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Fertigfahrzeuge und Autoteile bleiben ein Wachstumsmarkt. Aber das Geschäft spielt sich zunehmend abseits der traditionellen Routen ab.
Vorbei sind die Zeiten, in denen sich die globalen Fertigfahrzeugströme auf Fern­ost, Westeuropa und die USA konzen­trierten. Jahr[ds_preview] für Jahr werden immer mehr Autos in die neuen Märkte in Osteuropa, Asien und Lateinamerika geliefert bzw. von dort exportiert. Auch Teilelieferungen im Seecontainer oder Trailer finden zuneh­mend auf neuen Routen zu neuen Märkten statt. Dieser Trend dürfte sich in den kommenden Jahren weiter verstärken und Linienree­de­reien wie Kontraktlogistiker vor Her­aus­forderungen stellen, wie Branchenvertre­ter und Analysten auf der Konferenz Automotive Logistics Europe in Bonn prophezeiten.

Wie rasch sich die Kluft zwischen Industriestaaten und Schwellenländern in Bezug auf Produktionsmengen und Logistikbedarfe schließt, unterstreicht die US-Beratungsfirma IHS Automotive Consulting in ihrer Prognose. Sie geht davon aus, dass die Pkw-Fertigung in den Schwellen- und Entwicklungsländern in den nächsten Jahren um durchschnittlich 6 % pro Jahr zulegen wird, gegenüber lediglich 1,6 % in den »entwickelten« Märkten Nordamerikas, Japans und Europas. Von großer Bedeutung für Transport- und Logistikdienstleister seien die zu erwartenden »Exporte zurück in Hochkos­tenländer«, sagte Michael Robinet, Geschäftsführer der IHS Automotive Consulting. Deutliche Zuwächse bei den Ausfuhren von Fertigfahrzeugen erwartet Robinet in Ländern wie Mexiko, Indien und Thailand, die ihre Position unter den Top-Ten-Exporteuren in den nächsten Jahren festigen würden. »Mexiko ist heute der heißeste Standort für die Automobilproduktion und stellt aus der Wachstumspers­pektive sogar China in den Schatten«, so Robinet. Europäische und US-Hersteller haben ihre Produktion in dem Land stark ausgebaut, um per Schiff und per Schiene die USA und andere Überseemärkte zu bedienen.

Der Transportbedarf überfordere bereits einzelne Verkehrsträger. So müssten immer mehr Fahrzeugumfänge per RoRo-Schiff von den mexikanischen Häfen zur Ost- und Westküste der USA transportiert werden, weil die Güterbahnoperateure mit den Kapazitätsbedarfen nicht mehr mitkämen, meinte Robinet. Andererseits verwandele sich der Riesenmarkt USA selbst immer mehr zum Exporteur für die gesamte Welt, weil die dort neu geschaffenen Montagewerke mit inländischen Aufträgen allein nicht ausgelastet werden könnten.

Andernorts zwingt die Krise Autohersteller zum verstärkten Export. Beispiel Spa­nien: Aufgrund des Kaufkraftrückgangs in der Bevölkerung waren die dort ansässigen Hersteller im vergangenen Jahr gezwungen, über 1,7 Mio. Fahrzeuge ins Ausland zu verkaufen, nur ein Viertel wurde importiert.

»Bei dem derzeitigen Marktumfeld müssen wir uns auf den Export fokussieren«, erklärte Manuel Medina Burrul, Logistik­manager der VW-Tochter Seat. Angesichts der Unpaarigkeit von Im- und Export »ist es aber sehr schwer, die benötigten Kapazitäten für den Export zu bekommen«, klagte Burrul.

Ob Seeschiff (Pure Car & Truck Carrier), Lkw oder Eisenbahn: Um Ladung in Spanien aufzunehmen, sind häufig teure Leerfahrten erforderlich, welche die Kosten hochtreiben. Burrul sprach von Kostensteigerungen von 10 % in der Fertigfahrzeuglogistik im ver­gangenen Jahr – nur bedingt durch die sich zuspitzenden Unpaarigkeiten. Der Manager wünscht sich mehr Schienentransportlösun­gen, weil die Eisenbahn als Massentransportmittel auf längeren innereuropäischen Routen deutlich wettbewerbsfähiger als der Lkw sei. »Das Problem ist, dass es bislang gar keine grenzüberschreitenden Verkehre gibt. In Ost–West-Richtung haben wir die Schienenverkehre, aber nicht in Nord-Süd-Richtung«, sagte Burrul.

Etwas entspannter schätzen Experten die Kapazitätslage für den Teileversand in der Inbound-Logistik (Materialverkehr zu den Montagewerken) ein. Wegen des Überhangs an Container-Equipment in Europa gibt es für den steigenden interkontinentalen Versand von Komponenten aus europäischer Fertigung keine so dramatischen Engpässe.

Obwohl die Autohersteller ihre Produk­tion und Wertschöpfungsketten in Übersee zunehmend lokalisieren, nähmen die Anforderungen an Spediteure und Verschiffungsdienstleister weiter zu, meint Dr. Jens Moeller, Senior Vice President Automotive bei der Spedition UTi Worldwide. Selbst wenn sich Lieferanten ersten Ranges direkt bei den neuen OEM-Werken in Schwellenländern ansiedeln, bräuchten selbige immer noch Vorlieferungen aus Übersee, um ihre Produktion zu versorgen.

Bert Bong, Manager für Materialfluss und Supply Chain bei Ford in Europa, bestätigt, dass der interkontinentale Teileversand über Export-Distributionszentren aus Europa »ein riesiges, wachsendes Geschäft« sei. Komponenten wie Getriebe und Motoren würden in großen Mengen weiterhin zu den Überseewerken verschifft, anstatt vor Ort beschafft zu werden, sagte Bong.

Um die kritischen Lieferungen für die Versorgung von Überseewerken abzusichern, tun Automotive-Verlader auf jeden Fall gut daran, enger mit ihren wichtigsten Linienreedereien zusammenzuarbeiten. Darauf wies Martin Dixon, Business Development Manager der Beratungsfirma Drewry in London, hin. Nach Jahren der Schifffahrtskrise und stark schwankenden Frachtraten seien zahlreiche Carrier finanziell ausgezehrt. Die Autokonzerne könnten die Linien dabei unterstützen, ihre Netzwerke aufrechtzuerhalten, indem sie ihnen stabile Ladungsmengen garantieren, statt Spotgeschäft an andere, vermeintlich billigere Anbieter zu vergeben. »Sie sollten sehr genau darauf achten«, sagte Dixon, »wie sie ihre Geschäfts­beziehung zu den Carriern managen.«

Weitere Kosteneinsparungen in der Seefracht seien dieses Jahr unrealistisch, weil die Linien das heutige Niveau nicht langfris­tig durchhalten könnten. Bei Drewry geht man davon aus, dass die durchschnittlichen Containerraten auf den Ost–West-Routen dieses Jahr leicht (2 %) steigen werden.