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Die Neptun Werft hat dank des Flottenwachstums von Viking River Cruises ein volles Auftragsbuch bis ins Jahr 2014 hinein. Warum das Unternehmen auch andere Segmente des Spezialschiffbaus in den Fokus nimmt und alle Abläufe auf Effizienz trimmen will, berichtet Neptun-Geschäftsführer Manfred Müller-Fahrenholz im Interview
Herr Müller-Fahrenholz, jüngst konnten Sie eine Mega-Taufe miteleben, mit zehn Viking-Flusskreuzfahrtschiffen von Ihrer Werft. Das sorgt[ds_preview] doch sicher für Stolz und Spaß?

Manfred Müller-Fahrenholz: Solche Ereignisse machen natürlich Spaß. Wann tauft man schon mal so viele Schiffe gleichzeitig? Es passiert ja nicht alle Tage, dass es einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde gibt.

Haben Sie denn Hoffnung, dass sich solche Ereignisse noch oft wiederholen könnten?

Müller-Fahrenholz: Nächstes Jahr werden es wahrscheinlich sogar zwölf Schiffe … Der Termin in Amsterdam steht schon fest. Alles Weitere muss man sehen.

Aber Sie haben doch sicher mit Viking darüber gesprochen, ob es nach der aktuellen Auftragsserie weitergeht?

Müller-Fahrenholz: Natürlich. Wir sind in konkreten Gesprächen. Denn die Passagierzahlen in den USA entwickeln sich sehr positiv, auch bei den Wettbewerbern. Viking ist für Flusskreuzfahrten auf dem US-Markt ein Vorreiter, ähnlich wie es A-Rosa ab dem Jahr 2000 für den deutschen Markt war. Es gibt ja auch noch andere Flüsse, die bereist werden könnten. Wir sind also ganz optimistisch, auch wenn vermutlich nicht mehr solche großen Stückzahlen wie zuletzt bestellt werden.

Für wie lange reicht denn der aktuelle Auftragsbestand noch?

Müller-Fahrenholz: Bis ins Jahr 2014 hinein, wir liefern jetzt alle fünf Wochen ein Schiff ab. Dass das geht, hätten wir uns vor zehn, zwölf Jahren auch nicht träumen lassen. Aber um den Liefervorstellungen von Viking zu entsprechen, haben wir den Bau des Forschungsschiffes »Sonne« und die zuletzt bestellten vier Viking-Flussschiffe an unser Mutterunternehmen, die Meyer Werft, abgegeben. Dort sind nach der Ablieferung der »Aida Stella« Bauplätze vorhanden. Durch eine sinnvolle Arbeitsteilung konnten wir diese weiteren Aufträge annehmen.

Aber Sie müssen sich heute schon um Anschlussaufträge kümmern?

Müller-Fahrenholz: Genauso ist es.

Der deutsche Schiffbau insgesamt darbt, die Neptun Werft steht dagegen momentan glänzend da. Haben Sie zur rechten Zeit die richtige Nische besetzt?

Müller-Fahrenholz: Ich werde immer wieder mal gefragt, ob bei uns auch Krise ist. Nein, sage ich dann, wir haben keine Krise, und wir wollen auch nicht mehr hinein­geraten. Generell haben wir sehr früh auf den Spezialschiffbau gesetzt, so wie es die Meyer Werft seit eh und je tut. Wir können auf dem Markt nur überleben, wenn wir Dinge machen, die es nicht rechts und links des Weges schon lange gibt. Man sieht doch, dass die deutschen Werften im Serienschiffbau gegen die vornehmlich asiatische Konkurrenz kaum mehr bestehen können.

Dazu kam, dass wir von Neptun damals ohnehin durch EU-Vorgaben vom Seeschiffbau ausgeschlossen waren. So sind wir zum Spezialschiffbau und zu den Binnenschiffen gekommen und haben uns diese gute Position erarbeitet.

Werden Sie sich weiter auf den Bau von Flusskreuzfahrtschiffen konzentrieren?

Müller-Fahrenholz: Definitiv bleibt das ein Schwerpunkt. Aber man kann den Bogen sehr viel weiter spannen – zur Passagierbeförderung im weitesten Sinne. Das können Fähren sein oder künftig vielleicht auch Offshore-Schiffe. Wir haben zusammen mit der Meyer Werft immer schon Gastanker gebaut, inzwischen sind es neun Stück. Zuletzt haben wir mit der »Coral Energy« ein sehr innovatives und technisch anspruchsvolles Schiff abgeliefert, das LNG transportiert und dieses Gas auch als Kraftstoff verwendet. In diesen Segmenten des Spezialschiffbaus sehen wir unsere Zukunft.

Stichwort Offshore – gibt es bereits konkrete Projekte?

Müller-Fahrenholz: Hier führen wir diverse Gespräche in unterschiedliche Richtungen. Auch Offshore-Versorgungsschiffe befördern letztlich Passagiere.

Was sind denn mit Blick auf die Schiffstechnik die Themen der nächsten Jahre?

Müller-Fahrenholz: Die wichtigsten The­men bleiben der Energiebedarf und -einsparungen, sei es nun über Landstrom oder über eine autarke Versorgung. Das Problem in der Binnenschifffahrt ist zum Teil noch viel drängender, weil die Schiffe in der Regel inmitten der wunderschönen Innenstädte liegen. Da sind wir sehr intensiv dabei, welche Brennstoffe künftig Verwendung finden können. Das kann LNG sein, das könnte aber auch eine innovative Technologie wie die Brennstoffzelle werden. Es geht darum, im Nachtbetrieb den nöti-

gen Leistungsbedarf abzudecken, ohne viel Lärm oder Schadstoffausstoß zu pro­duzie­ren. Das Ganze muss natürlich wirtschaftlich sein. Wir arbeiten mit der Meyer Werft intensiv an Konzepten, wie die verschiede­nen Herausforderungen zu meistern sind. Auch bei Themen wie zum Beispiel Energieeinsparung, innovativen Antrieben, Gewichts- und Treibstoffeinsparungen, Oberflächenbeschaffenheit und, und, und …

Wie strikt sind denn die Vorgaben des Kunden oder wie sehr verlassen sich die Auftraggeber auf das Know-how und die Vorschläge der Werft?

Müller-Fahrenholz: Das ist durchaus sehr unterschiedlich – wobei uns bei den Flusskreuzfahrtschiffen durch die Fahrt­gebiete von vornherein Grenzen im Design gesetzt sind. Vorgegebene Parameter wie Schleusenlängen und -breiten, maximal möglicher Tiefgang und Brückendurchfahrtsmaße bestimmen die Maße der Schif­fe, die von Amsterdam bis zum Schwarzen Meer fahren. Anders wäre es bei einem rei­nen Donau- oder Rheinschiff.

Innerhalb dieses Rahmens gibt es dann ganz unterschiedliche Philosophien und Ideen, vor allem was Ausstattung und Innendesign angeht. Bei Viking haben wir anfangs gemeinsam sehr viel konzipiert und auch mal »um die Ecke gedacht«. Das macht sehr viel Spaß. Ein Ergebnis war unter anderem das sehr markante, eckige Vorschiff, das mehr Platz für Decksfläche und Kabinen und eine Aussichtslounge samt Wintergarten bietet.

Sie bauen vorerst, bis Anfang kommenden Jahres, ausschließlich Viking-Schiffe, sind – abgesehen von einem Schiff für A-Rosa im kommenden Jahr – so etwas wie Hauswerft für diesen Veranstalter geworden. Sie sprechen doch bestimmt aber noch mit anderen Kunden?

Müller-Fahrenholz: Natürlich. Nicht nur mit A-Rosa, für die wir bereits zehn Schiffe gebaut haben und für die es sicher weitere Neubauten geben wird. Wir hoffen, dass wir auch andere Kunden überzeugen können.

Sie bleiben also optimistisch?

Müller-Fahrenholz: Der Markt wird sich weiter gut entwickeln, auch wenn es vergangenes Jahr nicht mehr die hohen Wachstumszahlen gegeben hat. Vielleicht tut eine solche »Verschnaufpause« bzw. Konsolidierung ganz gut, um nachhaltig zu wachsen.

Neue Konzepte könnten wiederum einen Bedarf an neuen Schiffen hervorrufen …

Müller-Fahrenholz: Zum Beispiel. Ich könnte mir vorstellen, dass es einen Auftrag für Schiffe für spezielle Fahrtgebiete geben könnte. Dazu hat es schon erste Gespräche gegeben.

Wie viele Gespräche sind denn bis zu einem erfolgreichen Abschluss nötig?

Müller-Fahrenholz: Das ist unterschiedlich. Es kann schnell gehen, aber auch eine kleine Ewigkeit dauern. Viking kennen wir seit zehn, zwölf Jahren, haben immer wieder miteinander gesprochen, sind aber lange nicht zusammengekommen. Plötzlich hatten wir dann einen gemeinsamen Nenner.

Regelt sich im Schiffbau am Ende nicht vieles oder sogar alles über den Preis?

Müller-Fahrenholz: Der Preis ist immer ein wichtiger Faktor. Es zählen aber auch Termintreue, Qualität und Service, da sehen wir durchaus unsere Stärken. Aber am Ende sind schon die Kosten entscheidend.

Gibt es denn einen fairen Wettbewerb im Binnenschiffbau oder einen ähnlich harten Kampf wie bei den Seeschiffswerften?

Müller-Fahrenholz: Zu den Rahmenbedingungen gehören immer Finanzierungsbedingungen. Auch bei Flussschiffen erleben wir, dass andere Werften Konditionen anbieten können, die wir selbst gern hätten. Ob und inwieweit in anderen Ländern wie in den Niederlanden, Italien oder Frankreich lenkend eingegriffen wird, können wir nur vermuten. Aber es wird schon mit harten Bandagen gekämpft.

Wie wehren Sie sich dagegen?

Müller-Fahrenholz: Indem wir unsere Banken, Lieferanten sowie den Bund und die Länder für diese Probleme sensibilisieren. Wir sind permanent im Gespräch.

Wünschen Sie sich mehr staatliche Hilfe in Deutschland?

Müller-Fahrenholz: Wenn der Kunde nicht zu uns kommt, dann liegt das nicht an der Technik oder dem direkten Preis, sondern in der Regel an den Rahmenbedingungen. Wir arbeiten daran, dass sich daran etwas verbessert. Dafür müssen wir Überzeugungsarbeit leisten, immer und immer wieder. Neptun bietet immerhin 500 Arbeitsplätze, darunter für 50 Auszubildende, denen wir eine Zukunft geben. Dazu kommt mindestens noch die gleiche Zahl an Jobs bei den Partnerunternehmen, vielfach aus der Region Rostock. Meyer Werft und Neptun Werft gemeinsam beschäftigen insgesamt rund 25.000 Leute – deutschlandweit. Unterstützung wäre da nicht falsch.

Von der Meyer Werft ist ein 50-Millionen-Euro-Sparpaket bekannt. Gibt es so etwas auch bei Neptun?

Müller-Fahrenholz: Schon seit vier Jahren lassen wir keinen Stein auf dem anderen. Wir wollen mit unseren Mitarbeitern zusammen – das ist dabei ganz wichtig – die Produktivität in allen Arbeitsabläufen steigern. Ein guter Schlosser soll nicht Zeit verlieren, weil er ständig Teile suchen muss.

Da gibt es noch viel Potenzial, es lässt sich eine Menge bewegen. Wir haben aber auch schon viel geschafft, sonst wären wir heute nicht in der Lage, zehn Schiffe im Jahr in einer Art Fließfertigung zu bauen. Und weil das gleichzeitig die Kosten senkt, bleiben wir wettbewerbsfähig.

Lässt sich das Sparziel in Geld beziffern?

Müller-Fahrenholz: Konkrete Zahlen nennen wir nicht, aber es handelt sich schon um eine siebenstellige Summe. Wir müssen jetzt handeln, um nicht doch noch in eine Krise zu geraten. Es gehören aber auch Investitionen in Technik und Menschen dazu. In diesem Jahr investieren wir in unsere Schweißtechnik, wir bauen bis Mitte des Jahres ein neues Werkstattgebäude – und wir stellen neue Leute ein. Allein im vergangenen Jahr haben wir das Personal um 15 % aufgestockt, um auch künftig gute Fachleute zu haben und unsere Chancen nutzen zu können.

Krischan Förster