Eine historische Chance steht auf dem Spiel

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Die Energiewende ist da. Zumindest auf dem Papier. Neulich flatterte sie mit der Post ins Haus. Eine »Offshore-Haftungsumlage« stand[ds_preview] erstmals auf der saftigen Stromrechnung. Zwar ging es nur um einen kleinen einstelligen Euro-Betrag, aber über das Jahr wird sich diese neuerliche Abgabe für jeden Stromkunden summieren. Als Verbraucher ist man ja gern bereit, für einen guten Zweck etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Zurzeit fragt man sich indes, ob die Energiewende gelingt und das Geld wirklich gut angelegt ist?

Es scheint leider so, als seien die politischen Ziele für den Ausbau der Offshore-Windnutzung von 10 GW bis 2020 und 25 GW bis 2025 selbst im Best-Case-Szenario nicht mehr zu erreichen. Die Verzögerungen bei geplanten und im Bau befindlichen Projekten wirken sich zunehmend negativ auf Komponentenhersteller, Werften und alle anderen an der Wertschöpfungskette beteiligten Unternehmen aus – siehe etwa Siag oder Sietas.

Nun ist es keine Schande, dass bei einer Pioniertechnologie, wie es die Windkraft auf hoher See ist, nicht von Anfang an alles glatt geht. So stellte Siemens unlängst fest, dass die Konverterplattform »Sylwin alpha« rund 35 m tiefer im Meeresboden verankert werden muss als bislang erwartet worden war. Es dauert eben, bis die Windwirtschaft ihre Erfahrungen gemacht und die Abläufe soweit optimiert hat, dass man von einer »Industria­lisierung« sprechen kann. Aus Kostensicht muss diese freilich erfolgen – je eher desto besser.

Weniger verständlich als die Tücken der Technik ist allerdings das politische Geschacher um die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen der Offshore-Windkraft.Da werden die Verbraucher zunächst per Haftungsumlage stärker zur Kasse gebeten, bevor kurz darauf eine Strompreisbremse eingeführt werden soll. Da wird das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zunächst im Sinne der Offshore-Energiewirtschaft verbessert, bevor ein Teil der EEG-Förderung nun wieder zurückgeschraubt werden soll. EnBW hat daraufhin gedroht, alle geplanten Windprojekte auf den Prüfstand zu stellen. Und RWE stellt sich bereits die Frage, ob die Gel­der nicht besser in britische Windparks angelegt seien. »Die Risiken sind erheblich«, sagte RWE-Chef Peter Terium angesichts der Kos­ten für einen Windpark von einer Milliarde Euro und mehr.

Offenbar sind sich die an der Energiewende beteiligten Ministerien in Berlin untereinander selbst nicht grün: Die Ressorts Umwelt, Verkehr, Wirtschaft, Finanzen (und auch Landwirtschaft – Stichwort: Biokraftstoffe) kochen ihr eigenes Süppchen. Dabei gestaltet die Kanzlerin die von ihr nach Fukushima initiierte Wende nicht, sondern sie moderiert (mal wieder) nur. Viele Gipfeltreffen in Berlin, zuletzt Ende März, sind ergebnislos verpufft. Das schafft weder bei der Offshore-Industrie noch den Verbrauchern – gewerblichen wie privaten – Vertrauen.

Bedauerlich ist auch, dass aktuell die Kos­ten dieses historischen Projekts weit stärker betont werden als die Chancen. So droht die Energiewende, die von der Politik in ihrer Bedeutung anfangs in eine Reihe mit der deutschen Wiedervereinigung gestellt wurde, im Sande zu verlaufen.

Vor der Bundestagswahl im September wird es vermutlich keine Quantensprünge geben. Es bleibt zu hoffen, dass anschließend eine Koalition am Werk ist, die das Heft des Handelns wieder in die Hand nimmt.

Das Mindeste ist ein Energieminister, der die Energiewende mit seinen Ressortkollegen koordiniert und gemeinsam zum Erfolg bringt. Dann ist auch der Verbraucher gern bereit, seinen Teil zu einer sicheren und grüneren Energieerzeugung beizutragen.


Nikos Späth