Print Friendly, PDF & Email

Schlimmer als jetzt wird es für die Branche nicht? Weit gefehlt, die Versicherungssteuer kann der »Final Countdown« für Poolschiffe werden, befürchtet
Der Song-Titel »Final Countdown« der Rockgruppe »Europe« geht mir nicht mehr aus dem Sinn. Die Ursache dafür sind Versicherungssteuerbescheide[ds_preview], die jüngst an Schiffsgesellschaften ergingen, die in un­terschiedlichen Poolformen zusammengeschlossen sind, und keiner weiß, warum diese Bescheide kommen. Nachdem ich den ersten Bescheid dieser Art in der Hand hatte, ging mir eine Textzeile des Songs durch den Kopf: »Will things ever be the same again?« Wahrscheinlich nicht, denn irgendjemand, der offenbar nicht ganz bei Sinnen ist, hat sich eine Ungeheuerlichkeit allererster Güte einfallen lassen.

Pools werden plötzlich als Versicherungsverhältnis gesehen und irgendetwas Geschätztes, das im Zusammenhang mit irgendwelchen Zahlungen von wem an wen auch immer steht, wird als Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Versicherungssteuer gesehen. Ehe man sich versehen hat, werden flugs 3 % oder gar 19 % Versicherungssteuer auf was auch immer erhoben.

Sie denken jetzt, das ist doch Quatsch? Ist es leider nicht! Stellen Sie sich vor, Sie erhalten einen Steuerbescheid, der mit einer Zahlung verbunden ist. Steuerbescheide mit Zahlungsfestsetzungen sind für den Empfänger immer ein Ärgernis. Aber wenn dieser Steuerbescheid Ihnen keine Aufklärung darüber gibt, weshalb er überhaupt ergeht, was der Gegenstand der Besteuerung ist und die Besteuerungsgrundlagen auch noch geschätzt sind, dann werden Sie sich fragen: Was soll der Quatsch?

Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) delektiert die Schifffahrt mit solchen Steuerbescheiden, die derart fehler- und stümperhaft und im Erläuterungsteil absolut dilettantisch sind, dass einem jegliches Verständnis abgeht. Gemäß § 125 Abgabenordnung (AO) ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist.

Aus den Bescheiden ergibt sich nicht, weshalb Versicherungssteuer gezahlt werden soll und sie lassen offen, welche Art von Versicherung überhaupt gemeint ist. Die gesetzliche Anspruchsgrundlage der entsprechenden Paragraphen des Versicherungssteuergesetzes ist ebensowenig genannt wie der angewendete Steuersatz von 3 % bzw. 19 %. Die Erläuterungen zur Festsetzung der Steuer enthalten lediglich den Hinweis, dass die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO geschätzt sind. Weiter heißt es, dass der Steuerbetrag aufgrund des Zwischenergebnisses der laufenden Versicherungssteueraußenprüfung geschätzt wurde. Allerdings lag in den mir bekannten Fällen ein solches Zwischenergebnis weder den jeweiligen Steuerpflichtigen noch deren Bevollmächtigten vor.

»Ein Pool kann nicht Versicherer sein, weil die Rechtsbeziehungen ausschließlich zwischen den Poolmitgliedern bestehen«

Ferner ergingen die Bescheide zu einem Zeitpunkt, als mit Prüfungshandlungen bei den Steuerpflichtigen überhaupt noch nicht begonnen worden war. Bevor aber ein Bescheid aus einer Außenprüfung ergeht, finden üblicherweise Zwischen- oder Schlussbesprechungen statt, in denen den Steuerpflichtigen rechtliches Gehör gewährt werden muss. Die vorstehende exemplarische Aufzählung von Fehlern zeigt auf, mit welchem Dilettantismus hier Besteuerungstatbestände konstruiert werden, die aus ganz anderen Erwägungen gar nicht existent sein können.

Das BZSt sieht nach vielen Jahren gängiger Praxis auf einmal in Poolkonstruk­tionen Versicherungsverhältnisse, die der Versicherungssteuer unterworfen werden sollen. Aber ein Versicherungsvertrag ist ein Vertrag, der die Gewährung von Versicherungsschutz gegen Entgelt zum Gegenstand hat. Gemäß § 1 des Versicherungssteuer­gesetzes unterliegt die Zahlung eines Versicherungsentgeltes aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses der Steuer. Bei der Subsumtion von Gesetz und Definition ist ein Versicherungsvertrag die entgeltliche, rechtsverbindliche Zusage einer Leistung für den Fall, dass ein Ereignis eintritt, von dem noch ungewiss ist, ob oder wann es eintritt.

Der Versicherungsnehmer haftet für die Prämien. Die Prämienpflicht ist ebenso wie die Leistungspflicht des Versicherers im Rahmen des vereinbarten Deckungsschutzes eine Primärleistungspflicht. Die vertragliche Hauptleistung des Versicherers besteht darin, die für den Versicherungsfall (Schadensfall) vereinbarte Leistung zu erbringen. Hierfür trägt der Versicherer die Gefahr bzw. das Risiko.

Passen diese Grundsätze zur Versicherungssteuerpflicht von Poolschiffen? Die gebräuchlichsten Poolkonstruktionen findet man in der Schifffahrt im Zusammenhang mit Einnahmepools von gleichartigen Schiffen. Dort werden die erzielten Charter­erlöse gepoolt und nach einem feststehenden Verteilungsschlüssel unter den Poolmitgliedern verteilt. Sinn einer solchen Konstruktion ist die Nivellierung der Auf- und Abbewegungen der Chartermärkte, um eine Verstetigung der Einnahmen zu erreichen. Dies hat sich in der jüngeren Vergangenheit als sehr sinnvoll erwiesen und wurde mit vielen Schiffen im Bereich der Tank-, Bulk- und Containerschifffahrt praktiziert. Eine weitere, häufig praktizierte Poolkonstruktion sind »Ersatzteil«-Pools, die aber bisher noch nicht im Fokus des BZSt stehen.

Pools sind BGB-Gesellschaften (Innengesellschaften) im Sinne der §§ 705 ff. BGB und sie sind die Opfer des BZSt geworden. Die Pools haben einen Poolmanager, der die Abrechnung des Pools auf der Basis der Poolpunkteverteilung durchführt. Dafür erhält er einen Kostenersatz pro Schiff. Die Poolabrechnungen werden durch Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater auf ihre Richtigkeit überprüft und die Kosten dafür werden ebenfalls pro Schiff belastet.

Wie man aus solchen Poolkonstruktion­en Versicherungsverhältnisse ableiten kann, verschließt sich derzeit den betroffenen

Gesellschaften. Die Grundvoraussetzungen für das Vorliegen eines Versicherungsverhältnisses sind nicht gegeben. Ein Poolschiff, das einen Poolausgleich erhält, hat für den Zeitraum des Leistungsempfangs kein Entgelt (Versicherungsprämie) bezahlt, damit der Poolausgleich gezahlt wird. Insofern fehlt es bereits an der Grundvoraussetzung der Entgeltlichkeit. Die einzige Gegenleistung besteht in der Verpflichtung, selbst Zahlungen an den Pool zu leis­ten, wenn das Schiff durch veränderte Marktverhältnisse zum Geberschiff wird, aber diesem Risiko ist jedes Schiff innerhalb eines Pools ausgesetzt. Ob die sich ändernden Marktverhältnisse, deren Folgen Schäden oder Verluste sind, überhaupt Gegenstand einer Versicherung sein können, erscheint sehr zweifelhaft.

Die Auffassung des BZSt ist äußerst dubios, denn Pools sind Innengesellschaften, die keine Verwaltungstätigkeit entfalten und bei denen Schäden nicht durch die Innengesellschaft, sondern durch jeden nicht betroffenen Gesellschafter (Geberschiff) getragen werden. Außerdem hat diese Innengesellschaft keinen Vertretungsberechtigten, durch den sie am Rechtsverkehr teilnimmt, insofern kann ein Pool nicht Versicherer sein, weil die Rechtsbeziehun­gen ausschließlich zwischen den Poolmitgliedern bestehen.

Die Vorgehensweise des BZSt birgt eine große Gefahr für die Schifffahrt, weil es für viele bereits jetzt schon in Schieflage befindliche Schiffsgesellschaften das wirtschaftliche Ende bedeuten würde. Die konsequente Weiterverfolgung dieser Gedankengänge ließe sich beliebig ausdehnen auf Sozietäten bei Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern, die ihre Honorare ebenfalls vereinnahmen und nach Quoten verteilen, ähnlich wie es bei Poolkonstrukten geschieht.

Wirtschaftsminister Rösler hat dem Verband Deutscher Reeder (VDR) schriftlich mitgeteilt, dass es keinen befristeten, gezielten und besicherten Einsatz der KfW für Schifffahrtsunternehmen mit Zukunftsperspektive geben werde. Dies ist in einer Phase, in der die gesamte Schifffahrt gehofft hat, von der Bundespolitik vorübergehende Hilfen – keine Zuschüsse – zu bekommen, schon sehr bitter. Wahrscheinlich ist unser Wirtschaftsminister mehr mit dem Problem beschäftigt, ob er in der nächsten Legislaturperiode überhaupt noch Mitglied des Bundestages sein wird. Da liegen die mentalen Prioritäten wohl eher in anderen Bereichen als der Schifffahrt. Aber scheinbar befasst sich unsere Politik überwiegend damit, wie das gute Geld, das deutsche Steuerzahler – dazu gehört auch die Schifffahrt – erwirtschaften, zur Euro-Rettung nach Griechenland transferiert werden kann, und das ist absolut unfassbar.

»Hier geht ein Wirtschaftszweig kaputt, bei dem sich partielle Rettungsmaßnahmen sicherlich rechnen würden«

Hier geht ein Wirtschaftszweig kaputt, bei dem sich partielle Rettungsmaßnahmen sicherlich rechnen würden, doch stattdessen wird Geld in eine Volkswirtschaft gegeben, die sich die Mitgliedschaft in der Euro-Zone unter dubiosen Umständen erschlichen hat und bei der die große Gefahr besteht, dass wir diese Gelder nie wiedersehen werden.

Solange sich an der Haltung der Bundesregierung nichts ändert, sollte man als geneigter Wähler, der aus dem Bereich der Schifffahrt kommt, darüber nachdenken, ob man aufgrund der großen Affinität zur Seefahrt nicht mal über die Piraten nachdenkt, aber das ist nur ein Wortspiel!

Mit der Schwachsinnsidee einer Versicherungssteuer auf Pools gerät die arg gebeutelte Schifffahrt noch mehr in Bedrängnis, aber zum Glück wird so Geld generiert, das in ein großes »Schwarzes Loch« gepumpt werden kann.

Michael Rathmann