Print Friendly, PDF & Email

Der Bund hat die Förderung zur Ausbildung und Beschäftigung verbessert in einer Situation, in der absehbar ist, dass die deutsche Schifffahrt in ihrer Existenz bedroht ist. Eine Entscheidung zum falschen Zeitpunkt?

Die andauernde Krise in der Schifffahrt geht in ihr fünftes Jahr und bedroht immer mehr Einschiffgesellschaften und Reedereien in ihrer[ds_preview] Existenz. Seit Monaten mehren sich die Hilferufe von Verbänden und betroffenen Reedereien Richtung Berlin. Aber scheinbar verhallen diese Rufe und Bitten ungehört. Anders lässt sich die jetzt beschlossene Unterstützung nicht erklären. Wozu brauchen wir eine Aufstockung der Mittel für eine verbesserte Förderung von Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt am Standort Deutschland, wenn dieser in seiner Existenz bedroht ist?

Vier sehr schwierige Jahre haben beson­ders die Containerschifffahrt in eine existenzielle Not gebracht. Es ist nicht nur die Überbauung der Flotte, die zu dieser Situation beigetragen hat, sondern rückblickend auf die jüngste Vergangenheit liegt das Hauptproblem im Preiskrieg um Marktanteile, den die großen Linienreedereien im Jahr 2011 erbittert untereinander ausgetragen haben. Der Versuch, Wett­bewerber aus dem Markt zu drängen, wurde durch eklatante Absenkungen der Frachtraten für den Transport der Container durchgeführt, aber er ist kläglich gescheitert. Parallel zu dieser Entwicklung gingen auch die Charterraten für Containerschiffe, insbesondere in den Größenbereichen bis 6.500 TEU, deutlich nach unten.

Im Jahresverlauf wurden die Frachtraten zwar in meh­reren Schritten angehoben und die Linien schreiben wieder schwarze Zahlen, aber die Charterraten sind dieser Entwicklung nicht gefolgt. Das Gegenteil ist der Fall! Aktuell liegen die Charterraten zum großen Teil sogar unter den Schiffsbetriebskosten – an eine Bedienung des Kapitaldienstes ist überhaupt nicht mehr zu denken.

Dies ruft natürlich die schiffsfinanzieren­den Banken auf den Plan, die der Schifffahrt in der gesamten Krise schon sehr viel Kum­mer bereitet haben. Durch ihre Weigerung, Hilfsmaßnahmen für Einschiff-KGs und Reedereien zu gewähren, gehen den betroffenen Gesellschaften die Betriebsmittel aus und sie können nur noch zwischen Pest oder Cholera in der Gestalt von Notverkäufen oder Insolvenzen wählen.

Beide Maßnahmen führen in Ermangelung eines Käufermarktes zur Verwertung zu Dumpingpreisen. Bei Schiffen, die zehn oder mehr Jahre teilweise sehr erfolgreich gefahren sind und kaum noch eine Verschuldung aufweisen, liegen die Dumpingpreise nur unwesentlich über dem Schrottwert. Die Abwrackindustrie erlebt dabei einen Boom und nur die Tatsache, dass für Stahl aus der Verschrottung von Schiffen immer noch gute Preise bezahlt werden, macht diese Situation halbwegs erträglich.

»In einer Phase, in der es keinen Käufer-, sondern nur einen Schnäppchenjägermarkt gibt, wäre der Anreiz einer Abwrackprämie ausgesprochen sinnvoll«

Eigentlich ist diese Entwicklung bei solchen Schiffen ein Wahnsinn, aber auf der anderen Seite wird so ein Teil der Überhangtonnage beseitigt. Der Wermutstropfen liegt indes darin, dass nicht alle »unter Stress stehende« Schiffe abgewrackt werden. Banken, die nicht bediente Kredite fällig stellen oder keine weiteren Betriebsmittel gewähren, verwerten diese Schiffe oder treiben sie in die Insolvenz. Übernommen werden sie dann häufig von griechischen Reedern, die gleichzeitig von den verwertenden Banken Finanzierungen zu unglaublich günstigen Konditionen erhalten. Damit ausgestattet, können sich diese Reeder wesentlich kostengünstiger am Markt beteiligen und tragen so zur Verschärfung der Charterratenkrise bei.

Nicht von ungefähr wird deshalb aus der deutschen Reederschaft die Forderung laut, für ältere Schiffe eine Abwrackprämie einzuführen, welche die Entscheidung für eine Entsorgung dieser Schiffe erleichtern würde. Denn in einer Phase, in der es keinen Käufer-, sondern nur einen Schnäppchenjägermarkt gibt, wäre der Anreiz einer Prämie zur Abwrackung ausgesprochen sinnvoll. Sofern diese Prämie so bemessen wäre, dass sie die Differenz zwischen dem Schrottwert und dem zu erzielenden nur geringfügig höheren Second-Hand-Preis ausgleicht, könnten diese Schiffe auch tatsächlich ausrangiert werden, was der restlichen Flotte zugute käme. Die Tonnageverknappung in den mittleren und kleineren Marktsegmenten würde die Charterraten wieder in ein positiveres Terrain bringen.

Insgesamt haben die Verschrottungsaktivitäten 2012 schon gewaltig zugenommen. Bis Anfang November wurden laut Alpha­liner bereits 145 Schiffe mit einem Volumen von 269.300 TEU verschrottet, fast alle im Bereich unter 4.000 TEU. Dagegen werden im Gesamtjahr 2012 wohl nur 72 Schiffe unter 4.000 TEU als Neubauten abgeliefert. Auch in den Jahren 2013 und 2014 wird

ein Ablieferungsrückgang bei Schiffen bis 4.000 TEU erwartet. Wie sich dies auf Basis der Zahlen des Londoner Analysehauses Howe Robinson Research darstellt, zeigt die obenstehende Tabelle.

Würden sich die Verschrottungszahlen durch eine Abwrackprämie weiter deutlich erhöhen, so käme dies der – weltweit noch führenden – deutschen Containerflotte entgegen. Nur ein Anstieg der Charterraten in den nächsten neun bis zwölf Monate könnte verhindern, dass bis zu 70 % der deutschen Containerschifffahrt in ihrer Existenz bedroht sind.

Vor dem Hintergrund dieser sich abzeichnenden Entwicklung und der damit einhergehenden Bedrohung des gesamten maritimen Standortes mit dem befürchteten Verlust von bis zu 50.000 Arbeitsplätzen auf See und an Land muss man sich die Frage stellen, ob nicht die Einführung ei-

ner Abwrack­prämie zur Vermeidung eines Ausverkaufs der hiesigen Flotte zu Dumpingpreisen nach Griechenland angestrebt werden sollte. Dies scheint auf jeden Fall sinnvoller zu sein als die Aufstockung der Mittel zur Förderung von Ausbildung und Beschäftigung in der deutschen Seeschifffahrt. Wir hätten zwar sehr gut ausgebildetes Personal, könnten es mangels Flotte aber nicht einsetzen. Vielleicht steckt dahinter ja eine Taktik, die sich mir – wie so viele Maßnahmen im Zusammenhang mit Griechenland – nicht erschließt?

Aber unser gut ausgebildetes deutsches Personal könnte dann ja in Ermangelung von Arbeitsplätzen auf griechischen Schiffen eingesetzt werden! Das wäre durchaus sinnvoll, wenn nicht die Arbeitslosigkeit bei den jungen Leuten in Griechenland selbst so wahnsinnig hoch wäre.

In der August-Ausgabe der HANSA hatte ich an dieser schon einmal die Forderung erhoben, dass die Politiker in Berlin langsam mal auf die Schifffahrt schauen sollten. Sie haben es getan, aber leider dabei den Blick, wie so oft, durch das falsche Fenster geworfen.

Autor: Michael Rathmann Schifffahrtsexperte und Anlageberater www.mira-anlagen.de

Michael Rathmann