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Mit der Bestimmung des sogenannten Erstjahres als dem Jahr des Abschlusses

des Bauvertrags folgt das Finanzgericht Hamburg unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung nunmehr der Ansicht der Finanzverwaltung.
In dem vorliegenden Fall geht es um eine Einschiffsgesellschaft (im Folgenden: Reederei). Die Beteiligten des Rechtsstreits vor dem Finanz­gericht[ds_preview] Hamburg (Az. 6 K 8/11) stritten, ob der Gewinn für das Jahr 2005 nach der Tonnagesteuerregelung zu ermitteln war. Die Reederei hatte am 30.8.2001 den Bauvertrag zum Bau eines Seehandelsschiffs von einer anderen Reederei übernommen. Sie hatte den Antrag auf Tonnagegewinn­ermittlung am 20.12.2004 für das Jahr 2004 nach Auslieferung des Schiffs im Oktober 2004 – also im Jahr der Herstellung – gestellt. Im gleichen Jahr hatte sie einen Time-Charter-Vertrag abgeschlossen und das Handelsschiff in der für die Tonnagegewinnermittlung geforderten qualifizierten Art und Weise eingesetzt.

Nach der in den Jahren 2001 bis 2005 geltenden Fassung der streitigen Bestim­mung konnte der Antrag auf Anwendung der Tonnagegewinnermittlung mit Wirkung ab dem jeweiligen Wirtschaftsjahr bis zum Ende des zweiten Wirtschaftsjahres gestellt werden, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem der Steuerpflichtige durch den Gewerbebetrieb erstmals Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erzielt (Erstjahr).

Das Finanzamt vertrat nun die Ansicht, dass das Erstjahr das Jahr 2001, also das Jahr der Übernahme des Bauvertrags gewesen sei, weshalb der Antrag auf Tonnagegewinn­ermittlung spätestens am 31.12.2003 hätte gestellt werden müssen. Die Reederei stellte sich demgegenüber auf den Standpunkt, dass das Erstjahr das Jahr 2004, also das Jahr der Infahrtsetzung, gewesen sei. Das Finanzgericht Hamburg folgte unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung der Sicht der Finanzverwaltung. Der Antrag der Reederei vom 20.12.2004 auf Anwendung der Tonnagegewinnermittlung sei nicht rechtzeitig gestellt worden. Die Frist begann im Jahr 2001 und lief zum 31.12.2003 ab. Die Tätigkeit der Reederei im Jahr 2001 stellt mit der Übernahme des Bauvertrages ein Hilfsgeschäft dar. Die Klägerin erzielte demnach 2001 Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr. Letzteres gilt, obwohl die Reederei am 05.01.2004 einen Time-Charter-Vertrag abgeschlossen und nach Auslieferung des Schiffs erst im Oktober 2004 dieses als Handelsschiff im internationalen Verkehr betrieben hatte und damit erstmalig ein Hauptgeschäft im Sinne der Vorschrift über die Tonnagegewinnermittlung durchgeführt wurde, sodass die Voraussetzungen für die Tonnagebesteuerung vorlagen.

Anmerkung: Das Finanzgericht Hamburg hatte früher entschieden – die HANSA berichtete –, dass das »Erstjahr« das Jahr ist, in dem das Schiff erstmals überwiegend in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen ist und in dem das Schiff – tatsächlich – überwiegend zur Beförderung von Personen oder Gütern im internationalen Verkehr eingesetzt wird; allein der Abschluss eines Schiffsbauvertrags führe noch nicht zum Anlaufen der Antragsfrist. Diese Rechtsprechung wurde nun aufgegeben. Beide Entscheidungen liegen dem Bundesfinanzhof vor. Der hat nun die Qual der Wahl. Der Fortgang des Rechtsstreits betrifft nicht nur vergangene Jahre. Er dürfte auch Auswirkungen auf die aktuell geltende Vorschrift haben, nach der bekanntlich der Antrag auf Tonnage­gewinnermittlung im Jahr der Infahrtsetzung gestellt werden muss und die vorangegangenen Jahre »auf null« gestellt werden (vgl. HANSA 9/2010, S. 108).

Klaus Voß