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Seit Beginn der Wirtschaftskrise sind bereits acht Werften, die vor allem konventionelle

Handelsschiffe gefertigt haben, vom Markt verschwunden. Eine Studie bescheinigt der Branche dennoch gute Chancen – wenn sie auf Innovationen und Spezialschiffbau setzt
Noch im Jahr 2007 gingen bei Seeschiffs­werften rund 70 Neubauaufträge im Wert von fast 5 Mrd. € ein. Dann kam[ds_preview] die Finanz-, Wirtschafts- und Schifffahrtskrise. Der Containerschiffbau, einst eine Domäne des deutschen Schiffbaus, kam völlig zum Erliegen. Im vergangenen Jahr gab es lediglich noch zehn neue Aufträge.

Acht Werften sowie eine Reihe von Zulieferbetrieben rutschten in die Insolvenz oder sind inzwi­schen ganz aus dem Markt ausgeschieden. Zuletzt traf es bekanntlich die P + S Werften in Stralsund und Wolgast sowie Sietas in Hamburg. »Die Krise hat viel Substanz gekostet«, heißt es in einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesell­schaft PricewaterhouseCoopers (PwC), die im Auftrag der fünf deutschen Küstenländer und des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) erstellt wurde. Es ist der schlimmste Einbruch der Nachkriegsgeschichte. War in den 1970er-Jahren während der Öl-Krise ein weltweiter Rückgang in den Orderbüchern um 60 Mio. gt zu verzeichnen, lag das Minus zwischen 2008 und 2012 durch den »Double Dip« bei insgesamt 185 Mio. gt. Die gute Nachricht: Die deutschen Unternehmen wirtschaften trotz massiver Nachfrage- und Preiseinbrüche überwiegend profitabel und verfügen über eine gute Bonität. So liege das Kreditausfallrisiko bei den meisten Unternehmen weit unter 3 %. »Der Schiffbau ist besser als sein Ruf«, weiß PwC-Experte Holger Jandke. Ein Beleg: Trotz der geringen Zahl an Bestellungen hat sich das Auftrags­volumen positiv vom Konjunktureinbruch abgekoppelt. Die zehn georderten Seeschiffe von 2012 entsprechen einem Gegenwert von knapp 3,2 Mrd. €. Auch heute noch erfolgreich seien Werften, die rechtzeitig auf den Spezialschiffbau gesetzt hätten und innovative Produkte anbieten könnten, so Jandke. Wenn es um Kreuzfahrtschiffe (Meyer Neptun Gruppe), RoRo-Fähren (FSG), Super­yachten (Lürssen, Abeking & Rasmussen) oder Behördenschiffe (Fassmer) gehe, seien deutsche Werften weltweit weiter führend. Der Druck aber lässt kaum nach.

Der VSM-Vorsitzende Harald Fassmer, Chef der gleichnamigen Werft in Berne an der Weser, verweist auf die Überkapazitäten von 50 % im globalen Schiffbau. »Die Situation ist brutal«, sagt er. Es koste Zeit und Geld, die Betriebe von der Serien- auf Einzelfertigung umzustellen, teilweise müssten Projekt- und Konstruktionsabteilungen erst aufgebaut werden. Der Aufwand für Spezialschiffe sei schließlich bis zu zehn Mal höher als bei Standardschiffen. Unternehmen wie den einst ebenfalls insolventen Nordic Yards, die heute Konverterplattformen bauen, oder der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft mit Fähren sei der Wandel gelungen.

Andere Unternehmen dagegen hätten die Wende vom Fracht- zum Spezialschiffbau zu spät vollzogen. Bestes Beispiel: die P + S Werften. Zwei von Scandlines bestellte Ostseefähren, die eigentlich im Sommer 2012 in Dienst gestellt werden sollten, überschritten wegen ihres zu hohen Eigengewichts den maximalen Tiefgang und wurden vom Auftragnehmer nicht abgenommen. Das Unternehmen mit dem Doppelstandort Stralsund und Wolgast musste in die Insolvenz. Während die Peene-Werft von Lürssen übernommen wurde, wird für die Stralsun­der Volkswerft weiter nach einem Investor gesucht. »Die Anlagen und die Mitarbeiter sind top«, betont Fassmer. Er sei sicher, dass alle heute noch bestehenden Werftkapazitäten ausgelastet werden könnten.

Gute Chancen sehen Branchenexperten vor allem im Offshore-Sektor bei der Energiegewinnung mit Wind, Öl und Gas. Rund 800 Schiffe seien hier in der jüngeren Vergangenheit weltweit bestellt worden, »aber gerade einmal eine Handvoll davon in Deutschland«, beklagt Heino Bade, Schiffbau-Experte der Gewerkschaft IG Metall. »Das hätten deutlich mehr sein müssen.«

Ein Schlüsselrolle spielen dabei Finanzierungsprobleme. Den Banken fehlt derzeit das Vertrauen in den deutschen Schiffbau. Angesichts der in der Krise erlassenen strengen Regularien (Basel III), die unter anderem eine höhere Eigenkapitalquote und eine Bereinigung der Bilanzen von den Geldinstituten verlangen, scheuen sie das Risiko einer Kreditvergabe oder ziehen sich ganz aus dem Schifffahrtsgeschäft zurück. Jandke: »Wir sehen deshalb einen erheblichen Handlungsbedarf aufseiten der öffentlichen Hand.« Eine stärkere Unterstützung sei nötig, um den Werften mehr Spielraum zu geben. Als Beispiele nannte Jandke eine bessere Kreditabsicherung oder auch Kreditvergaben durch Bund und Länder.

Heftige Kritik an der Regierung übte Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD). Die Krise hinterlasse tiefe Spuren in der maritimen Wirtschaft, ohne dass Berlin angemessen reagiere. Notwendig sei eine Strategie für den ganzen Sektor, der für rund 400.000 Arbeitsplätze und einen jährlichen Umsatz von mehr als 54 Mrd. € sorge. Dazu zählt auch die Zulieferindustrie, die auf einen Umsatz von ca. 11 Mrd. € kommt.