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Im Interview mit der HANSA spricht Sven Noack, Geschäftsführer und Leiter der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt Nord (SLV Nord), über Schweißverfahren im Schiffbau und die sich ändernde Ausbildung 
HANSA: Herr Noack, es gibt verschiedene Schweißtechniken. Welche davon kommen im maritimen Bereich zum Einsatz? 

Sven Noack: Es gibt insgesamt vier grundlegende Handschweißtechniken, dazu zählen Gasschweißen, Wolframinertgasschweißen (WIG-Schweißen), Metallschutzgasschweißen (MSG-Schweißen) und Lichtbogenhandschweißen. Im maritimen Bereich kommen aufgrund der wirtschaftlichen und technologischen Aspekte vornehmlich das MSG-Schweißen und hierbei vor allem das Metallaktivgasschweißen (MAG-Schweißen) und das Lichtbogenhandschweißen zum Einsatz. Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl an Sonderschweißverfahren, wie das Unterpulverschweißen (UP-Schweißen), das in der maritimen Branche ebenfalls regelmäßig zum Einsatz kommt.

Für welche Arbeiten werden die verschiedenen Schweißverfahren eingesetzt?

Noack: Das Unterpulverschweißen wird vornehmlich im Dickblech-Bereich verwendet, also bei Blechen mit einer Dicke von mehr als 15 mm und bei langen Schweißnähten, wie sie bei Schiffsrümpfen vorkommen, da das Verfahren ein mechanisches Schweißverfahren ist. Dort wo die Zugänglichkeit eingeschränkt ist oder die Blechdicken zwischen 5 und 15 mm liegen, kommt hauptsächlich das MSG-Schweißen zum Einsatz.

Welche Schweißtechniken kommen im Offshore-Bereich zum Einsatz?

Noack: Hier müssen wir differenzieren. Bei der Produktherstellung bzw. Werkstattfertigung »an Land«, zum Beispiel eines Turmsegments oder der Fundamentsegmente kommt vor allem die UP-Technik und das MSG- bzw. MAG-Schweißverfahren zum Einsatz.

Auf der anderen Seite muss man überlegen, welche Techniken bei möglichen Reparaturen vor Ort an den Offshore-Anlagen genutzt werden könnten. Hierfür ist das UP-Schweißen nicht geeignet, das MAG-Verfahren zumindest über Wasser dagegen schon. Bei Unterwasserarbeiten, beispielsweise an der Fundamentstruktur, könnte das Lichtbogenhandschweißen praktiziert werden. Allerdings gibt es diesbezüglich sehr wenige bis keine Erfahrungen. 

Wie funktioniert das Unterwasserschweißen genau?

Noack: Das funktioniert im Prinzip weitestgehend wie das Lichtbogenhandschweißen »über Wasser«, mit dem Unterschied, dass der Schweißer in Deutschland eine Berufstaucherqualifikation haben muss. Zudem werden unterwassergeeignetes Equip­ment und Zusatzwerkstoffe eingesetzt. Für den Einsatz als Unterwasserschweißer bedarf es einer zusätzlichen europäischen Ausbildung.

Welche Vor- und Nachteile haben die verschiedenen Schweißtechniken?

Noack: Das Unterpulverschweißen bietet eine hohe Schweißgeschwindigkeit und eine hohe Abschmelzleistung. Nachteil des UP ist jedoch, dass man diese Technik nicht in jeder Schweißposition anwenden kann. Überkopfschweißen ist beispielsweise nicht möglich.

MSG-Schweißen ist ein typisches Handschweißverfahren, das in jeder Schweißposition, also auch an schwer zugänglichen und engen Stellen eingesetzt werden kann. Die Abschmelzleistung ist im Vergleich jedoch nicht so hoch, wie beim UP-Schweißen.

Hat sich in den vergangenen Jahren ein bestimmtes Schweißverfahren als besonders positiv herausgestellt, bzw. welche Verfahren werden in Zukunft zum Einsatz kommen?

Noack: Die Verfahren sind allesamt schon Jahrzehnte alt und haben in den unterschiedlichen Branchen ihre Berechtigungen. Der Trend in Zukunft wird dahin gehen, mechanisierte Schweißverfahren mit den Vorteilen der Handschweißverfahren zu kombinieren. Damit meine ich Hybridverfahren, also z. B. den Laserstrahl mit dem MAG-Schweißen zu vereinen. Das wird sich in den kommenden Jahren sicher noch vertiefen.

Die Automobilindustrie ist Vorreiter für die Entwicklung solcher Prozesse, die sich mittel- bis langfristig sicher auch in die maritime Branche implementieren lassen. Auch das Equipment, vor allem die Schweiß-

stromquellen, haben sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt. Sie sind kleiner, kompakter und von den Parametern her stabiler geworden. Die Stromquellentechnik wird sich weiterentwickeln, um die Schweißeigenschaften für die Anwender bzw. Schweißer zu optimieren. Einen signifikanten technischen Fortschritt wird es meines Erachtens aber nicht geben.

Es gibt viele Hersteller, die mittlerweile sog. Kaltschweißprozesse anbieten. Dadurch soll der Wärmeverzug bzw. der Wärmeeintrag ins Bauteil reduziert werden.

Gibt es bei den gängigen Schweißverfahren Verbesserungspotenzial?

Noack: Natürlich kann man versuchen jedes Schweißverfahren zu verbessern, aber man kommt an Verfahrensgrenzen der Werkstoffe, der Elektrotechnik und der Physik. Bei klassischen Schweißverfahren, wie UP oder MSG sehe ich kaum noch entwicklungstechnische Fortschritte, außer bei den Stromquellen und Zusatzwerkstoffen.

Bei den Schweißverfahren gab es in den vergangenen Jahren technische Fortschritte. Welche Rolle spielen Laser und Roboter?

Noack: Der Roboter ist ein Technologieträger für den Laser, den MSG-Brenner oder für die Mechanisierung von Handschweißprozessen. In der Automobilindustrie hat sich das Thema Automation und Robotertechnik zu einer Schlüsseltechnologie entwickelt. Dort ist das sinnvoll, weil die Stückzahlen der Produkte sehr hoch sind. In der maritimen Technik ist ein Schiff oder eine Windenergieanlage in der Regel ein Einzelteil, eine Baugruppe oder eine Konstruktion, die in relativ geringen Stückzahlen vorkommt oder individuelle charakteristische Merkmale aufweist. Roboter kommen in der maritimen Technik deshalb selten zum Einsatz.

Nichtsdestotrotz glaube ich, dass man mittel- bis langfristig durchaus Segmente oder Unterbaugruppen mechanisiert oder mit Robotern schweißen kann. Die größte Herausforderung besteht darin, eine seriennahe Charakteristik der Einzelbauteile und eine entsprechende Stückzahl zu realisieren. Die Investitionen für eine Roboteranlage in Abhängigkeit der technischen Machbarkeit, beispielsweise für eine Fundamentstruktur von Windanlagen, erreichen Dimensionen, die sich für die Automatisierung von Einzelbauteilen aufgrund des Aufwands nicht rechnen.

Wie läuft das ab, wenn Sie ein Verfahren optimieren. Kommen die Unternehmen mit ihren Wünschen auf Sie zu oder entwickeln Sie etwas und stellen es den Firmen vor?

Noack: Unternehmen, die einen neuen Schweißprozess einführen wollen, sprechen uns direkt an. Hierbei gibt es die Möglichkeit, gemeinsam mit uns die Schweißparameter und das Produkt dahingehend zu prüfen, ob Mechanisierung oder Roboter unter wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten in einen Schweißprozess eingebunden werden können. Es besteht also ein enger Austausch zwischen dem schweißtechnischen Betrieb und der SLV Nord, um moderne Technologien im Betrieb zu implementieren.

Kommen wir zum Thema Ausbildung. Wird sich die Schweißerausbildung in Zukunft verändert, bzw. werden andere Schwerpunkte gesetzt?

Noack: Die Ausbildung wird sich in den nächsten Jahren revolutionieren. Der Schweißer wird zukünftig an einem Simulator, einem sog. Virtual Welding Trainer-System, erste praktische Übungen durchführen. Die Ausbildung an einem Trainersystem in Kombination mit der klassischen praktischen Ausbildung am Bauteil selbst hat es in dieser Form in der langen Tradition der Schweißtechnik noch nicht gegeben. Das wird mittelfristig zu einer Qualitätsverbesserung der Ausbildung und zu einer Verkürzung der Ausbildungszeiten führen.

Gibt es in der Schweißerbranche Probleme Nachwuchskräfte zu bekommen?

Noack: Der Beruf des Schweißers ist sehr nachgefragt. Es gibt sowohl im schweißtechnischen Bereich als auch bezüglich der akademischen schweißtechnischen Ausbildung einen Fachkräftemangel. Vom Schweißer bis zum Schweißfachingenieur werden stetig Mitarbeiter für die unterschiedlichsten Branchen gesucht. Meiner Einschätzung nach wird das auch noch die kommenden Jahre anhalten. Die Jobperspektiven in der Schweißerbranche sind sehr gut bis ausgezeichnet.

Mitte April nächsten Jahres steht die Tagung »Schweißen in der maritimen Technik und im Ingenieurbau« an, die Sie mitorganisieren. Was versprechen Sie sich davon?

Noack: Schweißen ist eine Schlüsseltechnologie, mit der wir täglich sowohl privat als auch beruflich konfrontiert werden. Wir erhoffen uns für die bereits zum 14. Mal stattfindende Tagung mindestens 100 Teilnehmer, die an dieser zweitägigen Veranstaltung, beginnend mit einer Exkursion in einen Schweißfachbetrieb und einem Abend auf der »Rick­mer Rickmers« teilnehmen. Am darauf folgenden Tag beginnt die eigentliche Tagung, zu der auch eine Fachausstellung gehört.

Wir wollen den Fachleuten eine Plattform bieten, sich über neueste Normen, Regelwerke, Zertifizierungen und Wirtschaftlichkeit aber auch über Herausforderungen in den Branchen zu informieren. Ich glaube, dass man eine gewisse Pionierarbeit leisten kann, Branchen und deren unterschiedliche Anforderungen miteinander zu vernetzen und sich über neue Aspekte auszutauschen. Es sollen Synergieeffekte gefunden werden, die z. B. in der maritimen Branche und im Ingenieurbau von Bedeutung sind, denn Schweißen als Technologie ist in allen Branchen artverwandt.

Nähere Informationen zur Tagung gibt es im Internet unter:

 www.slv-nord.de/tagung-schweissen
Thomas Wägener