihre Nabe befindet sich 92 m hoch über dem Meeresspiegel.

Zum Offshore-Windpark »Global Tech 1« gehört außerdem die Konverterplattform »BorWin beta« für die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ-Verbindung »BorWin 2«). Siemens Energy beauftragte Nordic Yards im Juli 2010 mit dem Bau dieses rund 15.000 t schweren Bauwerks und rüstet es elektrotechnisch aus. Aufgrund von Verzögerungen bei »BorWin beta« soll vorübergehend die nicht ausgelastete HGÜ-Verbindung »BorWin 1« genutzt werden. Dazu wird seit Anfang November von der Plattform »BorWin alpha« (2009 von ABB geliefert) im Windpark »Bard Offshore 1« ein Wechselstrom-Seekabel zum Baufeld »Global Tech 1« gelegt.

Die parkinterne Verkabelung mit einer Mittelspannung von 33.000 V erfolgt vom Konsortium Norddeutsche Seekabelwerke und Global Marine Systems. Zur Vermeidung großer Übertragungsverluste wird der Strom der Offshore-Windparks ab einer Entfernung von 60 bis 80 km über eine HGÜ an Land übertragen. Für die HGÜ-Netzanbindung ist Tennet TSO verantwortlich. Der Windstrom wird im Umspannwerk Diele im Landkreis Leer ins Landnetz eingespeist. Da es weltweit nur drei Kabelhersteller für die speziellen HGÜ-Kabel gibt, sind hier Engpässe zu erwarten.

Zusammenfassung

Die am 3. September 2012 in Bremerhaven getaufte »Innovation« entstand auf der polnischen Crist-Werft in Gdynia. Ein Joint Venture von Hochtief und der belgischen GeoSea mit dem Namen HGO InfraSea Solutions wird das Errichterschiff als Eigner mit dem Heimathafen Bremerhaven betreiben. Die »Innovation« zählt weltweit zu den leistungsfähigsten Einheiten ihrer Art und wird für etwa ein Jahr im Offshore-Windpark »Global Tech I« arbeiten. Trotz Ver­zögerungen bei der Fertigstellung der vorgesehenen HGÜ-Konverterplattform soll spätestens Ende 2013 Windstrom aus diesem Park in der Nordsee fließen.


Karl-Heinz Hochhaus