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Das internationale Schifffahrtsbüro IMB hat seine Bilanz der Piraterie für 2012

vorgestellt. Danach sind viele Maßnahmen zur Bekämpfung des Problems erfolgreich. Vor allem die Entwicklung in Somalia macht Hoffnung
Die große Zeit der Piraten vor der ostafrikanischen Küste scheint vorbei zu sein. Angesichts wachsamer internationaler Marineschiffe der Mission Atalanta[ds_preview] in dem Seegebiet und Militärschlägen gegen Landbasen der Seeräuber, konsequent angewendeter Sicherheitsregeln (Best Management Practices) und bewaffneter Wachen auf vielen Schiffen ging die Zahl der erfolg­reichen Überfälle zurück. Das geht aus dem Pirateriebericht hervor, den das Internationale Schifffahrtsbüro (IMB) Mitte Januar veröffentlicht hat.

Weltweit griffen Seeräuber der Aufstellung zufolge in 297 Fällen Schiffe an. Im Jahr 2011 waren es noch 439. Vier davon fuhren unter deutscher Flagge.

Aufgrund der gesunkenen Erfolgsaussichten sind die bisherigen somalischen Geldgeber, die in die Vorbereitungen der Überfälle investierten, nicht mehr bereit, Gelder zur Verfügung zu stellen. Sie sehen ihre Renditen gefährdet.

Ob die Piratengefahr vor der ostafrikanischen Küste damit dauerhaft gebannt ist, bleibt abzuwarten. Zu gut haben die Seeräuber noch die hohen Gewinne aus den Geiselnahmen in Erinnerung. Als die ers­ten zivilen bewaffneten Wachen begannen, Handelsschiffe zu schützen, änderten die Angreifer schnell ihre Taktik und griffen nun mit einer Vielzahl kleiner Skiffs an. Mit dem Wachpersonal eines russischen Handelsschiffes lieferten sie sich sogar eine Stunde lang ein Feuergefecht, bevor sie sich zurückzogen. Iranische Nachrichtenagenturen berichten von einem Feuergefecht zwischen iranischen Einheiten und somalischen Piraten um das Containerschiff »Armis«, das 48 Stunden gedauert haben soll. Demzufolge wurden zwölf (nach anderen Angaben 13) Seeräuber festgenommen und in den Iran geschafft. Eine Bestätigung für die Vor­fälle durch die in der Region stationierten EUNAVFOR- oder NATO-Einheiten gibt es bislang nicht.

Solche Angriffe mit vielen Skiffs können das Wachpersonal an Bord schnell überfordern, zumal meist nur drei bis vier private Schutzleute auf den Schiffen mitfahren. Wenn die Piraten sich auf bewaffnete Gegenwehr an Bord einstellen, besteht die Gefahr, dass künftige Entführungen blutiger enden als bisher. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb europäische Marineverbände vor dem Einsatz privater Sicherheitsdienste warnen.

Mehr als 500 Geiseln genommen

Nach wie vor aber ist die Piraterie einer der großen Risikofaktoren der internationalen Seefahrt. Ins­gesamt wurden im vergangenen Jahr 174 Schiffe von Piraten gekapert, 28 entführt und 28 beschossen. Das IMB verzeichnete außerdem 67 vereitelte Attacken. Die Zahl der genommenen Geiseln fiel von 802 auf 585.

In Nigeria wurden 26 Seeleute gefangen und gegen Lösegeld frei gelassen. Sechs Besatzungsmitglieder wurden getötet, 32 verletzt. Ein Viertel aller weltweiten Überfälle ereignete sich vor der Küste Somalias im Golf von Aden. Das Internationale Schifffahrtsbüro registrierte in der Region 75 Attacken nach 237 im Vorjahr. Somalische Piraten entführten 14 Menschen und damit nur noch halb so viele wie im Jahr 2011.

Seit Jahren besteht die einhellige Ansicht, militärische und andere bewaffnete Einsätze vor der Küste Somalias könnten nur an den Symptomen der Piraterie herumdoktern, aber eine wirkliche Lösung des Problems müsse an Land gefunden werden. Die tiefen Zerwürfnisse zwischen mächtigen Clans und ihre unterschiedlichen Interessen haben jedoch Lösungsversuche in der Vergangenheit immer wieder im Ansatz scheitern lassen. Nun aber scheint es, als gäbe es erstmals seit mehr als zwei Jahrzehnten eine Chance für eine friedliche Lösung im Land selbst. Im September wählten 271 Parlamentarier, die von den Clanältesten bestimmt worden waren, Hassan Sheikh Mohamud zum neuen Präsidenten. Da er keine engen Verbindungen zu den Warlords und Clanführern hat, die das Land ins Chaos gestürzt haben, gilt er als Hoffnungsträger für ein neues Somalia, das seine Konflikte selbst lösen kann.

Politische Neuordnung in Somalia

Hassan Sheikh Mohamud wurde 1955 in der Region Hiran in Somalia geboren. 1981 schloss er sein Studium an der Somali National University ab. Danach war er in einer Fachoberschule als Lehrer tätig und bildete junge Somalis in Handwerksberufen aus. 1984 wurde er Dozent und 1986 Leiter des Fachbereichs an der technischen Universität. Er absolvierte in Indien eine technische Ausbildung an der Universität von Bhopal. 1988 kehrte er nach Somalia zurück. Nach dem Zusammenbruch des somalischen Staates arbeitete er als Bildungsbeauftragter für das Kinderhilfswerk UNICEF. Vor der Wahl musste jeder Präsidentschaftskandidat eine Gebühr von 10.000 $ bezahlen und einen gültigen somalischen Pass besitzen. An diesen Kriterien scheiter­ten elf der 33 Bewerber. Laut somalischem Wahlrecht durften an der Schlussrunde nur jene vier Kandidaten teilnehmen, die in den Vorwahlgängen die höchsten Stimmenanteile auf sich vereinigten. Zwei Kandidaten, die diese Kriterien erfüllten, zogen ihre Bewerbung jedoch zurück. So blieben vor dem Urnengang nur noch die Namen von Sharif Sheikh Ah­med und Hasan Sheikh Mohamud auf den Stimmzetteln. In der Stichwahl vereinigte Hassan Sheikh Mohamud 190 Stimmen auf sich und wurde damit zum Präsidenten Somalias gewählt. Sheikh Sharif Sheikh Ahmed akzeptierte die Niederlage, gratulierte seinem Nachfolger und bot seine Zusammenarbeit an.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung ist wohl auch die Erklärung von Mohamed Abdi Hassan zu werten, der gemeinhin als Somalias Piratenkönig gilt. Er kündigte an, seine gesamte Seeräubertruppe werde ihrer kriminellen Arbeit nicht weiter nachgehen. Zugleich aber rief er die Regierung dazu auf, Arbeitsplätze für Jugendliche zu schaffen. Jetzt bleibt abzuwarten, was aus den mehr als 100 Menschen wird, die sich noch immer als Geiseln in der Gewalt von Piratenbanden befinden.


Eigel Wiese