Print Friendly, PDF & Email

Wachsender Verkehr auf der Ostseeroute zwischen Estland und Finnland beschert den Reedereien gute Ergebnisse. Ann-Christin Foerster gibt Einblick in den spannenden Wettbewerb zwischen dem größten Anbieter Tallink und den »kleineren« Konkurrenten
Durch die Unabhängigkeit Estlands 1991 erfolgte ein politischer Umbruch, der sich auch auf die Destination Tallinn–Helsinki auswirkte. Wegen sich[ds_preview] ständig verändernder Reisebedingungen mussten die auf dieser Linie eingesetzten Schiffe den jeweiligen neuen Bedingungen angepasst werden. So wurde auch in diesem Jahr wieder Tonnage ausgetauscht: Bei Eckerö Line löste die »Finlandia« die »Nordlandia« und »Translandia« ab, bei Tallink Grupp ersetzte die »Silja Europa« die »Baltic Princess«, die nun zwischen den Häfen Turku und Stockholm verkehrt. Damit ging eine Erhöhung der Kapazität auf dieser Destination einher: Passagiere +5,7 %, Pkw +8,9 % und Lademeter +11,5 %. Im Folgenden sollen die wirtschaftlichen Perspektiven der vier zwischen Tallinn und Helsinki verkehrenden Reedereien untersucht werden. Zunächst jedoch ein Blick in die Geschichte: Seit wann gibt es eigentlich diese Schiffsverbindung?

Rückblick in die Geschichte

Obwohl die beiden Hauptstädte Tallinn und Helsinki nur 48 nm voneinander entfernt sind, blieb die Fährverbindung lange hinter ihrer eigentlichen Bedeutung zurück. Dies lag vor allem an den politischen Umständen, schließlich war Estland bis 1991 sozialistische Sowjetrepublik und unterlag dem sowjetischen Regiment. Erst mit der Unabhängigkeit brach eine neue Blütezeit an. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. existiert ein regelmäßiger Fährverkehr zwischen Finnland und Estland. Dieser Verkehr wurde erst mit der Erfindung der Dampfmaschine möglich. Trotzdem blieb diese Verbindung unbedeutend – wichtiger waren damals für Finnland die Linien nach Hull, Kopenhagen und Stettin. Seit 1982 gibt es Kreuzfahrten von Helsinki nach Tallinn, Pendlerverkehr erfolgte nur von estnischer Seite aus. Somit waren die eingesetzten Schiffe ausschließlich auf die Beförderung von Passagieren ausgerichtet. Durch die Unabhängigkeit Estlands reisten immer mehr Finnen nach Estland und umgekehrt. Das Passagieraufkommen nahm zu, sodass Tragflügelboote eingesetzt wurden. Diese wurden später durch Katamarane ersetzt, da diese auch bei noch weitaus schlechterem Wetter verkehren konnten. Gleichzeitig stieg die Nachfrage, Pkw auf dieser Verbindung transportieren zu können.

Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, wurde die »Tallink« 1990 als erste Auto-Passagier-Fähre auf der Linie Tallinn–Helsinki eingesetzt. Später stieg die Nachfrage nach Frachtkapazität, die die damals eingesetzte Tonnage nicht decken konnte. Deshalb verkehrten zusätzlich zwischen den beiden Hauptstädten RoRo-Schiffe. Seit 2007 geht die Tendenz hin zu schnellen Passagierschiffen, was auch bei der Indienststellung der Neubauten »Viking XPRS«, »Star« und »Superstar« deutlich wurde. Tallink ersetzte damals die Monohulls und Katamarane durch die »Star« und »Superstar«, deren Fahrzeit zwar 30 Minuten länger ist, die aber ganzjährig, auch bei sehr schlechtem Wetter, verkehren und gleichzeitig neben mehr Passagieren und Autos auch Fracht transportieren können. Bis heute operieren zwischen Tallinn und Helsinki vier Reedereien mit sieben Schiffen. Eingesetzt werden dabei Katamarane, Passagier-Auto-Fähren, sowie Fährschiffe mit Kreuzfahrtstandard.

Aktuelle Statistik

Letztes Jahr nutzten ca. 7,2 Mio. Menschen die Verbindung Helsinki–Tallinn. Diese Zahl ist im Vergleich zu 2007 mit 5,7 Mio. Passagieren deutlich gestiegen. Außerdem wurden 2012 ca. 1,2 Mio. Autos und 260.000 Trailer befördert – die Tendenz ist seit 2002 steigend (Pkw +392 %, Trailer +133 %). Jede zweite Abfahrt erfolgte durch ein Schiff der Tallink-Flotte. Damit transportierte Tallink 2012 jeweils 62 % der Passagiere und Pkw und die Hälfte der Trailer und dominiert somit den Verkehr zwischen beiden Hauptstädten. Eckerö Line beförderte 2012 zwar nur 12,7 % der Passagiere (im Vergleich: Viking Line transportierte 25,3 %), hat aber bei Pkw und Trailern einen größeren Marktanteil als Viking Line. Von dem erhöhten Pkw-Aufkommen hat v.a. Eckerö Line in den letzten Jahren profitiert, im Vergleich zu 2008 wurden 2012 ganze 291 % mehr Pkw befördert, bei Tallink waren es 87 %, bei Viking Line 76 % mehr. Bei dem insgesamt gestiegenen Passagier- und Frachtaufkommen sind die Unterschiede zwischen den Reedereien nicht so groß – Passagiere: Eckerö +13 %, Tallink +42 %, Viking +31 %; Trailer: Eckerö +33 %, Tallink + 18 %, Viking +35 %. Linda Line hat 2009 zwar 66 % mehr Passagiere als im Vorjahr befördert, allerdings sinkt seitdem ihr Passagieraufkommen (Zahlen von 2012 lagen nicht vor).

Durch den Tonnagewechsel wurde die Passagierkapazität bei Eckerö um 8 % und bei Tallink um 7 % erhöht. Viking Line hat seine Kapazitäten nicht erhöht. Durch die »Viking Grace« wurde die »Isabella« auf der Linie Turku – Stockholm nicht mehr benötigt. So hatte Viking Line die »Isabella« eigentlich als zweites Schiff zwischen Tallinn und Helsinki in den Sommermonaten einsetzen wollen. Dies hätte eine Steigerung der Abfahrten von Viking Line um 30 % bedeutet. Damit hätte die Reederei in den vier Einsatzmonaten neben mehr Pkw und Fracht v.a. 30 % mehr Passagiere als 2012 befördern können. Dies hätte den Konkurrenzkampf der Reedereien verstärkt. Wenn man davon ausgeht, dass 400.000 Passagiere in den vier Monaten mit der »Isabella« gereist wären und jeder im Schnitt 50 Euro Umsatz bringt, so ergibt sich daraus eine Summe von 20 Mio. Euro und damit ein möglicher Gewinn von 4 Mio. Euro (bei 20 % Marginalkosten). Dies bedeutet aber, dass der Einsatz der »Isabella« den anderen Reedereien geschadet hätte. So war es von Tallink ein taktisch geschickter Zug, die »Isabella« für 30 Mio. Euro zu kaufen und damit seine marktführende Position zu stärken.

Fazit

2012 waren die Schiffe gut ausgelastet (Verhältnis vorhandener Kapazität zu genutzter Kapazität):

• Passagiere: Tallink ca. 50 %, Viking Line ca. 50 %, Eckerö ca. 35 %

• Pkw: Tallink ca. 35 %, Viking Line ca. 60 %, Eckerö ca. 50 %

• Fracht: Tallink ca. 32 %, Viking Line ca. 70 %, Eckerö ca. 90 %

Dies zeigt, dass Tallink zwar Marktführer ist, was in der hohen Abfahrtsfrequenz mit leistungsstarker Tonnage begründet ist, aber Viking Line wirtschaftlich besser dasteht mit einer Auslastung von mind. 50 % in allen Bereichen. Der Kauf der »Isabella« durch Tallink bestätigt dies nur – wird so der derzeit stärkste Konkurrent klein gehalten. Es bleibt aber abzuwarten, wie sich die Zahlen durch die »Finlandia« ändern, denn das Konzept von Eckerö Line nähert sich denen der Konkurrenz mit dem neuen Schiff an, Unterschiede werden feiner – Bordprogramm, Reisepreise, Nebenkosten und Abfahrtzeit sind entscheidend, nicht mehr Reisedauer, Größe, Alter und Ausstattung der Schiffe. Somit bleibt es spannend, wofür sich die Passagiere entscheiden. Auch bleibt abzuwarten, ob Linda Line neben den drei großen Reedereien bestehen kann – ihren Vorteil der kürzesten Überfahrtsdauer macht ihnen bisher keiner streitig!


Ann-Christin Foerster