Print Friendly, PDF & Email

Hinsichtlich der Tonnagesteuer hat der Bundesfinanzhof eine Entscheidung zugunsten der Reeder gefällt. Über das Urteil des IV. Senats des BFH berichten die Steuerberater Holger Schween und Heike Tomat

Dass in der Tonnagebesteuerung einiges Streitpotenzial mit den Finanzämtern steckt, hat sich mittlerweile in der Schifffahrtsbranche herumgesprochen. An vielen Stellen[ds_preview] ist die Norm des § 5a Einkommensteuergesetz (EStG) nicht klar genug vom Gesetzgeber konzipiert und ­schnell kommt seitens der Betriebsprüfer der Verdacht auf, dass die Reeder aus dem Subventions­charakter der Vorschrift zu viel Vorteil ziehen würden. Die Finanzverwaltung versucht, zusätzliches Besteuerungs­substrat neben der pauschalen, gewinnunabhängigen laufenden Tonnagesteuer zu gewinnen. Doch dem hat der Bundesfinanz­hof (BFH) nun Einhalt geboten und zuguns­ten der Reeder in einem Musterprozess deutlich eine Frage entschieden, die ein steuerliches Risikopotenzial für die ganze Branche in geschätzter Milliardenhöhe in sich barg.

Bei Schiffsgesellschaften, die von der Regelbesteuerung in die Tonnagesteuer wechseln, muss gemäß EStG zum Schluss des Jahres, das der erstmaligen Anwendung der Tonnagesteuer vorausgeht (31.12. des Vorjahres), geprüft werden, ob in ihren Wirtschaftsgütern stille Reserven bzw. stille Las­ten schlummern. Für jedes dieser Wirtschaftsgüter ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe der Differenz zwischen Teilwert und Buchwert festzustellen und zu einem späteren Zeitpunkt (z. B. bei Schiffsverkauf) zu besteuern. Diese vom Gesetz vorgesehene Erfassung in Form des Unterschiedsbetra­ges soll sicherstellen, dass kein Besteuerungs­substrat aus der Zeit der Regelbesteuerung verloren geht, denn ein späterer Gewinn aus der Veräußerung des Schiffes wäre im Zeitraum der Tonnagebesteuerung nicht (extra) zu besteuern. Die zeitliche Verschiebung des Besteuerungszeitpunktes trägt dem Umstand Rechnung, dass erst bei einer Veräußerung des Schiffes (oder der Gesellschaftsanteile) Liquidität zur Verfügung steht.

Idee der Finanzverwaltung

In den Jahren der boomenden Schifffahrtsmärkte von 2003–2007 entstand vonseiten der Finanzverwaltung in Anbetracht der massiven Steigerungen der Neubaupreise für Schiffe die Idee, sich zusätzliches Besteuerungssubstrat zu erschließen: Unterschiedsbeträge sollten nach ihrer Auffassung bei Gesellschaften mit vor 2006 abgeschlossenen Bauverträgen, deren Schiffe zum Zeitpunkt des Wechsels in die Tonnagesteuer noch nicht abgeliefert waren, nicht nur für ein Wirtschaftsgut »Fremdwährungsdarlehen« und »geleistete Anzahlun­gen«, sondern auch für einen »Bauvertrag« (in Höhe der eingetretenen Preissteigerung) festgesetzt werden.

Angesichts der seinerzeitigen Bestellerzahlen deutscher Reeder und des eingetretenen Preisanstiegs bestand ein milliardenschweres Risiko, von dem die Branche be­-

droht war. Hinzu kommt, dass die Versteuerung häufig gerade jetzt, in wirtschaftlich angespannten Zeiten, in der jede Liquidität dringend benötigt wird, durch Schiffs- oder Anteilsverkäufe ausgelöst worden wäre.

Entscheidung des BFH

Richtig ist, dass die Erfassung der stillen Reserven (und Lasten) von Wirtschaftsgütern in Form von Unterschiedsbeträgen auf einer Stichtagsbetrachtung basiert, sodass ihre Besteuerung von tatsächlichen Gewinnrealisierungen in der Zukunft abweichen kann. Doch sind fiktive stille Reserven in nicht bilanzierbaren Bauverträgen wirklich genauso zu behandeln wie solche in bilanzierten Schiffen? Müssten dann nicht auch alle anderen möglichen Chancen und Risiken zum Wechselstichtag erfasst und besteuert werden?

Das Finanzgericht Hamburg (AZ 3 K 168/ 08 vom 11.9.2009) verneinte dies mit der Begründung, dass der vorliegende Bauvertrag kein bilanziertes Wirtschaftsgut, sondern lediglich ein schwebender Vertrag sei, für den kein Unterschiedsbetrag festzustellen ist. Der BFH hat diese Auffassung nun mit seiner Entscheidung vom 29.11.2012 (AZ IV R 47/09) und einer äußerst klaren Urteilsbegründung bestätigt und die Revision des Finanzamtes als unbegründet zurückgewiesen.

Sachverhalt

Der Entscheidung lag folgender vereinfacht dargestellter Sachverhalt zugrunde: Eine Einschiffs-KG mit einem Bauvertrag über ein Containerschiff der Panamax-Bauklasse aus dem Jahr 2002 optierte für das Jahr 2004 erstmals zur Tonnagesteuer. Damit waren Unterschiedsbeträge auf den 31.12.2003 zu ermitteln und gegebenenfalls festzustellen. Zum 31.12.2003 befand sich das Schiff noch im Bau, es wurden Anzahlungen geleistet und aktiviert, die fremd­finanziert wurden. Erst 2004 wurde das Schiff abgeliefert. Die Betriebsprüfer stellten zum 31.12.2003 unter anderem einen Unterschiedsbetrag für das Wirtschaftsgut »Bauvertrag« in Höhe von 1,5 Mio. € fest, der vom Steuerpflichtigen erfolgreich angefochten wurde.

Urteilsgründe

In seiner Urteilsbegründung stellt der IV. Senat des BFH klar, dass nur für diejenigen Wirtschaftsgüter ein Unterschiedsbetrag gemäß § 5a Abs. 4 EStG festzustellen ist, die in der Steuerbilanz des Wirtschaftsjahres, das der erstmaligen Anwendung der Tonnagesteuer vorangeht, anzusetzen sind. Er folgt nicht der weitergehenden Auffassung des Finanzamtes, das den Wirtschaftsgutbegriff des § 5a EStG auch auf nicht bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter aus­-

dehnen wollte. Da Bauverträge in der Re­gel wie im zugrundeliegenden Sachverhalt (nur) ein schwebendes Geschäft darstellen, welches nicht als »Wirtschaftsgut« bilan­zierungsfähig ist, sind dafür keine Unterschiedsbeträge festzustellen.

Sein Ergebnis leitet der IV. Senat zum einen aus dem Wortlaut des Gesetzes ab, der das Vorliegen eines Buchwertes als Tatbestandsvoraussetzung für die Feststellung eines Unterschiedsbetrages fordere. Damit bleibe kein Raum für den Ansatz eines fiktiven Buchwertes von 0 €. Zum anderen ergebe sich dieses aus dem Zweck der Vorschrift: »In dem Unterschiedsbetrag werden ausschließlich stille Reserven erfasst, die in der Zeit der Regelbesteuerung entstanden sind. Die Grundsätze der Ausgangsermittlungsart, hier des Bestandsvergleichs, müssen deshalb auch bei der Feststellung des Unterschiedsbetrags berücksichtigt werden. Es ist daher konsequent, einen Unterschiedsbetrag nur für solche Wirtschafts­güter festzustellen, die bei der Regelbe­steuerung bis zum Übergang in die Ton­nagebesteuerung in der Steuerbilanz zu er­fassen und dadurch für die Besteuerung relevant waren.« Außerdem werde das Auslegungsergebnis durch die Gesetzesmate­rialien gestützt, die nicht ersichtlich werden lassen, dass der Gesetzgeber den Begriff »Wirtschaftsgut« im Sinne (i. S.) des § 5a Abs. 4 EStG abweichend von dem der Steuerbilanz zugrunde liegenden Begriff »Wirtschaftsgut« i. S. des § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG definieren wollte.

Darüber hinaus widmen sich die Richter des IV. Senates in ihrem Urteil einer verfahrensrechtlichen Frage. Sie kommen zu dem Schluss, dass ein Feststellungsbescheid, in welchem Unterschiedsbeträge für mehrere Wirtschaftsgüter festgestellt werden, ein­zelne selbständige Feststellungen von Unterschiedsbeträgen enthalten, die gesondert angefochten werden können. Aus diesem Grund war im vorliegenden Fall auch nicht vom BFH zu prüfen, ob der im Bescheid ebenfalls festgestellte, aber nicht angefochtene negative Unterschiedsbetrag aus ge­leis­teten Anzahlungen zu Recht festgestellt wurde.

Fazit

Die Entscheidung des BFH gewinnt – abseits der verhinderten immensen Steuerbelastungen – noch mehr an Bedeutung, wenn die übrigen Entscheidungen des IV. Senates zur Tonnagesteuer betrachtet werden. Bisher ist kein anderes Urteil im Sinne des Steuerpflichtigen ergangen, da der für die Tonnagesteuer zuständige Senat stets betont – so auch in der mündlichen Verhandlung dieses Falles –, die Vorschrift des § 5a EStG wegen ihres Subventionscharakters restriktiv auslegen zu wollen. Um so erfreulicher und eindeutiger ist sein Urteil zu werten. Damit wird auch der Finanzverwaltung signalisiert, dass ihrem Ideenreichtum zur Gesetzesauslegung Grenzen gesetzt werden. Zudem beruht die Entscheidung des IV. Senates nicht auf einer einzelnen Richtermeinung, sondern stellt eine Senatsentscheidung dar. Die Bedeutung des Themas »Tonnagesteuer« ist beim BFH angekommen. Wir können gespannt sein, welche Entscheidungen folgen werden. Für die Steuerpflichtigen ist nun endlich nach Jahren der Aufregung hinsichtlich der Bauverträge Ruhe eingekehrt. Sollten Steuerzahlungen bereits geleistet worden sein, bleibt den Reedern als »Entschädigung« die sechsprozentige Verzinsung des Steuererstattungsanspruches.

Holger Schween, Heike Tomat