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Bei der Wahl der Flagge kommt es für jeden verantwortungsbewussten und qualitätsorientierten Reeder jenseits der politischen Arena vor allem auf zwei Dinge an: Qualität und Dienstleistung.
Unterdrückt man patriotische Impulse und ignoriert die Wünsche der deut­schen Politiker, gibt es aus Sicht des Verfassers bisher keine[ds_preview] schwerwiegenden Gründe, ein Schiff nicht unter der Flagge Liberias, Antiguas oder der Marshallinseln zu registrieren. Diese Flaggenstaaten sind auf allen weißen Listen der Hafenstaatbehörden zu finden und zeichnen sich durch eine ausgeprägte Dienstleistungsqualität aus. Alle drei Flaggenstaaten haben einen Teil ihrer hoheitlichen Gewalt in die Hände exklusiver Agenten gelegt. Hier­in mag das Geheimnis der guten Dienstleis­tung liegen. Bemerkenswert aber ist, dass alle drei auch objektivierbar für Qualität stehen.

Die deutsche Schifffahrt ist im Vergleich mit anderen Schifffahrtsnationen in Flaggenfragen besonders gut aufgestellt: 68 % der Tonnage fährt unter der Flagge Liberias, der Marshallinseln oder Antiguas. Nur 24 % unter der Flagge eines EU-Mitgliedsstaates.Dieser Status wird sich ändern müssen: Die EU verlangt in ihren Beihilferichtlinien für den maritimen Transport ausdrücklich von jedem, der eine Beihilfe in Anspruch nimmt, bei 60 % der Tonnage die Flaggen von EU-Mitgliedsstaaten zu führen. Eine Unterscheidung zwischen den EU-Staaten wird hierbei nicht getroffen. Laut Rechtsprechung fällt die deutsche Tonnagesteuer unter den Begriff der Beihilfe. Die Folgen sind klar. Max Johns, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder, drückte es bei einer Präsentation verschiedener EU-Flaggenverwaltungen Anfang 2012 vor deutschen Reedereien so aus: »1,500 German ships are up for grabs.«

Was tun? Die Rolle der Flaggen wird oft unterschätzt. Teures Anlagevermögen, wie Schiffe es sind, muss in Bewegung bleiben, um die Investition zu amortisieren – in diesen Zeiten noch mehr als sonst. Hierfür ist in vielen Situationen eine schnelle und zuverlässige Reaktion der Verwaltungen erforderlich, und zwar rund um die Uhr.

Aus Sicht des VDR kamen damals als Alternative zu den außereuropäischen Flaggen vor allem Gibraltar, Luxemburg, Madeira, Malta, UK und Zypern in Betracht.

Gibraltar

Alle Schiffe bis zu einem Alter von 20 Jahren können dort registriert werden. Eine Vertretung in Deutschland ist nicht verfügbar. Zudem muss in Gibraltar in der Zusammenarbeit mit der dortigen Administration ein Anwalt beauftragt werden. Ausdrücklich verwies man seitens der Maritimen Administration Gibraltars auf die beschränkten Kapazitäten. Mehr als 40 bis 50 Schiffe könne man nicht nehmen. Problematisch ist die Übernahme einiger Leistungen, die von anderen Registern auf die Klassifizierungsgesellschaften delegiert worden sind. Beispielsweise ist die Einschaltung eigener Inspektoren erforderlich, was bei den mandatorischen Besuchen an Bord zu hohen Reisekosten der Inspektoren für die Reedereien führt. Auch ist die Durchführung eines eigenen DOC Audits durch den Flaggenstaat notwendig. Ein Nationalitätenerfordenis bei der Besatzung besteht nicht.

Gibraltar wird in der EU auf der weißen Liste geführt. Im pazifischen Raum taucht die Flagge bei Tokyo MOU auf der grauen Liste auf. Bei der United States Coast Guard (USCG) ist die Flagge »targeted flag state«, also unter besonderer Beobachtung. Zurzeit befinden sich 149 deutsche Schiffe unter der Flagge Gibraltars. Allerdings sind dies meist kleinere Schiffe, sodass es sich nur um 1,3 % der deutschen Tonnage handelt.

Luxemburg

Eine Registrierung in Luxemburg ist ausschließlich über einen sogenannten »Dirigeant Maritime« möglich, ein in Luxemburg ansässiges Unternehmen, das als Mittler zwischen der Verwaltung und dem Reeder auftritt. Dieser Mittler erledigt sowohl bei der Registrierung als auch beim Schiffsbetrieb die Kommunikation mit den Behörden. Zurzeit gibt es 76 natürliche und juristische Personen dieser Art.

Zudem verlangt Luxemburg einen EU-Bürger als Kapitän. Eine eigene Vertretung in Deutschland existiert nicht. Die Flagge befindet sich in der EU auf der weißen Liste und bei Tokyo MOU auf der grauen Liste. Heute sind 0,01 % der deutschen Tonnage unter der Flagge Luxemburgs.

Kürzlich hat die Regierung als neuen »Dirigeant Maritime« die liberianische Flaggenverwaltung akkreditiert. Liberia wird als professionelle und erfahrene Flaggenverwaltung dieser Rolle neue Qualität verleihen. Zudem handelt es sich um einen Präzedenzfall der Zusammenarbeit zwischen einem prosperierenden EU-Staat und einem westafrikanischen Staat, der einerseits seine Kompetenz zur Verfügung stellt und andererseits dafür seine knappen Einnahmen mit der Unterstützung des EU-Staates aufbessert. Allerdings sind in diesem Fall keine staatlichen Hoheitsrechte in private Hände gegeben worden und alle Entscheidungen, die den Schiffsbetrieb berühren, unverändert von der CAM (Luxemburgischen Schifffahrtsverwaltung) zu treffen. Laut Auskunft des luxemburgischen Justizministers ist eine Gesetzesänderung nicht geplant.

Madeira

Ebenso wie die zuvor genannten Register erlaubt Madeira Voll- als auch Bareboat­registrierungen. Hierfür ist ein vor Ort befindlicher Repräsentant zu beauftragen. Die Besatzung muss zu 50 % aus Europäern bestehen. Alle Offiziere mit Managementlevel müssen über Kenntnisse des portugiesischen Schifffahrtsrechts verfügen und dies durch einen Test nachweisen. Ein Büro existiert in Leer. 0,31 % der deutschen Tonnage sind unter der Flagge Madeiras. Ein Ranking bei den Hafenstaatbehörden besteht nicht.

Malta

Die Flaggenverwaltung Maltas gehört zu den etablierten Teilnehmern am Markt. Immerhin 192 deutsche Schiffe sind hier registriert, was 4,1 % der deutschen Flotte entspricht. Auch hier kann die Registrierung sowie die Kommunikation mit dem Regis­ter nur durch vor Ort ansässige Vertreter stattfinden, in der Regel Anwaltbüros. Eine Vertretung in Deutschland existiert nicht. Die Flagge hat ihre einst fragwürdige Reputation seit dem »Erika«-Unglück verbessert und ist nun bei Tokyo MOU und Paris MOU auf der weißen Liste. Bei der USCG ist Malta allerdings immer noch »targeted flag state«.

UK

Die alte Flagge des Vereinigten Königreiches ist weltweit bekannt und weit vorne auf den weißen Listen. Das Merkmal Qualität steht nicht in Frage, anders die Dienstleis­tung: Es gibt keine Vertretung in Deutschland. Kritisch gesehen werden die erheblichen Reisekosten der Besichtiger. Von den in deutschem Eigentum befindlichen Schiffen sind 59 unter der UK-Flagge, was 1,2 % der deutschen Tonnage entspricht.

Kapitäne müssen ihre Kenntnisse des

britischen Seefahrtrechts nachweisen. Die meisten Nationalitäten werden als Seeleute anerkannt. Für alle EU-Bürger muss in die britische Sozialversicherung eingezahlt wer-

den, solange nicht der Nachweis der Einzahlung in ein anderes Sozialversicherungs­system geliefert werden kann.

Zypern

Auch Zypern gehört zu den großen etablierten Flaggenstaaten. Die Insel ist seit vielen Jahren ein wichtiger Reedereistandort. Insgesamt hat man sich sehr bemüht, die Dienstleistung zu verbessern. Zudem ist Zypern in der EU und im Pazifik auf den weißen Listen gelandet, in den USA »targeted flag state«. Problematisch sind die Schwierigkeiten, die zypriotisch geflaggte Schiffe unverändert in türkischen Häfen erleben.

Rumanien

Seit der Präsentation dieser sechs Flaggen vor rund einem Jahr ist Bewegung in die Flaggenlandschaft gekommen. Im August 2012 hat die rumänische Regierung per Gesetz ein Internationales Zweitregister geschaffen und den Betrieb nach einer EU-weiten Ausschreibung an die Gesellschaft RIFA (Romanian International Flag Administration) vergeben, die in deutschem Eigentum befindlich ist. Ein Erstregister exis­tiert de facto nicht mehr. Damit verfügt Rumänien als erster und einziger EU-Staat über einen privatwirtschaftlich orientierten exklusiven Agenten, der mit staatlichen ­Hoheitsrechten beliehen worden ist. Das Regis­ter kann in mancherlei – wenn auch nicht in jeder – Hinsicht mit Liberia und den Marshallinseln verglichen werden.

Rumänien hat alle maßgeblichen internationalen Vorschriften ratifiziert. Die einzige Ausnahme bildet die Maritime Labour Convention (MLC), die aber voraussichtlich im kommenden April/Mai ratifiziert werden soll. Auch in den meisten EU-Staaten, so auch in Deutsch­land, steht die Ratifizierung noch für den Verlauf dieses Jahres an.

Rumänien ist eine traditionelle Seefahrernation. Dies zeigt sich auch in der Politik, wo sowohl bei Regierung als auch Opposition ehemalige Seefahrer in Verantwortung stehen. Zahlreiche deutsche Reedereien machen gute Erfahrungen mit rumänischem Personal. Einige deutsche Reedereien haben Schiffe in Rumänien bauen lassen. Das Land ist seit 2007 in der EU und sucht noch seine Rolle. Hierbei soll die maritime Wirtschaft in Zukunft ein besonderes Gewicht erhalten, wobei die Einführung des Schiffsregisters und seine Ausschreibung nur einen ersten Schritt darstellen.

Wichtig für deutsche Reedereien ist, dass sie in Deutschland Ansprechpartner für alle Dienstleistungen der Flagge finden. Dieser Ansprechpartner ist autorisiert, Entscheidungen zu treffen und dem Reeder bei möglichen Problemen Lösungsansätze aufzuzeigen. Zudem wird die Verwaltung mehr als jede andere in der Welt ihre Arbeit auf die Nutzung des Internets abstellen und damit den Nutzern der Flagge erhebliche Verschlankungen bieten. Dies gilt für die Registrierung selbst, wie auch für die Beantragung der Crewdokumente oder für andere für den Schiffsbetrieb erforderlichen Genehmigungen sowie auch für die Planung der jährlichen Flaggenstaateninspektion.

Der Vertrag zwischen der Republik Rumänien und RIFA verlangt vom Betreiber, ein Ranking der Flagge auf den weißen Lis­ten der Hafenstaatbehörden zu erreichen. Damit einher geht eine Altersbeschränkung von 15 Jahren bei der Registrierung; ältere Schiffe müssen eine vorhergehende Inspektion und eine weitere Prüfung über sich ergehen lassen. Schiffe und Reedereien, die bei den Hafenbehörden besonders wohlgelitten sind, genießen Privilegien. So können Inspektionen in größeren Zeitabständen stattfinden.

Die Besatzung unterliegt keinen Beschränkungen der Nationalität, sondern muss die international üblichen Qualifikationsnachweise erbringen. Alle Nationalitäten der EU »White List« können an Bord eingesetzt werden. Private Sicherheitsdiens­te dürfen nach vorheriger Genehmigung in Piratengebieten an Bord mitfahren.

Die rumänische Verwaltung hat alle Mitglieder der IACS (International Association of Classification Societies) autorisiert, als sogenannte »Recognized Organisation« ver-

schiedene Aufgaben unter dem ISM Code, dem ISPS Code und zukünftig der MLC wahrzunehmen. »Statutory Certificates« werden ohnehin durch die Klassen ausgestellt.

Die Gesellschaft wird von Kapitän Jörg Molzahn sowie dem Verfasser geführt, beide sind ehemalige Leiter des liberianischen Schiffsregisters. Zur Mannschaft gehören darüber hinaus Dr. Jan-Thiess Heitmann, langjähriger Justitiar des VDR, Anja Funk, einst Leiterin der Schiffsregistrierung von Liberia, und vom GL kommend Wilhelm Loskot sowie weitere erfahrene und qualifizierte Kräfte.

Die kommenden Jahre werden in jedem Fall eine grundlegende Umwälzung der Flaggenlandschaft an Bord von deutschen Schiffen, wie aber auch an Bord von anderen europäischen Schiffen erleben.

Albrecht Gundermann