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Verlässliche Wettervorhersagen bilden eine unverzichtbare Grundlage für die Routenplanung einer Seereise. beschreibt bestehende Softwaresysteme und stellt den Wetter-Layer zur ECDIS sowie das Tool MeteoPilot vor
An einem Ostersamstag früh morgens rief der Kapitän eines Schwergutschif­­fes mit Projektladung an Bord an und bat um Hilfe[ds_preview]: Er befände sich am Ausgang der Florida-Straße und plante – entlang des Golfstroms an Neufundland vorbei – auf der Großkreisroute über den Nordatlantik nach Europa zu fahren. Jedoch hatte der vom Charterer beauftragte Wetterrouting-Dienstleister ihm dringlich davon abgeraten, diese Route weiterzufahren, da sich Schwerwetter bei Neufundland aufbauen sollte. Auch das Onboard-Wetterroutingsystem zeigte für die folgende Woche Wellenhöhen von 15 m vor Neufundland an. Es wurde empfohlen, auf loxodromer Kurslinie weiter nach Nordosten zu fahren, um dem Schwerwetter südlich auszuweichen. Allerdings – und auch das zeigte sein System – hätte er in den Folgetagen auf der Ausweichroute einen Weststurm mit steiler Welle von bis zu 7 m kreuzen müssen. Vor solchen Problemstellungen steht jeder Nautiker bei der Reiseplanung.

Onboard-Wettersoftware bringt die Vorhersage direkt auf die Brücke und kann für die Routenplanung angewendet werden. Hierbei fließen die laufend zur Verfügung gestellten digitalen Seegangs- und Wettervorhersagedaten in die Berechnungen ein und der Nautiker bekommt das gewünschte Ergebnis: entweder Seegangs- und Strömungsprognosen, Routenoptimierung, die erwarteten Eigenbewegungen des Schiffes oder eine dezidierte ETA-Planung. Die Abläufe sind aufwendig und kompliziert. Umso wichtiger ist es, auf der Brücke oder im Routing-Office eine einfach zu bedienende Software zur Verfügung zu haben.

Um die Entscheidung für die sicherste Route im meteorologischen Sinne zu treffen, bedarf es zusätzlicher Software-Werkzeuge oder eines externen Supports. Die Möglichkeiten hierfür haben sich im vergangenen Jahrzehnt erheblich verbessert.

Die WetterWelt GmbH aus Kiel beispielsweise bietet die Software MeteoPilot an: Mit deren Hilfe kann der Kapitän schnell und übersichtliche Routen – basierend auf den aktuellen Wettervorhersagedaten – planen. Zudem können mit der neuesten ECDIS des Kie­ler Unternehmens Raytheon Anschütz Wetterdaten direkt auf der elektronischen Seekarte abgebildet werden.

Verschiedene Vorhersagemodelle

Die Unzuverlässigkeit von Wettervor­hersagen, also die Abweichung vom Ist-Zustand, wird immer wieder kritisiert. Für die meteorologische Routenplanung ist ein zuverlässiges Wettervorhersagemodell mit hoher Genauigkeit jedoch unabdingbar, da­zu zählt neben der bestmöglichen Erfassung der Wetterentwicklung auch eine große Konsis­tenz. Die Wetterentwicklung muss von Vorhersage zu Vorhersage in sich konsistent vorausberechnet werden und darf keine großen »Sprünge« aufweisen. Insbesondere das oft verwendete amerikanische globale Wettermodell birgt das Risiko, dass die Vorhersagen stark variieren oder nach wenigen Tagen nicht mehr stimmen, obwohl diese Modelldaten viermal täglich und bis zu 16 Tage in der Vorhersage angeboten werden. Abhilfe schafft die Verwendung anderer Vorhersagemodellen. Hiervon exis­tie­ren mehrere, die eine globale Abdeckung bieten. Alle Modelle rechnen unterschiedlich, was sich direkt auf die Vorhersagedaten auswirkt.

Im einführenden Beispiel war die Planung der Route nur eingeschränkt möglich, eine Abwägung der Situation war notwendig. Hier half die Erfahrung, dass die Vorhersagen vom amerikanischen Wettermodell, die in der Regel – wie im vorliegenden Fall – von amerikanischen Wetterrouting-Dienstleistern benutzt werden, zu größeren Schwankungen in der Mittelfrist neigen, also gerade im Zeitraum ab dem fünften Vorhersagetag an Vertrauenswürdigkeit verlieren. Entsprechend war die Wahrscheinlichkeit gering, dass das Schwerwetter vor Neufundland genauso wie abgebildet stattfinden würde. Eine Route dichter unter der US-Ostküste hätte zudem Schutz gegen Weststurm und hohe See an den Folgetagen geboten – auch für den Fall, dass das Schiff doch in Schwerwetter vor Neufundland gekommen wäre. Dagegen stand das riskante Durchfahren des Weststurms mit der hohen, steilen See von Backbord entlang der empfohlenen Nordost-Route auf dem offenen Nordatlantik.

Eine Alternative kann die Kombination von diversen Vorhersagemodellen sein, um alle Szenarien an eine mittlere Vorhersage anzupassen. Das vermindert aber wiederum das frühzeitige Erkennen von extremen Wetterereignissen in fernerer Zukunft. Die WetterWelt nutzt aus diesem Grund beim MeteoPilot das – insbesondere für den Nordatlantik und Europa – beste Vorhersa­ge­modell des Europäischen Zentrums für mittelfristige Vorhersage. Es ist sehr stabil, wodurch das Risiko gering ist, dass eine anfängliche Routenplanung während der Reise wiederholt korrigiert oder der Streckenverlauf stark verändert werden muss bzw. man schlimmstenfalls in gefährlichen Situationen »eingefangen« wird. Neben Wetterdaten in unterschiedlicher räumlicher und zeitlicher Auflösung stehen hochaufgelöste Strömungsdaten zur Verfügung.

Die »optimale« Route

Einige Onboard-Wetterrouting-Software­produkte bieten Optimierungstools, mit de­­nen auf Knopfdruck die »optimale« Route basierend auf der aktuellen Wettervorhersage berechnet wird. Dabei kann der Anwender oft nicht nachvollziehen, warum die berechnete optimale Route angeboten wird und wie optimal diese tatsächlich ist. Bei jeder neuen Wettervorhersage könnte die optimale Route anders aussehen, dabei werden eher unpraktische Routen berechnet, die mit Augenmaß »glattgebügelt« werden müssen. Am Ende muss der Nautiker abgleichen, ob seine eigene Planung mit der berechneten »optimalen« Route im Einklang steht, und daraufhin die Entscheidung treffen, ob er diesem Vorschlag folgt.

Der MeteoPilot bietet einfach und unmissverständlich die Möglichkeit einer meteorologischen Routenoptimierung. Hierzu ist die Software so entwickelt worden, dass einerseits bestmögliche Wetterdaten wie Wind, Wellen, Wetter und Strömung übersichtlich dargestellt werden, andererseits auf dieser Datenbasis eigenständig eine meteorologisch optimierte Route ausgearbeitet werden kann. Durch Verschieben von Wegpunkten ist das Vorankommen des Schiffes hin zu einem bestimmten Zeitpunkt sofort erkennbar und zu bewerten. So wird die Effizienz des Umfahrens eines Schlechtwettergebietes oder die Ausnutzung günstiger Strömungen direkt sichtbar, u.a. auch in der ETA-Berechnung.

Wetterdaten auf der ECDIS

Eine Überlagerung der Seekarte mit Wettervorhersagedaten ermöglicht die einfache Planung und Anpassung einer Route unter Berücksichtigung von Sicherheit, Reisekomfort und Treibstoffverbrauch. Überschreiten einzelne Parameter voreingestellte Limits, werden die Werte zudem grafisch als Warnungen hervorgehoben.

Raytheon Anschütz hat einen vollständig integrierten Wetter-Layer entwickelt, mittels dessen See- und Wetterkarten auf einem Display kombiniert werden können. Diese Funktion steht auch für die neue Retrofit-Lösung »ECDIS 24« zur Verfügung.

Die ECDIS liest die vollständigen Wet­terdaten über Standard-GRIB-Dateien ein. Diese stehen zum Beispiel über den WetterWelt-Datenserver für alle Seegebiete weltweit zur Verfügung. Diese können als komprimierte Datenpakete (d.h. Kostenersparnis durch klei­ne Datenmengen) abonniert werden. Dabei ste­hen Daten in unterschiedlichen zeitli­chen und räumlichen Auflösungen zur Verfügung. Die Daten können per Download via Internet, E-Mail oder USB-Stick direkt in die ECDIS eingelesen werden.

»Externe Wetterroutings müssen mehr leisten als das bloße Abarbeiten einer numerischen

Optimierung«

Ein ganz wichtiger Aspekt bei der Routenplanung ist das Vertrauen des Nautikers in die Wettervorhersage, auf der seine Planung beruht. In besonderem Maße gilt das für externe Routings. Im einführenden Beispiel endete die Situation damit, dass das Schiff die ursprüngliche, kürzeste Route entlang der US-Ostküste weiterfuhr, so Sturm und steile See von Backbord vermied und sich zunächst keiner kritischen Situation aussetzte. Das vorhergesagte Schwerwetter vor Neufundland fand tatsächlich nur in abgeschwäch­ter Form statt: Ein kleinräumiges Sturmtief zog rasch wieder ab und das Schiff konnte dahinter bei gutem Wetter auf Großkreis-­Distanz nach Europa gelangen. Die Entscheidung für diese Option fiel nicht auf Basis eines Optimierungsalgorithmus. Dieser hätte nicht die entsprechende Entscheidungsgrundlage liefern können – aus dem einfachen Grund der fehlenden Konsistenz des Wettervorhersagemodells. Externe Wetterroutings müssen mehr leisten als das bloße Abarbeiten einer numerischen Optimierung. Wetterdienstleis­ter bieten solche Monitoring- und Routing-Dienstleistungen an, wobei die WetterWelt-Meteorologen jede Situation auf Basis unterschiedlicher Wettermodelle analysieren und einschätzen und Routings und Beratungen anfertigen, die die vielen in Betracht kommenden Einflussfaktoren jenseits der aktuellen Wettervorhersage miteinbeziehen.

Es ist in der Schifffahrt üblich, dass Wetterrouting-Provider von Charterern ein­gesetzt werden, hauptsächlich um die aktuelle Schiffsperformance mit der theoretisch möglichen abzugleichen. Daraus werden unter Umständen Claims abgeleitet, was an sich sinnvoll ist. In den Hintergrund tritt dann aber der eigentliche Wert des externen Supports – nämlich dem Kapitän über das Routing einen vernünftigen Entscheidungs-Support in der Routenplanung zu bieten, verlässliche Aussagen über die Wetterentwicklung zu treffen und vor allem für eine bestmögliche Gesamtperformance der Reise bezüglich Sicherheit, Effizienz und Scho­nung von Mensch und Material zu sorgen. Dass meteorologische Routenplanung ebenfalls für die Energieeffizienz im Rahmen

des Umweltschutzes in Betracht kommt, ist spätestens mit Inkrafttreten der MARPOL-Vorschrift zur Umsetzung eines Ship Energy Efficiency Management Plans (SEEMP) Anfang 2013 offensichtlich.

Mit dem MeteoPilot oder der ECDIS von Raytheon Anschütz ist es möglich, jederzeit die aktuellsten Wettervorhersagedaten für die nächsten zehn Tage weltweit an Bord zu bekommen. Via Internet kön­nen auch individuelle Seegebiete ohne großen Aufwand abgefragt werden. Die Darstellung und das Routenplanungstool ermöglichen nicht nur das Erkennen und Umfahren von Schlechtwettergebieten, sondern beispielsweise auch das Ausnutzen von Strömungen, um bei reduzierter Geschwindigkeit das ETA beizubehalten.

Die persönliche Routenberatung mit der Expertise erfahrener Meteorologen bietet eine Entscheidungshilfe für die Routenplanung. Dabei kann es sich sowohl um die strategische Planung einer transozeanischen Reise handeln als auch um kurzfristige Routenanpassungen im Zusammenhang mit kleinräumigen Wettergebieten und Strömungen. Selbst bei kurzen, küstennahen Reisen in Gewässern kann das Ausnutzen von Gezeitenströmungen oder eine kleinräumige Routenanpassung die Reiseper­formance erheblich verbessern und somit einen Beitrag zur Umsetzung des SEEMP liefern. Auch Schäden durch kurzfristige extreme Ereignisse wie etwa Mistral und Bora können so verhindert werden.


Dipl.-Meteorologe Sven Taxwedel