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Niedriglastbetrieb und unterschiedlicher Schwefelgehalt im Kraftstoff stellen hohe Anforderungen an Schmierstoffe und bestimmen die Weiterentwicklung von Motoren und Ölen
Seit der Dieselmotor für viele Anwen­dungsbereiche marktfähig geworden war, hat es für bestimmte Antriebsanlagen immer wieder besondere Herausforderungen gegeben[ds_preview]. In der Seeschifffahrt verändern der Trend, mit niedrigeren als den Auslegungsgeschwindigkeiten zu fahren, und der unterschiedliche Gehalt von Schwefel im Kraftstoff stark die Betriebsbedingungen. ­

So sind für den Betrieb der langsamlaufen­den Zweitaktmotoren unterschiedliche Zy­linderöle oder neu entwickelte Breitbandschmieröle erforderlich. Darüber hinaus stellen die neuen Bedingungen die Moto­renhersteller vor neue Aufgaben, die in der Zukunft zu erheblichen konstruktiven Änderungen führen könnten.

Für den Betrieb ihrer Dieselmotoren im Niedriglastbereich hatte die Motorenindus­trie schon bald »Pakete« gepackt, um den Betrieb soweit wie eben möglich unter den neuen Bedingungen optimieren zu können. Dazu gehörten unter anderem Möglichkeiten zur Abschaltung von Abgasturboladern wie die von einzelnen Zylindern. Wärtsilä berichtete im November letzten Jahres auf der Zweitaktmotorentagung des Unternehmens in Hamburg über Erfahrungen aus der Praxis mit Schiffsantriebsanlagen, die in extremen Niedriglastberei­chen gefahren werden. Diskutiert wurden in diesem Zusammenhang die Isolierung der Zylinder, die Beschichtung der Kolbenringe, der Einfluss der Turboladerabschaltung und die Zylinderschmierung.

Was sich bei längerem Niedriglastbetrieb an den Wänden der Zylinderlaufbuchsen fand, waren »schwarze Flecken«, mehr oder weniger über die gesamte Fläche verteilt. Sie verschwanden wieder, sobald die Motorleis­tung anstieg, und hinterließen eine weiße Fläche. Nach Aussagen von Wärtsilä bestehen diese Flecken aus an der Lauffläche haftendem Kalziumsulfat und Ruß. Weitere Beobachtungen zeigten, dass die Chrom­beschichtung der Kolbenringe chemisch angegriffen wurde. Das führte unter anderem zur Korrosion der Beschichtung und zu deren Abblättern. Ausführlich stellte Wärt­silä das in Versuchen gefundene Korro­sionsverhalten verschiedener Kolbenringbeschichtungen sowie auch den Einfluss der Wär­me-Isolierung der Laufbuchsen vor.

Die Versuchsergebnisse von Wärtsilä zeigen eindeutig, dass sich beim Niedriglastbetrieb der Laufbuchsenverschleiß verringern lässt, wenn der Motor mit »heißer Buchsenoberfläche« gefahren wird. Dabei werden die geringsten Verschleißraten mit chrombeschichteten Kolbenringen erzielt. Der Betrieb des Motors mit kalten Laufbuchsen und plasmabeschichteten Kolbenringen scheidet dagegen nach Auffassung des Unternehmens völlig aus, da der Verschleiß zu hoch ist. Die chrombeschichteten Ringe widerstehen den chemischen Einflüssen am besten und erholen sich wieder. Die auf verschiedenen Schiffen durchgeführten Untersuchungen zeigten keinerlei schädlichen Einfluss der Abschaltung von Abgasturboladern.

Nach Auswertung aller Versuche und Beobachtungen aus dem Servicebereich kam Wärtsilä zu der Aussage, dass alle am Markt verfügbaren Zylinderöle hinsichtlich Neutralisierung und Reinigungswirkung gefordert seien. Das Unternehmen nannte dazu Beispiele für Zylinderöle mit mittlerer und hoher Basenzahl (BN) und verwies auf die unterschiedlichen Philosophien zur wei­teren Ent­wicklung dieser Öle. Die Grafik (oben) zeigt, welche Zylinderöle in Abhängigkeit vom Schwefelgehalt des Kraftstoffs gefahren werden dürfen. In diesem Zusammenhang hat Wärtsilä Tabellen veröffentlicht, denen je nach BN des Zylinderöls die empfohlenen Fördermengen zu entnehmen sind. In den Empfehlungen des Unternehmens ist auch zu lesen, dass die Voraussetzungen zum Neutralisieren des Öls über die Steuerung der Additive an Bord optimiert werden sollte. Und weiter: Die Auslasstemperatur der Zylinderkühlung sollte im oberen Bereich, bei 90 bis 95 °C, gehalten werden. Die im Rahmen der Zweitaktmotorentagung von Wärtsilä vorgetragenen Konsequenzen aus dem Betrieb im Niedriglastbereich lassen durchaus den Schluss zu, dass die Zylinder beim Fahren mit extrem niedriger Last nicht mehr gekühlt, sondern beheizt werden müssten, um den Verschleiß in Grenzen zu halten. Das ist jedoch nur ein Teil der Maßnahmen, die gegebenenfalls zu treffen sind, den anderen Teil müssen die Schmierstoffe übernehmen.

Neues Zylinderöl Mobilgard

Um den besonderen Anforderungen von langsamlaufenden Zweitaktmotoren unter Niedriglast, wechselndem Gehalt an Schwefel und verringerter Ölförderung zu entsprechen, hat Exxon Mobil ein neues Zylinderöl auf den Markt gebracht, das im Jahr 2010 auf der »Colombo Express« von Hapag Lloyd erprobt wurde. Ziel der Entwicklung war es, Verschleißrate und Ablagerungen zu verringern, um damit zur Verlängerung der Lebensdauer der Bauteile beizutragen. Darüber hinaus sollten die Wartungskosten gesenkt und der Betrieb mit nur einem Zylinderöl, das für unterschiedlichen Schwefelgehalt geeignet ist, vereinfacht werden.

Bei dem neuen Zylinderöl handelt es sich um Mobilgard 560 VS, wobei 60 für eine entsprechende Basenzahl steht. Dieses Öl wurde im Einsatz mit dem Mobilgard L 540 (BN 40) verglichen, indem auf der »Colombo Express« zwei Zylinder der Hauptmaschine vom Typ MAN 12 K 98 ME mit dem Zylinderöl vom Typ 560 und die anderen zehn mit Öl vom Typ 540 gefahren wurden. Als Kraftstoff diente Schweröl mit einem Schwefelgehalt von weniger als 1 %. Die von Exxon Mobil veröffentlichten Verschleißwerte (siehe Grafik oben rechts) vermitteln folgendes Bild: Hinsichtlich des maximalen Laufbuchsenverschleißes zeigen beide Öle keinen nennenswerten Unterschied und die Werte liegen deutlich unterhalb der typischen Verschleißrate von MAN-Laufbuchsen. Beim Kolbenringverschleiß zeigt sich kein eindeutiges Bild. Von den beiden mit dem 560er-Öl gefahrenen Zylindern wies jeweils einer den geringsten und den größten Verschleiß auf, während die Vergleichszylinder mit dem 540er-Öl dazwischen lagen. Allerdings rangierten alle Werte weit unter den typischen Verschleißraten des oberen Kolbenrings der MAN-­Motoren. Was sich jedoch bei der Inspek­tion des Motors zeigte, waren insgesamt weniger Ablagerungen an den Kolben bei der Verwendung des 560er-Öls. Wie es weiter heißt, empfahlen die Ingenieure, alle Zylinder mit dem neuen Produkt Mobilgard 560 VS zu schmieren, »da die Wirksamkeit des Öls auch bei der Verwendung von Kraftstoffen nachgewiesen wurde, die wenig Schwefel enthielten«. Quantifiziert wurde diese Aussage allerdings nur insoweit, als für den Schwerölbetrieb mit 4 % eine Obergrenze für dessen Schwefelgehalt genannt und daraus abgeleitet wurde, dass somit keine Notwendigkeit mehr für die Verwendung mehrerer Öle bestünde.

Zusammenfassung

Nach den Empfehlungen von Wärtsilä soll bei einem Schwefelgehalt von mehr als 1,5 % ein Zylinderöl mit einer BN von 70 gefahren werden und unterhalb von 1,5 % ein Öl mit einer BN von 40. Für den Übergangsbereich von +/- 0,5 % gelten besondere Vorschriften (siehe Grafik S. 52).

Aufgrund der mit dem MAN-Motor der Baureihe K 98 ME auf der »Colombo Express« erzielten Ergebnisse kam man bei Exxon Mobil zu der Empfehlung, künftig Mobilgard 560 VS, ein sogenanntes Breitbandöl, für die Zylinderschmierung zu verwenden, um den Betrieb insgesamt zu vereinfachen, Raum und Wartungskosten zu sparen sowie Fehler bei der Verwendung von Kraftstoffen mit unterschiedlichem Schwefelgehalt auszuschließen.


Hans-Jürgen Reuß