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Je mehr Windenergieanlagen in der Nord- und Ostsee aufgestellt werden, umso größer wird das Kollisionsrisiko – nicht nur für Schiffe, sondern auch für U-Boote. Sonartransponder sollen die Gefahr minimieren.

Als das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) vor etwa zehn Jah-

ren die ersten Genehmigungen für Offshore-Windparks in[ds_preview] der deutschen Ausschließ­lichen Wirtschaftszone (AWZ) erteilte, begann auch die Bundeswehr, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Angesichts des sich abzeichnenden Ausbaus der Wind­energie in der Nord- und Ostsee befürchtete das Mili­tär ein steigendes Kollisionsrisiko mit den Fundamenten der Offshore-Windenergie­anlagen für die U-Boote der Bundesmarine und forderte entsprechende Gegenmaßnahmen in Form von akustischen Warnungen.

Technik ersetzt Klapper-Eimer

Hatte man sich im Öl- und Gasbereich noch mit Eimern beholfen, die unter Wasser mit Ketten an den Plattformen befestigt wurden und durch ihr Klappern auf die drohende Gefahr aufmerksam machten, sollte nun eine technisch ausgereifte Lösung

her. Gesucht wurden leistungsfähige Sonartransponder zur Anbringung an den Fundamenten der äußeren Anlagen eines Windparks, die auf bestimmte empfangene Schallsignale durch das Aussenden eigener Signale antworten können.

Im Juni 2004 veröffentlichte die Forschungsanstalt der Bundeswehr für Wasserschall und Geophysik (FWG) einen Bericht, in dem die technischen Anforderungen an solche Warngeräte aufgeführt wurden. Das Problem: Auf dem Markt gab es diese zu jenem Zeitpunkt nicht mit den geforderten Leistungsmerkmalen, weder in Deutschland noch international. Acht Jahre und ein Forschungsprojekt später haben mit Airwerk und L-3 Elac Nautik mittlerweile zwei Unternehmen marktreife Produkte entwickelt. Im September hat Elac Nautik die ersten Seriengeräte auf See installiert.

Für die Betreiber von Meereswindparks sind die Sonartransponder eher »ungeliebte Kinder«, da sie mit Aufwand und zusätzlichen Kosten verbunden sind. Dabei sollen die Geräte möglichst niemals aktiv werden, sondern sind ausschließlich für den Notfall gedacht. »Wir hoffen, dass sie nie gebraucht werden – denn das würde bedeuten, dass unsere Kollegen in Gefahr sind«, sagt Dr. Ivor Nissen von der FWG, der damals den Bericht geschrieben hat.

Vier U-Boote hat die Bundesmarine derzeit im Einsatz, zwei weitere sollen noch folgen: Da stellt sich der eine oder andere Windparkbetreiber die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Kosten und Nutzen. Er habe vor Jahren intensive Gespräche mit der Bundeswehr zu diesem Thema geführt, berichtet Christian Dahlke vom BSH. »Aber letztlich sind das Sicherheitsbelange«, betont der Offshore-Fachmann. »Es geht hier um Menschenleben, da kann man kaum mit wirtschaftlichen Argumenten kommen.«

Die Bundeswehr überzeugte das BSH von der fachlichen Notwendigkeit der So­nartransponder, und seither sind sie bei der Beantragung von Offshore-Windparks ein fester Bestandteil des Genehmigungsverfahrens.

Aktivierung nur im Notfall

Folgendes sollen die Geräte, die jeweils in halber Wassertiefe an den Fundamenten anzubringen sind, laut FWG-Bericht können: Im Bedarfsfall sollen sie vom U-Boot aus über das bordeigene Unterwassertelefon mittels eines 8-kHz-CW-Signals aktiviert werden, um dann als Antwort in einem festen und gleichförmigen Intervall mehrere Schallsignale unter Wasser auszusenden, die einen Winkelbereich von 270° abdecken und auch bei hydroakustisch ungünstigen Wetterbedingungen über mindestens 2 sm zu hören sind. Dafür muss der Sendepegel nach Nissens Berechnungen etwa 200 dB re 1 Pa bei 1m (also in einer Entfernung von 1 m) betragen: Dadurch könne sichergestellt werden, dass das Warnsignal bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 15 m/s und 1,5 m signifikanter Wellenhöhe in der Regel empfangen werden könne, schreibt er in seinem Bericht. Um die Tierwelt in Nord- und Ostsee nicht unnötig zu belasten, sollen die Sonartransponder nicht permanent senden, sondern nur im Notfall.

Ein solcher Notfall tritt nach Aussage von Nissen ein, wenn sich ein U-Boot in der Nähe eines Offshore-Windparks befindet, aber keine exakte Orientierung mehr hat – zum Beispiel wegen technischer Probleme oder weil zu hohe Wellen ein kurzzeitiges Auftauchen zum Empfang eines aktuellen GPS-Signals zu gefährlich machen würden.

Da sich U-Boote über Koppelnavigation orientieren, also die Standortbestimmung näherungsweise mithilfe von Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit vornehmen, kann es gerade bei schwierigen Wellen- und Strömungsbedingungen zu Ortungsproblemen kommen. »Radar funktioniert unter Wasser nicht, und ein aktives Sonarsystem zur genauen Ortung haben die U-Boote nicht an Bord, weil sie möglichst unentdeckt bleiben wollen«, erläutert Nissen. So bleiben zur Warnung vor Hindernissen nur die eingebauten passiven Sonarsysteme, die Geräusche von anderen Schallquellen empfangen und einordnen: im Fall von Offshore-

Windparks eben die von der Besatzung selbst ausgelösten und dann von den Sonar­transpondern gesendeten Warnsig­nale.

Auch NATO-U-Boote durchqueren im Übrigen deutsche Küstengewässer und können die Transponder ebenfalls aktivieren. Nissen: »Andere Länder wie Dänemark und die Niederlande haben sich schon nach dem Konzept erkundigt.«

Testfeld »Alpha Ventus«

Im Rahmen der Forschungsinitiative RAVE (»Research at alpha ventus«) wurde ein erstes System entwickelt. An dem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt, das von Februar 2009 bis März 2011 lief, waren neben der mittlerweile insolventen Firma Thales Instruments und dem Institut für Statik und Dynamik (ISD) der Leibniz Universität Hannover das Oldenburger Institut für technische und angewandte Physik sowie das Deutsche Wind­energie-Institut in Wilhelmshaven und die Firma BioConsult SH, Husum, beteiligt. Neben der Produktion zweier Prototypen gehörte die Erstellung eines Simulationsmodells zur Schallausbreitung zu den Zielen des Vorhabens.

Das von den Wissenschaftlern erarbei­tete Modell konnte schließlich anhand von Messkampagnen bei unterschiedlichen Wet­terbedingungen validiert werden. »Bei den Tests in der Nordsee haben wir fest­gestellt, dass unsere Berechnungen die wesentlichen Wetterabhängigkeiten qualitativ sowie quantitativ sehr gut abbilden«, erläutert Moritz Fricke vom ISD.

Eines der wesentlichen Ergebnisse der Untersuchungen sei, dass Windgeschwindigkeit und Wellenhöhe einen großen Einfluss auf die Ausbreitung des Schallsignals unter Wasser hätten, so Fricke. Damit habe man letztlich den Nissen-Bericht von 2004 und die Notwendigkeit eines Quellpegels von 200 dB bestätigt: Der sei tatsächlich notwendig, um auch bei ungüns­tigen Wetterbedingungen eine sichere Detektion des Transpondersig­nals in einer Entfernung von 2 sm zu erreichen, heißt es im Abschluss­bericht des Forschungsprojekts.

»Windgeschwindigkeit und Wellenhöhe haben einen großen Einfluss auf die Ausbreitung des Schallsignals unter Wasser«

In der Praxis erwies sich das als gar nicht so einfach. »Das ist viel Energie, die musste erst einmal erreicht werden«, sagt Jens Krieger, einer der damaligen Geschäftsführer von Thales Instruments. So schaffte der erste entwickelte Prototyp bei einem Quellpegel von 188 dB lediglich eine Schallwinkelabdeckung von 90°. Auch wenn für »Alpha Ventus« nicht die im FWG-Bericht genannten 270° gefordert waren, sondern nur 180°, mussten sich die Projektbeteiligten etwas einfallen lassen.

Für den zweiten Prototyp wurde daher die Geometrie des Gerätegehäuses abgewandelt, wodurch die maximale Winkel­abdeckung um 30° gesteigert werden konnte. Darüber hinaus wurde das zum System gehörende Steuergerät dahingehend weiterentwickelt, dass es nicht mehr nur einen, sondern bis zu vier nebeneinander eingesetzte Schallwandler steuern konnte. Damit war die Winkelproblematik gelöst. Zur Erhöhung des Schallpegels auf die geforderten 200 dB wurden die Wandler selbst erheblich vergrößert.

Um die Auswirkungen auf marine Säu­getiere möglichst gering zu halten und ihnen ein Ausweichen zu ermöglichen, wurde der Transponder außerdem um einen Softstart erweitert: Dadurch stieg der Sende­pegel bis zur vierten Wiederholung des Sendezyklus linear an, bevor er den maximalen Pegel erreichte. Eine Vermessung durch die Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen der Bundeswehr, Maritime Technologie und Forschung (WTD 71), ergab schließlich, dass das entwickelte Sonartranspondersystem den empfohlenen Spezifikationen entsprach.

Sonartransponder von Airwerk

Der seitens des Erneuerbare-Energien-Dienstleisters Airwerk angebotene Sonartransponder weist als wesentliches Merkmal die Erweiterung des Strahlungswinkels von 120° auf 180° auf. Da die meisten Offshore-Windparks mit diesem Winkelbereich auskämen, kann laut Airwerk so auf die Installation von mehreren Schallwandlern pro Fundament verzichtet werden. In Labortests sei dies erreicht worden.

Der Transponder besteht aus bis zu vier Leistungsverstärkern und Schallwandlern, den entsprechenden Kabelverbindungen sowie einer Steuereinheit, die über Wasser in einem Schaltschrank installiert wird – z. B. im Turm oder auf der Plattform. Die stabförmigen Schallwandler sind etwa 1 m lang und wiegen 80 kg. Die glatte Oberfläche vereinfacht die regelmäßig notwendige Säuberung von Pflanzenbewuchs. Bei Wartungsarbeiten von Tauchern innerhalb des Windparks können und sollen die Geräte abgeschaltet werden, worüber die Marine dann allerdings informiert werden muss. Der Transponder überwacht selbsttätig seine Funktion und meldet Fehler umgehend.

Die Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt haben gezeigt, dass ein Großteil der Installationsarbeiten schon an Land, also vor dem Setzen der Fundamente, erledigt werden sollte. Vor allem betrifft das die Montage der Halterungen für die Schallwandler und die Verlegung des Verbindungskabels zwischen Schallwandler und Steuergerät. Die Schallwandler selbst sollten jedoch erst auf See installiert werden, um mögliche Beschädigungen bei den Rammarbeiten zu verhindern.

ST 30 von L-3 Elac Nautik

Ein zweites Sonartranspondersystem haben die Unterwasserakustik-Experten von L-3 Elac Nautik zur Serienreife geführt. Auch der ST 30 verfügt über Softstart- und Selbsttest-Funktionen und setzt sich aus einer Steuereinheit, Kabelverbindungen sowie Schallwandlern zusammen, wobei die Schallquelle grundsätzlich aus zwei Schallwandlern besteht. »Dadurch bekommen wir erstens mehr Leistung ins Wasser«, erläutert Vertriebsleiter André Powilleit, »und zweitens ist das wichtig für die Redundanz: Sollte einmal ein Wandler ausfallen, ist das System immer noch betriebsbereit.« Rein optisch unterscheidet sich der ST 30 von seinem Airwerk-Konkurrenten dadurch, dass er kleiner und kompakter ist. Die Schallwandler sind hier omnidirektional und decken damit einen Winkel von 360° ab, der lediglich durch die Abschattung des Fundaments eingeschränkt wird.

»Alle 4 sm müssen Sonartransponder angebracht werden«

Ein weiterer Vorteil sei es, dass die Bundesmarine ihre Unterwassertelefone schon seit Jahrzehnten ausschließlich von L-3 Elac Nautik beziehe, sagt Powilleit. »Teile der Unterwassertelefone verwenden wir auch für den ST 30. Dadurch können wir garantieren, dass beide Systeme optimal aufeinander abgestimmt sind.« Darüber hinaus kämen so langjährig erprobte und robuste Komponenten zum Einsatz. Mehr als 20 Einzelsys­teme sind laut Powilleit bislang an insgesamt sechs Offshore-Windparks in der deutschen Nord- und Ostsee verkauft worden, darunter »Global Tech 1«, »Meerwind Süd/Ost« und »Dan Tysk«. Die ersten davon wurden in den vergangenen Wochen installiert und können nun ihre Praxistauglichkeit beweisen.

Ob künftig weitere Anbieter den Markt betreten werden, wird sich zeigen. Für jedes System jedenfalls gilt, dass »an der konvexen Hülle des Windparkgebiets alle 4 sm Transponder angebracht werden« sollen, wie es im FWG-Bericht heißt. Jedes einzelne Projekt muss laut einem Papier der Wehrbereichsverwaltung Nord, dem Flottenkommando der Marine, vorgelegt werden, das diese Vorgabe dann durch Einzelfallfestlegungen konkretisiert.

Wie viele Sonartransponder ein Parkbetreiber also letztlich einkaufen muss, hängt von unterschiedlichen Parametern ab – unter anderem von der Lage und Größe des Offshore-Windparks, von der Zahl der Eckpunkte und auch von der Transponderausstattung benachbarter Parks.


Anne-Katrin Wehrmann