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Ein Bericht von Hans-Jürgen Reuß zur Entwicklung und zum technischen Stand von Ringmotor-Antrieben – einer alten Idee in neuer Ausführung

In den letzten zehn Jahren sind verschiedene Ausführungen sogenannter Rim-Antriebe auf den Markt gekommen. Neuester Anbieter ist Schottel in[ds_preview] Spay am Rhein. Das Wort »rim« hat in der englischen Sprache vielfältige Bedeutung. Es steht zum Beispiel für Rand, Krempe, Felge, Radkranz, Zahnkranz, Ringreif und viele weitere Begriffe. Im Fall der neuartigen elektrischen Schiffsantriebe mit Propellern ohne Nabe und ohne Welle wäre für den eigentlichen Antrieb das passende Wort wohl Ringmotor. Dieser Elek­-

­tro­motor besteht aus dem Stator als äußerem Ring mit den elek­tromagnetischen Wicklungen und dem Rotor als innerem Ring, der mit zahlreichen Permanentmagneten versehen ist. Die Propellerflügel sind in den inneren Ring eingehängt. Der Antrieb benötigt folglich keine Welle und kein Getriebe.

Eingeführt hat die Ringmotor-Antriebe in Deutschland das 1993 von ehemaligen Mitarbeitern der Universität Rostock mit Sitz in Hohen-Luckow (bei Rostock) gegründete Unternehmen AIR Fertigung-Technologie. Nach einer ersten Beteiligung im Jahr 2005 ist die Kommanditgesellschaft inzwischen voll in Voith Turbo aufgegangen. AIR hatte zunächst mit Gleich- und Wechselstrom-Antrieben im Leistungsbereich bis 100 kW begonnen. Heute liegen die Leistungen der von Voith in neun Abstufungen hergestellten Ringmotor-Antriebe zwischen 50 und 1.500 kW, die als Querstrahler und als Ruderpropeller lieferbar sind. Als Sonderausführung stehen jetzt auch aus dem Schiffsrumpf ausschwenkbare Einheiten für den vollen Leistungsbereich in der Ausführung als Ruderpropeller zur Verfügung.

Bevor AIR von Voith übernommen wurde, bestand eine Kooperation zwischen dem ostdeutschen Unternehmen und Van der Velden in den Niederlanden. Diese Verbindung wurde jedoch schon bald wieder gelöst, da, wie es auf der SMM 2012 bei Van der Velden offiziell hieß, AIR andere Wege gehen wollte als das niederländische Unternehmen.

Nun hat Van der Velden in diesem Jahr einen Vertrag mit Schottel geschlossen. Danach übernahm Schottel das Know-how von Van der Velden mit der Absicht, die Ringmotor-Antriebe künftig in eigener Regie weiterzuentwickeln und herzustellen. Bei Van der Velden blieb nur noch der Vertrieb für die Binnenschifffahrt und für Yachten. Wie es bei Schottel hieß, werden die Antriebe mit den Erfahrungen des Unternehmens konstruktiv völlig überarbeitet, was auch zu anderen Zulieferern führt.

Im Programm von Schottel stehen gegenwärtig vier Modelle mit übertragbaren Leistungen von 200 bis 800 kW. Lieferbar ist zurzeit nur das kleinste Modell mit 200 kW. Die Modelle mit 315 und 500 kW sollen in den nächsten beiden Jahren folgen. Für das 800-kW-Modell hat die Entwicklung noch nicht begonnen. Mit ersten Anwendungen wird im Bereich der Binnenschifffahrt gerechnet, und zwar bei Kabinenschiffen, da diese Propeller außergewöhnlich leise laufen.

Außer AIR hat auch das norwegische Unternehmen Brunvoll ab 2002 an der Entwicklung von Ringmotor-Antrieben gearbeitet und 2003 mit der Erprobung eines Ruderpropellers mit einer Leis­t­ung von 100 kW begonnen. Als erste Antriebe dieser Art konnten 2007 zwei Querstrahler für die Übertragung einer Leistung von je 810 kW geliefert werden. In den Jahren 2008 und 2009 folgten weitere Einheiten für Fischereiüberwachungsschiffe und für Mega­yachten. Brunvoll betrachtet die Ringmotor-Antriebe als das »Strahlantriebskonzept der Zukunft«.

Entscheidend für die Qualität der Ringmotoren, und damit für den gesamten Antrieb, sind die Eigenschaften der Dauermagnete. Wie es heißt, liefern die sogenannten seltenen Erden die besten Werkstoffe dafür, damit bestimmen sie auch den Preis des Elektromotors. Ein Hersteller der Motoren ist zum Beispiel Ramme Elektro-Maschinen-Bau in Osterwieck. Das Unternehmen stellt permanent erregte Synchronmaschinen für den Einsatz an Bord von Schiffen derzeit mit Leistungen bis zu 1.500 kW und Drehmomenten bis 200 kNm her, darunter auch Ausführungen, wie sie für die hier beschriebenen Antriebe benötigt werden.

Die Antriebe können insoweit als umweltfreundlich bezeichnet werden, als sie mit Wasser als Schmiermittel arbeiten und außerordentlich leise und vibrationsarm laufen. Sie benötigen keine Wellendichtungen. Bauraum und Gewicht sind niedriger als bei hinsichtlich der übertragbaren Leistung vergleichbaren Antrieben. Sie liefern normalerweise vollen Schub in beiden Richtungen, sind aber auch auf Kundenwunsch für unterschiedlichen Schub in beiden Richtungen auslegbar. Die Propellerflügel bestehen aus Kohlefaserwerkstoff und sind bei Bedarf einfach auszutauschen. Das hoch ausgeprägte dynamische Verhalten der Antriebe macht sie besonders geeignet für die dynamische Positionierung von Schiffen.


Hans-Jürgen Reuß