Print Friendly, PDF & Email

Vom 2. bis zum 9. September 2012 ermöglichte die Schiffbautechnische Gesellschaft 20 Studierenden, zehn erfolgreiche Unternehmen der maritimen Wirtschaft im Süden Norwegens zu besuchen. Über die Reise berichtet Raphael Terhorst
Mit seiner etwa 2.500 km langen felsigen Küste grenzt Norwegen an den Atlantik und profitiert vom warmen Nord­atlantikstrom, einer Verlängerung[ds_preview] des Golfstromes. Die stark zerklüftete Küstenlinie ist von vielen tiefen Fjorden durchbrochen und etwa 150.000 Inseln umgeben die malerische Küste. Hinter dem schmalen, relativ stark besiedelten Küstenstreifen im Westen erhebt sich der Gebirgszug der Skanden, der für häufige ergiebige Regenfälle an der Westseite mitverantwortlich ist. Die ersten fünf Tage unserer Exkursion Anfang September 2012 sahen wir die Sonne kaum, aber weiter im Osten zeigte sie sich doch. Die Reise startete im Südwes­ten Norwegens und führte uns von Stavanger, Haugesund und Bergen an der Westküste schließlich nach Kongsberg und Oslo.

Aker-Solutions, Stavanger

Das Unternehmen ist ehemaliger Haupteigentümer der heutigen Nordic Yards in Wismar und Rostock-Warnemünde. Aker-Solutions ist besonders stolz auf eine Vorgehensweise namens »Visioneering«, bei der komplexe technische Problemstellun­gen wie etwa bei der Planung einer Krananlage auf einer Ölförderplattform durch Simulation und Visualisierung gelöst werden. Hierbei wird versucht, Fehler und Risiken einer Anlage möglichst vor der aufwendi­gen Errichtung auf einer Plattform erkennen zu können.

Statoil, Stavanger

Das zu zwei Dritteln staatliche Öl- und Gasförderunternehmen Statoil ist Norwegens größter Arbeitgeber. Es profitiert vom Öl- und Gasvorkommen vor der Küste des Landes und hat jahrzehntelang enormes Know-how in allen Bereichen der Up-

stream-, Midstream- und Downstream-Aktivitäten gesammelt.

Bergen Group Rosenberg, Stavanger

Diese Werft ist in Norwegen einer der Hauptanbieter von Produkten und Dienstleistungen im Bereich Offshore und Schiffbau. Hier stellt man sich zurzeit der Herausforderung, immer mehr Bauwerke zur Öl-und Gasförderung fest auf dem Meeres­boden zu installieren. Wir sahen bei der Bergen Group Rosenberg einige Prototypen, die bald installiert werden sollten. Ein leistungsfähiges Bohrgerät wurde direkt auf der Werft getestet und erforschte gerade den Untergrund der Fertigungshalle in etwa 200 m Tiefe.

University of Stavanger

Die Fakultät für Wissenschaft und Technologie an der Universität von Stavanger

beeindruckte mit ihren zahlreichen Versuchslaboren. Hier werden z. B. die genaue Zusammensetzung und Beschaffenheit von öl- oder gashaltigen Kalkgesteinsschichten untersucht. In durch­sichtigen Rohrleitungssystemen werden Versuche zur Wirbelbildung und zum Sedimenttransport durchgeführt. Angeboten werden u. a. Bachelor- und Masterstudiengänge für Offshore-Technik. Ein von Studenten betriebenes Fitnesscenter auf dem Unigelände bietet hervorragende Möglichkeiten für entspannende Übungen.

Gassco, Haugesund

Bei Gassco handelt es sich um die staatliche Betreibergesellschaft, die für den sicheren und effektiven Gastransport vom norwegischen Festlandssockel verantwortlich ist. Dieses Unternehmen wurde 2001 gegründet, weil europäische Richtlinien forderten, dass gasfördernde Unternehmen nicht gleichzeitig auch Betreiber der Pipelines sein dürfen.

Knutsen Shipping, Haugesund

Die breit aufgestellte Öl-, Shuttle-, Produkten-, Chemikalien- und Gastanker-Reederei Knutsen Shipping zeigte uns eine spannende Variante zur Ballastwasserbehandlung. In einer eigenen Versuchsanlage wird mit Organismen belebtes Wasser durch ein Rohrsystem gepumpt, welches das Wasser in große Höhe befördert. In der geschlossenen Fallleitung entsteht ein so starker Unterdruck, dass nach Firmenangaben bei diesem Vorgang ein Großteil der im Wasser befindlichen Organismen abgetötet wird.

Odfjell Tankers, Bergen

Die Reederei Odfjell Tankers hat sich auf Chemikalientanker spezialisiert und betreibt auch Lagerstätten in zahlreichen wichtigen Häfen. Die Firma gewährte uns einen differenzierten Einblick in die Prozesse der Reederei. In drei Gruppen besuchten wir die Abteilungen: Chartering, Crewing, Flottenmanagement, Neubau und Projekte sowie Risiko- und Qualitätsmanagement.

Grieg Star Shipping, Bergen

Diese alte Holz- und Papierreederei hat ihre Frachtpalette ständig erweitert und transportiert heute etwa 50 % andere Ladungen wie Metallteile, Rohre und weiteres Schwergut. Der Schiffbauingenieur Jan Oyvind Svardal, Leiter der Neubauabteilung bei Grieg Star Shipping, präsentierte uns die »L-class-Vessels«, Open-Hatch-Multi-Purpose-Schiffe mit 50.000 dwt, die sich derzeit bei Hyundai Mipo Dockyard im Bau befinden. Er berichtete auch von seinen interessanten Erfahrungen als Bauleiter auf der koreanischen Werft.

Kongsberg Maritime, Kongsberg

Das weltweit agierende Unternehmen Kongsberg Maritime ist ein etablierter Anbieter für den maritimen Bereich, u. a. von Systemen der dynamischen Positionierung, Navigation, Automation, Simulation, Training usw. Bei dem Besuch konnten wir in dem weitläufigen Technologiepark mehrere Simulationsräume besuchen, in denen Personal beispielsweise in Navigation, Kranarbeiten, Anker- und Anlegemanövern ausgebildet wird.

Det Norske Veritas, Oslo

Die Klassifikationsgesellschaft Det Norske Veritas ist eine Stiftung und somit frei von Aktionärsinteressen. Die derzeitige Schifffahrtskrise geht aber auch an DNV nicht spurlos vorbei, was zur Folge hat, dass nicht alle Ingenieure mit operativen Aufträgen ausgelastet werden können und zeitweise in internen Projekten beschäftigt werden. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die geplante Fusion mit dem Germanischen Lloyd. Besonders beeindruckt hat uns die Präsentation des Projekts »Quantum«. Hierbei handelt es sich um den abteilungsübergreifenden innovativen Entwurf eines Containerschiffs. Die Ergebnisse dieser Studie stoßen bei Reedern auf reges Interesse und es gibt bereits konkrete Anfragen.

Zusammenfassend haben wir erfahren, dass Norwegen hervorragende Arbeitsmöglichkeiten für Ingenieure bietet. Die leicht zugänglichen Ölfelder sind zum großen Teil ausgebeutet, aber wegen des hohen Ölpreises wird die aufwendigere Förderung schwer erreichbarer Felder immer lukrativer; d. h. der Bedarf an Ingenieuren – insbesondere auch an solchen mit einer Ausbildung in der Offshore- und Schiffstechnik – wird sicherlich weiter steigen. Norwegen wird daher von einigen Studenten als Arbeitsstandort in Betracht gezogen – zumindest für zeitlich begrenzte Projekte.

Aber auch auf dem privaten Sektor hat Norwegen einiges zu bieten, handelt es sich doch um ein sehr umweltfreundliches Land, das 98 % des Strombedarfs durch Wasserkraftwerke bezieht. Ferner wurde bereits 1990 für die Zeit nach dem Öl der sogenannte Ölfonds entwickelt. In diesem staatlich geführten Pensionsfonds werden die Erträge aus dem Öl- und Gasexport angelegt. So soll der Wohlstand Norwegens nachhaltig gesichert werden.

Das fokussierte Arbeiten am Schreibtisch fällt den Norwegern bei dem oft regnerischen Wetter offensichtlich nicht allzu schwer. Obligatorisch wird aber jeder Sonnenstrahl eingefangen. So füllen sich bei sonnigem Wetter die Straßen und Parks schnell und man lässt fünfe auch mal gerade sein.

Im Namen aller Teilnehmer richte ich meinen ganz besonderen Dank an die Schiffbautechnische Gesellschaft sowie an alle Förderer und Unterstützer, insbesondere auch an die Begleiter der Exkursion Iwer Asmussen (STG) und Prof. Dr.-Ing. Berend Bohlmann (FH Kiel). Weitere Informationen finden Sie unter www.stg-excursion.org.


Raphael Terhorst