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Hohe Investitionskosten bergen für die beteiligten Unternehmen und Geldgeber große Risiken: Das gilt gerade beim Bau von Offshore-Windparks. Die Versicherer haben sich auf den neuen Markt eingestellt.
Die Ansage ist klar und deutlich: »Mit jedem neuen Windenergiepark im Meer erhöht sich dort die Werte- und Risikokonzentration jeweils[ds_preview] in Milliardenschritten. Die Grenze, an der die Summe aller Offshore-Risiken für Versicherer nicht mehr tragbar ist, kann schon in absehbarer Zeit erreicht werden.«

Dies schreibt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einer Mitteilung zu seinem im vorigen Jahr veröffentlichten Positionspapier zur Risikobewertung des Offshore-Windenergieausbaus. Damit es so weit nicht kommt, fordert der Verband, die Risiken großflächiger zu verteilen – u.a. durch ausreichende Entfernungen der einzelnen Konverterplattformen zueinander, Kabelverlegung in größeren Abständen und Tiefen sowie Entzerrung der Netzstruktur im Meer durch teilredundante Lösungen wie die Verbindung der einzelnen Netzanbindungen untereinander (Vermaschung). Die für den Stromtransport benötigten Komponenten gehörten zu den sensibelsten Punkten der zukünftigen Energieversorgung, betont Oliver Hauner, Leiter der Abteilung Sach- und Technische Versicherung beim GDV. »Wenn es hier zu einem Ausfall kommt, wäre das nicht nur mit enormen Kosten verbunden, sondern es würde die Versor­gungssicherheit des ganzen Landes gefährden.«

Trotz der geäußerten Sorgen stellt die Offshore-Windenergie ein interessantes Geschäftsfeld für die Versicherer dar. Internationale Anbieter, allen voran die dänische Codan-Versicherung, hatten sich bereits vor Jahren erfolgreich auf dem Markt positioniert. Seit die ersten Windparks in der deutschen Nord- und Ostsee gebaut werden, stellen auch hierzulande die Großen der Branche wie Allianz, HDI-Gerling, Axa und Basler die von Offshore-Unternehmen und Finanzierern angefragten Policen bereit.

Nach Beobachtungen des Marktforschers Windresearch ist die Zahl der Wettbewerber zwar aktuell überschaubar: Es sei aber eine erhöhte Aktivität sowohl deutscher als auch internationaler Versicherer auf dem hiesigen Markt zu beobachten. Abhängig davon, wie es mit dem Ausbau der Offshore-Windenergie weitergeht, sieht Windresearch bis 2030 ein Marktvolumen für Versicherungen von bis zu 100 Mio. € pro Jahr (s. Grafik).

Je mehr Beteiligte, umso größer der Absicherungsbedarf

In der Praxis läuft es meist so ab, dass beteiligte Versicherungsmakler schon an den Vertragsverhandlungen zwischen Bauherren, Zulieferern und Geldgebern teilnehmen und in einer individuellen Risikoanalyse mit dem Bauherrn einschätzen, welche Policen benötigt werden und wie sie im Detail ausgestaltet sein sollten. Als Faustregel gilt, dass ein umso höherer Absicherungsbedarf besteht, je mehr Investoren und Banken an einem Projekt beteiligt sind. Der Industrieversicherungsmakler Marsh geht davon aus, dass die Kosten für eine vollumfängliche Projektversicherung je nach Risiko in der Regel zwischen 1 und 2 % des Gesamtvolumens betragen: Bei einem durchschnittlichen Meeres­windpark mit Investitionskosten von 1,5 Mrd. € wären das 15 bis 30 Mio. € allein für Versicherungsprämien.

Grundsätzlich können während der Phasen der Herstellung, Errichtung, Montage und des Betriebs eines Windparks alle Sachsubstanzschäden abgesichert werden. »Externe Ursachen wie Naturgefahren oder Beschädigungen von außen werden auch in Zukunft problemlos versicherbar sein«, heißt es in einem von Marsh veröffentlichten Whitepaper zu der Thematik. Interne Risiken wie technologische Mängel, Fertigungsfehler oder fehlerhaft durchgeführte Arbeiten bei der Kabelverlegung könnten nur zum Teil getragen werden, ließen sich aber durch eine systematische Qualitätssicherung und umfangreiche Kontrollmaßnahmen schon während der Fertigung der Komponenten weitestgehend verhindern, schreiben die Autoren. Insbesondere neue Technologien unterlägen Deckungseinschränkungen, da sie versicherungstechnisch schwer kalkulierbar seien. Laut Lutz Weidtke, Fachverantwortlicher für Offshore-Wind bei Marsh Hamburg, sind üblicherweise vier bis zehn Versicherer an einem einzelnen Projekt beteiligt. Die weitaus meisten Schäden träten aktuell bei Seekabeln auf: Die Kabelindustrie arbeite allerdings bereits an einer Selbstverpflichtung zur Risikominimierung. »Das dürfte dazu führen, dass auch diese Dinge langfristig versicherbar bleiben«, meint Weidtke.

Erste Serienschadenversicherung

Immer wieder einmal ein Thema in der Branche sind Spezialprodukte wie Wetterversicherungen oder sogenannte Lack-of-Wind-Policen. Zumindest für Letztere ist die Nachfrage allerdings derzeit angesichts der bisherigen Betriebserfahrungen mit den Windparks »Alpha Ventus« und »EnBW Baltic 1« eher gering: Beide Projekte hatten zuletzt dank stetig wehenden Windes höhere Erträge als erwartet vermelden können. Neu auf den Markt geschafft hat es vor einigen Monaten die erste im Offshore-Wind­bereich abgeschlossene Serienschadenversicherung für Windenergieanlagen, an der die Versicherungsmakler der Nordwest Assekuranz (NWA) zusammen mit Turbinenproduzent Repower Systems nach eigenen Angaben mehr als drei Jahre lang gearbeitet hatten. Als Versicherer konnte schließlich die Munich Re mit ins Boot geholt werden, die künftig für die Reparatur und den Austausch von Turbinen oder einzelnen Komponenten – inklusive der Kosten für die benötigten Spezialschiffe – zahlen wird, sofern ein Serienschaden auftreten sollte.

Das Besondere an Offshore-Windversicherungen seien die immensen Sach- und Betriebsunterbrechungswerte und die hohe maritime Komponente der unterschiedlichen Policen, erläutert Thomas Haukje, geschäftsführender Gesellschafter der NWA. Aus seiner Sicht stelle sich der Markt trotz der Komplexität und der hohen Risiken positiv dar: »Die wesentlichen Versicherungen, die benötigt werden, sind inzwischen auch zu haben.« Allerdings kann es selbst bei versicherten Schäden für die beteiligten Unternehmen teuer werden. Nach Aussage von Haukje betragen die Selbstbehalte zwischen 50.000 und 500.000 €, bei Betriebsunterbrechungen zwischen 30 und 60 Tagen.

Gesetzliche Haftungsregelung wird schon in Anspruch genommen

Lange Zeit ungeklärt war die Frage, wer bei verspäteten oder längere Zeit ausfallenden Netzanschlüssen für den eingetretenen Schaden zu haften hat. Hier bietet seit Anfang des Jahres eine Neuregelung im Energiewirtschaftsgesetz Klarheit: Ab dem elften Tag einer solchen Störung können die betroffenen Anlagenbetreiber vom zuständigen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) eine Entschädigung in Höhe von 90 % der entgangenen Einspeisevergütung verlangen, heißt es dort.

Da sich bei allen Nordsee-Windparks, die aktuell gebaut werden, die Anbindungen verzögern, können die jeweiligen Betreiber von dieser Regelung Gebrauch machen – sofern ihre Anlagen vor der Fertigstellung des Netzanschlusses betriebsbereit sind. Als betriebsbereit gilt ein Windpark laut Gesetz dann, wenn zumindest die Fundamente und die parkinterne Umspannstation errichtet worden sind. Mit dem Stadtwerkeverbund Trianel (»Trianel Windpark Borkum«) und dem Energieversorger EWE (»Riffgat«) machen die ersten beiden Unternehmen nach eigenen Angaben bereits entsprechende Ansprüche beim Netzbetreiber Tennet geltend. Bei Trianel handelt es sich demnach um einen Betrag in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe. Für die konkrete Umsetzung der Haftungsregelung in die Praxis hat die Bundesnetzagentur einen Leitfaden entwickelt, der bis Mitte August zur Konsultation stand und nach Angaben einer Sprecherin im Herbst in seiner endgültigen Fassung veröffentlicht werden soll.

Die Netzbetreiber (Tennet für die Nordsee und 50 Hertz für die Ostsee) wiederum dürfen einen Großteil der Kosten für geleistete Entschädigungszahlungen über einen Aufschlag auf die Netzentgelte, die sogenannte Offshore-Umlage, auf die Verbraucher abwälzen. Dabei darf sich das Netzentgelt um höchstens 0,25 Ct/kWh erhöhen.

Für das laufende Jahr haben die ÜNB diesen Betrag voll ausgeschöpft. Um welchen Gesamtbetrag es letztlich geht, ist noch unklar. Während die Bundesregierung bei der Verabschiedung des Gesetzes von 1 Mrd. € ausging, nennen andere Quellen eine Summe von bis zu 3 Mrd. €. Fest steht, dass die ÜNB für diese Fälle Versicherungen abschließen sollen, um die Belastung der Stromverbraucher nicht unnötig zu erhöhen. Das Problem dabei: Solche Versicherungen sind auf dem Markt nicht zu haben. Man sei dabei, eine entsprechende Police zu finden, heißt es bei Tennet. Wegen der Komplexität des Ganzen sei das allerdings nicht ganz einfach.


Anne-Katrin Wehrmann