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Ein Unglück kommt selten allein. Zur Schifffahrtskrise kommen jetzt auch Befürchtungen vor zusätzlichen Steuerbelastungen hinzu. Reeder sollen Versicherungsteuer zahlen für Schiffe, für die Einnahmepools vereinbart wurden. Eine rechtliche Bewertung der

Problematik von Detlev G. Gross und Thomas Brinkmann
Einnahmepools in der Schifffahrt

Der Begriff Einnahmepool oder Ergebnispool ist gesetzlich nicht definiert. Als Einnahmepool wird üblicherweise eine[ds_preview] Vereinbarung in der Trampschifffahrt bezeichnet, durch welche sich zwei oder mehr Beteiligte (Poolpartner) durch Vertrag verpflichten, von ihnen durch den Betrieb von See- oder Binnenschiffen erzielte (Fracht-) Einnahmen ganz oder teilweise zusammenzulegen und sodann nach einem vorab vereinbarten Schlüssel untereinander aufzuteilen. Bei den zusammenzulegenden Einnahmen kann es sich um Einnahmen aus einem einzelnen Geschäft (Einsatz mehrerer Schiffe zur Erfüllung eines Mengenfrachtvertrages) handeln, oder auch um periodisch ermittelte Einnahmen. Teilweise liegt der Schwerpunkt der vertraglichen Vereinbarungen und der wesentliche kaufmännische Zweck der Zusammenlegung der erwirtschafteten Einnahmen und in deren Aufteilung. Teilweise ist die Vereinbarung eines Einnahmepools nur ein Element unter mehreren, welche im Rahmen einer Zusammenarbeit vertraglich geregelt werden. Einnahmepools sind häufig als Gesellschaften bürgerlichen Rechts strukturiert. Einnahmepools sind weit verbreitet und gehören zum üblichen Handwerkszeug eines jeden Schifffahrtskaufmannes.

Neue Steuerpraxis

Das Bundeszentralamt für Steuern vertritt seit jüngstem bei Einnahmepools die Auffassung, dass ein Versicherungsverhältnis im Sinne des Versicherungsteuergesetzes vorliegt. Als Versicherungsprämie wird die Umlage des jeweiligen Pool-Partners angesehen. Auf dieser Grundlage sollen in Einzelfällen rückwirkend Steuerbescheide in Millionenhöhe erlassen werden. Verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen die Versicherungsteuer sieht die Rechtsprechung derzeit nicht. Das Problem hat erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Laut Pressemitteilungen umfasst die deutsche Handelsflotte etwa 3.750 Schiffe, von denen etwa 60 % in Einnahmepools zusammengeschlossen sind. Rechtsprechung und Literatur zur Versicherungsteuerpflicht von Einnahmepools gibt es soweit ersichtlich bisher nicht.

Versicherungsteuer

Die Versicherungsteuer gehört ebenso wie die Umsatzsteuer und die Grunderwerbsteuer zu den sogenannten Verkehrsteuern, d.h. zu denjenigen Steuern, die an Vorgänge des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs anknüpfen. Ihr Aufkommen fließt dem Bund zu. Der Versicherungsteuer unterliegt die Zahlung eines Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses.

Als Versicherungsvertrag im Sinne des Versicherungsteuergesetzes gilt nicht nur jeder Versicherungsvertrag, sondern auch eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen oder Personenvereinigungen, solche Verluste oder Schäden gemeinsam zu tragen, die Gegenstand einer Versicherung bilden können. Der Versicherungsteuer unterliegt insbesondere die Zahlung eines Versicherungsentgelts aufgrund eines Versicherungsverhältnisses, wie z. B. die Zahlung von Nachschüssen und Umlagen. Aber nicht jede Risikopoolung führt zur Versicherungsteuerpflicht.

Die Abgrenzung zwischen versicherungsteuerpflichtigen Versicherungsverträgen einerseits und nicht versicherungsteuerpflichtigen Vereinbarungen andererseits hat die Rechtsprechung immer wieder beschäftigt. Die Versicherungsteuer setzt nicht voraus, dass ein Unternehmer als Versicherer im versicherungsrechtlichen Sinne ein Unternehmen mit dem Ziel betreibt, Versicherungsverträge abzuschließen. Entscheidend ist auch nicht die Bezeichnung der abgeschlossenen Vereinbarung. Voraus­setzung für eine Versicherungsteuerpflicht ist vielmehr das Vorliegen eines Versicherungsvertrages. Das Versicherungssteuerge­setz definiert den Begriff Versicherungsvertrag nicht. Der für das Versicherungsteuergesetz maßgebliche Begriff des Versicherungsvertrages ist praktisch identisch mit dem allgemeinen Begriff der Versicherung.

Danach kann eine Versicherung grundsätzlich gegen jede Beeinträchtigung wirtschaftlicher Belange abgeschlossen werden, insbesondere auch gegen Zahlungsausfälle. Das Vorliegen eines Versicherungsverhältnisses kommt immer dann in Betracht, wenn mehrere Personen vereinbaren, mögliche wirtschaftliche Schäden oder Verluste gemeinsam tragen zu wollen. Nach der Rechtsprechung ist die Versicherung ein Massengeschäft, welches unter planmäßiger Herstellung einer Gefahrengemeinschaft unter Übernahme des Versicherungswagnisses gegen Übernahme einer Prämie einen Ausgleich der Risiken ermöglicht. Voraussetzung für eine Versicherung ist der Zusammenschluss einer Vielzahl von möglichst homogenen Risiken, um auf der Grundlage des Gesetzes der großen Zahl einen Risikoausgleich zu ermöglichen. Dieser Zusammenschluss leistet aus den von der Gesamtheit aufgebrachten Mitteln an die von einem Gefahrereignis Betroffenen die vereinbarte Zahlung. Voraussetzung dafür ist ein Risikoausgleich durch eine Kalkulation nach dem Gesetz der großen Zahl.

Das Gesetz der großen Zahl besagt (abstrakt formuliert), dass sich die relative Häufigkeit eines Zufallsergebnisses immer weiter an die theoretische Wahrscheinlichkeit für dieses Ergebnis annähert. Konkret bedeutet das Folgendes: Wird beispielsweise eine Münze geworfen, auf die auf einer Seite ein Kopf und auf der anderen Seite eine Zahl geprägt ist, beträgt die theoretische Wahrscheinlichkeit dafür, dass Kopf oder Zahl nach dem Wurf der Münze sichtbar ist, 50:50. Wird die Münze nur einige wenige Male geworfen, ist es keineswegs sicher, dass in 50 % der Fälle der Kopf und in 50 % der übrigen Fälle die Zahl sichtbar wird. Je öfter die Münze aber geworfen wird, umso mehr nähern sich die tatsächlichen Ergebnisse der Würfe (relative Häufigkeit) an die theoretische Wahrscheinlichkeit (50:50) an. Das ist ein einfacher An-

wendungsfall des Gesetzes der großen Zahl.

Bei jeder Versicherung geschieht im Kern nichts wesentlich Anderes. Auf der Grundlage von statistisch erfassbaren Risiken (z. B. Eintritt von Krankheiten, Todesfällen, Haftungsfällen) werden Schadenshäufigkeiten errechnet, welche es ermöglichen, nach dem Gesetz der großen Zahl Zahlungspflichten der Mitglieder einer Gefahrengemeinschaft (Versicherungsprämie) festzulegen, aus denen dann bei Eintritt des Wagnisses (Versicherungsfall) die Geschädigten in der vorab vereinbarten Höhe schadlos gestellt werden und gleichzeitig ein angemessener Gewinn des Versicherers gezahlt werden kann.

Einnahmepools und Versicherungsteuer

Ob Einnahmepools der Versicherung­steuer unterliegen oder nicht, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles und insbesondere dem Inhalt der getroffenen Vereinbarungen ab.

Eine Versicherungsteuerpflicht kann etwa dann bestehen, wenn sich die Poolpartner wechselseitig nach Art einer Betriebsunterbrechungsversicherung gegen das Ri-

siko absichern, dass der Betrieb ihres jeweiligen Schiffes durch einen Sachschaden beeinträchtigt oder unterbrochen wird. Entschädigung kann in einem solchen Fall für den aufgrund des Sachschadens entgangenen Gewinn geleistet werden. Diese Gestaltung dürfte in der Praxis eher selten sein.

Üblicherweise dürften Einnahmepools nicht der Versicherungsteuer unterliegen. Zwar gibt es auch bei Einnahmepools – ähnlich wie bei dem Wurf einer Münze – tatsächlich im Wesentlichen nur zwei Möglichkeiten: Die Poolpartner erzielen in einer Abrechnungsperiode gemeinsam nach Zusammenlegung ihrer Einnahmen einen Gewinn oder einen Verlust. Anders als bei dem Wurf einer Münze gibt es aber keine theoretische Wahrscheinlichkeit dafür, ob die Poolpartner gemeinsam im Ergebnis Gewinne oder Verluste erzielen. Mit fortschreitender Dauer der Zusammenlegung der Einnahmen der Poolpartner nähert sich die relative Häufigkeit eines Zufallsergebnisses (Gewinn oder Verlust) auch nicht einer theoretischen Wahrscheinlichkeit des Ergebnisses (Gewinn oder Verlust) an. Denn das Ergebnis der Zusammenlegung der Einnahmen der Poolpartner lässt sich – anders als bei versicherbaren Risiken – nicht statistisch vorhersagen.

Vielmehr hängt das Ergebnis der Zusammenlegung der Einnahmen der Poolpartner von Umständen ab, die einer Vorhersage auf statistischer Grundlage nicht zugänglich sind, weil die Einflussfaktoren nicht aus statistisch sinnvoll erfassbaren Ereigniswahrscheinlichkeiten bestehen, sondern aus nicht mithilfe der Statistik vorhersehbaren Marktentwicklungen, wie z. B. der Entwicklung von Frachtraten.

Einnahmepools bestehen in der Praxis häufig zum Zwecke der Zusammenlegung der Einnahmen der Poolpartner aus wenigen Schiffen. Um einen Risikoausgleich nach dem Gesetz der großen Zahl zu ermöglichen, sollte eine Gefahrengemeinschaft, also der Zusammenschluss möglichst homogener Risiken, aber so groß wie möglich sein. Die Zusammenlegung der Einnahmen von nur wenigen Schiffen in einem Einnahmepool ist daher keine Gefahrengemeinschaft, die einen angemessenen statistischen Risikoausgleich ermöglicht. Auch aus diesem Grund ist das Risiko, dass die Partner eines Einnahmepools nach Zusammenlegung ihrer Ergebnisse gemeinsam keine Gewinne, sondern Verluste erwirtschaften, praktisch nicht versicherbar.

Der Einnahmepool ist deshalb keine Gefahrengemeinschaft, bei der ein angemessener Risikoausgleich durch eine Kalkula­tion nach dem Gesetz der großen Zahl berechnet werden kann. Bei dem Einnahmepool handelt es sich mithin in aller Regel nicht um eine Versicherung. Die Auffassung des Bundeszentralamtes für Steuern, dass es sich bei Einnahmepools um Versicherungsverhältnisse handelt, überzeugt deshalb jedenfalls für die überwiegende Mehrzahl der Einnahmepools nicht.

Weitere Argumente

Im Einzelfall können auch weitere Argumente gegen eine Versicherungsteuerpflicht sprechen. Dazu kann u. a. der Schwerpunkt der vertraglichen Vereinbarungen gehören, wenn dieser nicht im Bereich der Einnahmepoolung liegt, weil dann möglicherweise die Vereinbarung nicht als Pool zu qualifizieren ist. Eine Versicherungsteuerpflicht kann nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn z. B. Zahlungen an die Poolpartner in der Vergangenheit durch wiederholte Betriebsprüfungen stets der Umsatzsteuer und nicht der Versicherungsteuer unterworfen wurden. Ferner ist zu prüfen, ob bei Sachverhalten mit Auslandsberührung der Bundesrepublik Deutschland überhaupt das Besteuerungsrecht zusteht. Unklar ist schließlich, was bei einem Einnahmepool das Versicherungsentgelt ist, an dessen Zahlung die Versicherungsteuer anknüpft.

Ergebnis

Die Auffassung des Bundeszentralamtes für Steuern, dass die Vereinbarung eines Einnahmepools und dessen vereinbarungsgemäßer Vollzug durch Zahlung einer Umlage ein versicherungsteuerpflichtiger Sachverhalt ist, überzeugt im Regelfall nicht. Steuerpflichtige sollten gegebenfalls Rechtsmittel gegen die Steuerbescheide einlegen. Ob ausnahmsweise versicherungsteuerpflichtige Sachverhalte vorliegen, ist durch fachkundige Beratung zu klären. Abschließende Klarheit wird möglicherweise erst ein Urteil des Bundesfinanzhofes bringen.

Dr. Detlev G. Gross, Dr. Thomas Brinkmann,