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Notwendigkeiten, Nöte und Lösungen bei der Auswahl und dem Einsatz von Security-Anbietern zur Pirateriebekämpfung beschreiben Georg Klöcker und Sebastian Hons von der neu gegründeten Gesellschaft für maritime Risikobewertung und Qualitäts-bemessung (MRQ), die Sicherheitsunternehmen zertifiziert und Reedereien berät
Politische Risikoimplikationen

Der Blick auf die politische Landkarte der letzten Jahre offenbart einen traurigen Rekord: Seit 1945 hat[ds_preview] es innerhalb eines Kalenderjahres noch nie so viele Konflikte ge­geben wie 2011, nämlich insgesamt 388. Davon waren 20 Kriege (im Jahr 2010 verzeichneten wir noch sechs Kriege), 18 höchst gewaltvolle Konflikte, 148 gewaltvolle Krisen und 202 Auseinandersetzungen mit geringfügiger Gewaltausübung. Dieser Krisen- und Konfliktbogen reicht über den gesamten Globus (siehe Grafik oben) (Konfliktbarometer 2011, Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK)).

Zu Beginn des Arabischen Frühlings herrschte innerhalb der westlichen Gesellschaften die politische Hoffnung, demokratische Bestrebungen hätten – auch dank Twitter, Facebook und anderer internet­basierter Instrumente – in weiten Teilen der arabischen Welt den Willen der Bevölkerungen nach Veränderung beflügelt; heute müssen wir erkennen, dass innerhalb der geostrategischen Linie von Casablanca bis Taschkent das politische Frühlingsempfinden stark erkaltet ist und mehr und mehr Räume Afrikas sich aufgrund fehlender staatlicher Regulierung und chronischer Instabilität zu Anziehungspunkten für Extremisten und Terrorgruppen entwickeln (Vgl. hierzu Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel im ARD-Morgenmagazin am 23.10.2012: »Mali ist ein Land am Abgrund. Wenn wir es verlieren, dann droht uns ein neues Afghanistan in der Frühform von Afghanistan – nicht dem jetzigen. Afghanistan ist deutlich stabiler als Somalia. Wir müssen verhindern, dass dieser Gürtel der Fragilität in Afrika sich weiter ausweitet. Von Guinea-Bissau bis Somalia sehen wir, dass mehr und mehr Extremisten und Terroristen sich Platz schaffen – im Moment in Richtung Süden.«).

Bilanzierend heißt das: Kaum friedliche Revolutionen, keine demokratischen Sanierungen der betroffenen Staaten. Stattdessen verzeichnen wir neu entstandene Krisen und Kriege sowie das Wiederaufflammen langjähriger Konflikte – wie etwa im Jemen, Syrien, Libyen oder Israel.

Syrien durchläuft seit Ausbruch der Aufstände gegen die blutige Diktatur Assads eine unheilvolle Entwicklung mit einem hohen Preis für die syrische Bevölkerung. Die militärische Wirkungslinie über die türkische Staatsgrenze hinweg entfacht etwaige Fragen bezüglich eines möglichen Bündnisfalls gemäß Art. 5 des NATO-Vertrags, was wiederum eine unbestimmbare politische Reaktionskette implizieren würde. Die Frage, ob die Stationierung von deutschen Patriot-Raketensystemen und ca. 400 Bundeswehrsoldaten entlang der türkisch-syri­schen Grenzlinie zum Zwecke der Verteidigung den Beginn einer aktiven operativen Involvierung von NATO und insbesondere der Bundesrepublik Deutschland markiert, bleibt zunächst unbeantwortet.

Einen weiteren geostrategischen Brennpunkt stellt das durch die permanente iranische Bedrohung verursachte »Unverhältnis« zwischen Israel und dem Iran dar, welches in einen Krieg münden und zu höchster Instabilität, ebenfalls bis an die Bündnisgrenzen der NATO heran, führen könnte. Die Sperrung, Störung, Bekriegung der Straße von Hormus infolge einer eskalierenden Konfrontation wäre dann nur eine, für die westliche Welt erhebliche Auswirkung und würde vermutlich ähnlich dem Tankerkrieg in den 1980er-Jahren des letzten Jahrhunderts die Rohstoff- und Energielieferung nach Europa erheblich tangieren.

Falls diese Trends und Schlussfolgerun­gen politische Realitäten werden, würde die dargestellte Entwicklung der politischen Risiken auch die internationalen Schifffahrts- und Transport­routen erfassen und die maritimen Sicherheits- und Bedrohungslagen erheblich intensiver beeinflussen als das heute der Fall ist.

Piraterie: Entwicklungen und Trends

Auch wenn die versuchten und erfolgreichen Piratenangriffe sowie die Schiffs­geiselnahmen im Jahresvergleich ab 2010 deutlich zurückgegangen sind, verbleiben die Risikoimplikationen auf einem hohen Stand. Das hat folgende Gründe:

Die politische Verfasstheit und Instabilität insbesondere innerhalb der Küstenanrainerregionen im Indischen Ozean und vor Westafrika implizieren ein Sicherheitsvakuum, welches auf die Küsten und Meere abstrahlt und weitgehende Risiken für die Sicherheit der internationalen Schifffahrt bereithält.

Die Kommunikation, Bewaffnung, Angriffstaktik sowie die Fähigkeiten der Piraten bei der Aufklärung, Annäherung und Einnahme von Schiffen verbessern sich zusehends und haben einen höheren Grad an Qualität erreicht als in den Jahren zuvor. Zudem hat sich der geleistete Mittel- und Personeneinsatz der Piraten bei Kaperungsversuchen stark erhöht.

»Es ist mittlerweile Usus, dass Sicherheitsfirmen Unterauftragnehmer nutzen, manchmal auch ohne

Inkenntnissetzung des Kunden«

Die »Threat Map« erweitert sich kontinuierlich. Die Angriffszahlen in bisher im Vergleich zum Somalibecken geringfügiger belasteten Seegebieten erhöhen sich, wie das Beispiel Westafrika deutlich aufzeigt. Die Gewaltbereitschaft der Piraten steigt insgesamt, jedoch verzeichnet das International Maritime Bureau (IMB) insbesondere eine erhöhte Gewaltbereitschaft der Piraten vor der Küste Westafrikas, wo es sich weniger um Geiselnahmen, denn um den Raub von Ladungen sowie Bargeld und Sach- und Wertgegenstände handelt.

Im Fazit: In den kommenden Jahren wird das Welthandelsvolumen – trotz der durch die WTO prognostizierte Absenkung des Wachstums – in toto weiter zunehmen. Die Abhängigkeiten der westlichen Länder von sicheren Handelsrouten wird nicht geringer und die »Threat Map« nach heutiger Bewertung größer. Bedingt durch die geopolitischen Entwicklungslinien werden »alte« Risiken vermutlich verstärkt, »neue« werden aufkommen, ohne dass sich das militärische Engagement der internationalen Staatengemeinschaft den Realitäten auf absehbare Zeit nachweislich anpassen wird. Dieses Sicherheitsvakuum wird die maritime Wirtschaft insgesamt weiter dazu verpflichten, den Fokus, vielleicht mehr noch als bisher, auf adäquate Lösungen zum Schutz von Mannschaften, Schiffen und Ladungen zu richten.

Der Einsatz privater bewaffneter Sicherheitsunternehmen

Auf Handelsschiffen hat sich der Einsatz von privaten bewaffneten Sicherheitsunternehmen im Verbund mit allen weiteren Maßnahmen – insbesondere den Best Management Practices (BMP 4) – als effektives Mittel zum Schutz vor Piratenangriffen bewährt.

Jedoch verfügen weder Versicherer, Reedereien noch Charterer über angemessene Instrumente zur Bemessung, Bewertung und Qualifizierung der Leistungsfähigkeit ihrer Sicherheitsanbieter. Die meisten Kunden vertrauen auf Empfehlungen, Selbstdarstellungen der Anbieter und hausinterne Erfahrungen, die meist nur soweit greifen, als dass man mit einem Sicherheitsanbieter bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht hat. Eine vielleicht zu magere Bewertungsgrundlage, die im Ernstfall fatale Folgen für alle Beteiligten haben könnte – Haftungsrisiken inklusive.

Die Undurchsichtigkeit des Marktes geht noch weiter. Es ist mittlerweile Usus, dass Sicherheitsfirmen weltweit Unterauftragnehmer nutzen, manchmal auch ohne vorherige Inkenntnissetzung des Kunden. Hierbei hat sich eine neue Anbieterkultur etabliert. Waren es in den vergangen Jahren noch Sicherheitsfirmen mit berufsprakti­scher Erfahrung, finden sich heute Personalvermittlungsfirmen am Markt, die einzig die Dienstleistungen von Schutzkräften makeln. Nicht unüblich ist hierbei die Rekrutierung von zumeist ungeprüftem, freiberuflich tätigem Personal auch aus den Küstenanrainerstaaten wie beispielsweise Somalia oder dem Jemen. Der Sicherheitsmarkt wird daher für den Kunden immer undurchdringbarer. Zurzeit operieren weltweit rund 250 private maritime Sicherheitsfirmen – Tendenz steigend. Jedoch existiert bis heute keine unabhängige Zertifizierungs- und Auditierungsinstanz, um die Leistungsfähigkeit der Sicherheitsanbieter und insbesondere der auf den Schiffen eingesetzten Schutzkräfte verlässlich zu bewerten und nachhaltig zu überprüfen.

Die andauernde Finanz- und Kapitalmarktkrise hat die Schifffahrtsindustrie und insbesondere die Reederschaft hart getroffen. Die Schutzmaßnahmen auf Schiffen sind insbesondere vor diesem Hintergrund »Kostenzieher« und keine »Umsatzbringer«, was die Schiffseigner und Charterer zusätzlich stark belastet und in der Organisation zeitlich von ihrem Kerngeschäft abhält.

Wege zu Qualität, Transparenz und Kosteneffizienz

Was es braucht, ist fachlich kompetente und verlässliche Beratung bei der Durchdringung des Marktes und dessen Entwicklungen sowie die Implementierung von Sicherheitsmaßnahmen mit dem kundenorientierten Ziel, Qualität für sicherheits­relevante Leistungen zu generieren – und das bei einem angemessenen Geldmittel- und Ressourceneinsatz.

Die im Jahr 2012 gegründete Gesellschaft für maritime Risikobewertung und Qualitätsbemessung (kurz: MRQ), ein Tochterunternehmen des 1858 gegründeten Bremer Assekuradeurs Lampe & Schwartze, bietet ein neues Zertifizierungs- und Auditierungs­instrument zur Bemessung und Bewertung der Qualität von privaten bewaffneten Sicherheitsunternehmen und der Auditierung der Leistungsfähigkeit aller operativen Maßnahmen durch das eingesetzte Schutzpersonal an Bord. Hierbei fokussiert sich das Unternehmen neben der systemati­schen Überprüfung der Sicherheitsanbieter und den militärisch-polizeilichen Fähigkeiten insbesondere auf die psychologische Eignung und Befähigung der einzelnen Schutzkräfte und deren maritim-nautischer Fertigkeiten, um den besonderen Anforderungen des Auftrags auf Handelsschiffen gerecht werden zu können. Befragungen von Schutzkräften haben gezeigt, dass die spezifischen Anforderungen auf Handelsschiffen – wie zum Beispiel das Arbeiten im multikulturellen und multireligiösen Umfeld, der stark eingeschränkte Bewegungsraum, extreme Temperatur- und Witterungsverhältnisse, Seekrankheit u.v.m. – besondere psychologische Eignungen erfordern, die über die militärisch-polizeilichen Befähigungen hinausgehen und die Schutzkräfte oftmals mit Erfordernissen konfrontieren, die sie aus früheren Einsätzen schlichtweg nicht kennen bzw. nie zuvor abrufen mussten.

Auch ergaben die Befragungen, dass maritim-nautische Kenntnisse oftmals nur rudimentär vorhanden sind, diese jedoch insbesondere bei der »Härtung« der Schiffe nach BMP 4 und im dienstlichen Tagesablauf – etwa die Bedienung des Radargeräts beim Wachdienst – sowie im Seenotrettungsfall wesentlich für die Sicherung des Schiffes und für den Schutz von Mannschaft und Ladung sind. Im Gegensatz zu Seeleuten müssen maritime Schutzkräfte bislang keine vergleichbaren Befähigungsnachwei­se vorlegen.

Das MRQ-Qualitätsmanagement-Instrument basiert auf einem interdisziplinären Ansatz und bündelt zahlreiche analytische und praktische Fachkompetenzen auf

»Die spezifischen Anforderungen auf Handelsschiffen erfordern psychologische Eignungen, die über die militärischpolizeilichen Befähigungen hinausgehen«

der MRQ-Expertenplattform. Diese vereint universitäre Einrichtungen, private Institute, Fachanwaltskanzleien, Operativ- und Taktikexperten, ehemalige Kommandoführer, Kapitäne und Schiffsklassifizierungsgesellschaften, um nur einige Gewerke zu benennen. Folgende Mehrwerte bietet das Angebot von MRQ:

Das Zertifizierungs- und Auditierungsverfahren ermöglicht Reedern, Charterern und Versicherungen einen transparenten und detaillierten Einblick in alle sicherheitsrelevanten Aspekte eines Transits durch das Hochrisikogebiet. Das Verfahren impliziert hohe, gleiche und regelmäßig auditierte Qualitätsstandards und wettbewerbsorientierte Bepreisung. Die Messbarkeit, Bewertung und insbesondere die Auditierung der Qualität führt zu Transparenz und Vergleichbarkeit der Leistungsfähigkeit. Dies wiederum fördert den Wettbewerb und mün­det in Konkurrenz, was wiederum marktdynamisch auf Qualität und Bepreisung wirkt. Im Ergebnis richten sich Angebot und Kosten nach den kundenseitigen Bedürfnissen und der Nachfrage anstatt nach den Vorgaben des Anbietermarktes


Georg Klöcker, Sebastian Hons