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Experten aus der Schifffahrt gaben in Wilhelmshaven Empfehlungen an die Politik, um die Wettbewerbsfähigkeit der Branche am »Standort D« zu bewahren. Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich überzeugt, dass die deutsche Schifffahrt die Klippen der aktuellen Krise umschiffen wird, während er und andere Redner den Wilhelmshavenern in Sachen JadeWeserPort Mut machten.
Im Fokus des 34. Deutschen Seeschifffahrtstages vom 14. bis 18. August in Wilhelmshaven (Motto: »Sicherer Kurs für die Schifffahrt – Wilhelmshaven[ds_preview] blickt seewärts«) standen die Schwerpunktthemen »Berufsbildung in der Seeschifffahrt« (Arbeitskreis 1), »Entwicklung der Verkehrsströme unter strukturellen Aspekten« (Arbeitskreis 2) sowie »Deutsche Marine – Ausbildung und Qualifizierungsmöglichkeiten« (Arbeitskreis 3). Die Schifffahrtsexperten erarbeiteten jeweils konkrete Forderungen an die Politik, die durch den veranstaltenden Deutschen Nautischen Verein (DNV) direkt in die entsprechenden politischen Gremien gegeben werden. Teilweise wurde in den Gruppen kontrovers über Inhalte und Formulierung der Texte diskutiert. In einem Punkt waren sich dennoch alle einig. Die Politik müsse ein klares Bekenntnis zur maritimen Branche in Deutschland abgeben. »Die maritime Wirtschaft ist die Aorta der deutschen und europäischen Wirtschaft«, machte Hans-Dietrich Haasis vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen exemplarisch klar.

Infrastrukturausbau und politische Verlässlichkeit

Zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit müsse daher zum Wohle der deutschen Seehäfen gehandelt werden, auch über Länderinteressen hinweg, im Sinne einer einheitlichen Verkehrspolitik, betonte Haasis im Arbeitskreis 2. Außerdem wies er auf die Engpässe in der Infrastruktur hin. Ohne schnelles politisches Handeln führe dies zu Risiken in der volkswirtschaftlichen Entwicklung. Demnach sei die vorhandene Infrastruktur instand zu halten und das norddeutsche Güterverkehrsnetz auszubauen. Dies gelte insbesondere für den Nord-Ostsee-Kanal. Darüber hinaus müsse die Politik nachhaltige und verlässliche Entscheidungen treffen. Als Beispiel nannte Haasis die Offshore-Industrie. Die neue politische Zielsetzung bei der Umsetzung der Energiewende erfordere auch Investitionen in die maritime Wirtschaft.

Ausbildung in Seeschifffahrt und Marine

Der Arbeitskreis 1 befasste sich mit dem maritimen Qualifikationssystem und dessen wesentlichen Säulen Schiffsmechaniker-, Fach- und Hochschulausbildung. Die Teilnehmer des Arbeitskreises betonten, dass es auch weiterhin einen hohen Bedarf an in Deutschland ausgebildetem Seefahrtspersonal geben werde. Demnach müsse auch in Krisenzeiten die Aus- und Weiterbildung vorangetrieben werden. Ferner sei zur Sicherung des Nachwuchses eine ausreichende Zahl an Praxissemester­plätzen erforderlich, stellte Thomas Pawlik von der Hochschule Bremen heraus. Einen Ansatz hierfür könne die Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland bieten.

Ebenfalls den Schwerpunkt Ausbildung hatte Arbeitskreis 3. Lennart Steen vom Marinekommando Rostock betonte, dass die Ausbildung bei der Marine einen hohen Stellenwert genieße. Dennoch müsse man sich immer fragen: »Bilden wir richtig aus und bilden wir das Richtige aus?« Er gab für seinen Arbeitskreis die Empfehlung, die zivil-militärische Zusammenarbeit zu inten­sivieren und einen Erfahrungsaustausch mit allen Beteiligten zu forcieren. Zudem sei eine Zusammenarbeit mit den öffentlichen und zivilen Seeschifffahrtsbereichen zu den Punkten technologiegestützte Ausbildung, Qualitätsmanagement der Ausbildung sowie Crew Ressource Management zu prüfen.

Die Teilnehmer aller drei Arbeitskreise erkannten zudem, dass es bezüglich der Kommunikation untereinander noch einige Defizite gibt. Bei den jeweiligen Themen müsse mehr miteinander gesprochen und zusammengearbeitet werden, lautete der allgemeine Tenor.

Entwicklung der Verkehrsströme

In den Arbeitskreisen gaben verschie­dene Referenten den Teilnehmern darüber hinaus einen Überblick über ihr Tätigkeitsfeld und gingen auf die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft ein. Im Arbeitskreis »Entwicklung der Verkehrsströme unter strukturellen Aspekten« repräsentierte z. B. Mikkel Andersen von Eurogate Containerterminal Wilhelmshaven (CTW) die Seite der Terminalbetreiber. Thilo Heinrich von Maersk Deutschland stellte den Standpunkt der Reedereien vor und Bernd-R. Pahnke von DB Schenker Rail sprach aus Sicht der Logistiker.

Der Trend beim Terminalbetrieb geht in Richtung Automatisierung, bestätigte Andersen. Beim CTW habe man sich dennoch bewusst gegen ein vollautomatisches Terminal entschieden, da der »Faktor« Mensch beim JadeWeserPort (JWP) eine wichtige Rolle einnehme. Trotz der Anlaufschwierigkeiten werde sich der Tiefwasserhafen in Zukunft bewähren. Während es bei der Anbindung der Straße keinerlei Probleme gegeben habe, wirke sich negativ für den Hafen aus, dass die Bahnstrecke noch nicht elektrifiziert sei.

»Wir glauben, dass Wilhelmshaven in Zukunft eine Rolle spielen wird«, zeigte sich Logistikexperte Pahnke vom neuen Containerhafen überzeugt. Er warnte indes vor der steigenden Bedeutung südeuropäischer Häfen. Diese hätten zwar (noch) infrastrukturelle Nachteile, werden seiner Einschätzung zufolge aber langfristig zur Konkurrenz, vor allem in Hinblick auf Ladung gen Ost- und Mitteleuropa über die Schiene.

Maersk-Manager Heinrich wies auf die hohe Flexibilität insbesondere der Feederverkehre hin. Doch auch Seeschiffe könnten schnell auf veränderte Gegebenheiten reagieren, aus Häfen abgezogen werden oder zusätzliche Häfen anlaufen. Als Beispiel nannte er den außerplanmäßigen Anlauf der »Eugen Maersk« in Wilhelmshaven. Das Schiff wurde kurzfristig zum JWP beordert, um den Fahrplan einzuhalten. Die Ladung des Frachters wurde dann in Ostseehäfen gefeedert. Auch wenn das genannte Beispiel dagegen spricht, unterstrich Heinrich, dass der Trend zu Direktanläufen mit größeren Einheiten, u. a. in die Ostseehäfen, bestehen bleibe oder sich sogar verstärken könnte.

Bundespräsident Gauck spricht als Schirmherr

Für viele Teilnehmer ein Höhepunkt des 34. Deutschen Seeschifffahrtstages war die Festansprache von Bundespräsident Joachim Gauck. Der Erste Mann im Staate betonte, es komme mehr als der traditionelle Schirmherr der Veranstaltung von Berlin an die Küste, sondern auch der »Sohn eines ›Kapitäns auf großer Fahrt‹«, ein Mecklenburger, der »mehr als einmal um das Schicksal der Werftarbeiter an der Ostsee gebangt« habe, und vor allem ein »Mensch, in dessen Seele die See so fest verankert ist wie das eine Wort im anderen«.

Gauck sprach in seiner sehr staatsmännischen, aber zugleich persönlichen Rede eine ganze Reihe von Themen an, u.a. auch den JadeWeserPort, den er zuvor besichtigt hatte. »Ein bisschen mehr Zukunft könnten wir da noch gebrauchen«, so Gauck wörtlich. Dennoch sei er sehr beeindruckt von den Dimensionen des Tiefwasserhafens gewesen und wünschte den Beteiligten Durchhaltevermögen. »Der Bau dieses Hafens war keine einfache und auch keine unumstrittene Unternehmung« – aber sei dies »bei einem großen, ja ehrgeizigen Projekt« wie dem JWP nicht stets so gewesen?

Gauck unterstrich wie auch die anderen Redner – darunter der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister, Enak Ferlemann, und Niedersachsens Wirtschaftminister Olaf Lies – die große Bedeutung einer erstklassigen Hafeninfrastruktur und funktionierender Hinterland­anbindungen. Die Produktions- und Logistikketten in ganz Deutschland hingen hier-

von ab: »So gesehen sind Wilhelmshaven, Hamburg oder Bremerhaven letztlich auch die Seehäfen Leipzigs, Münchens oder Stuttgarts«, so der Bundespräsident. »Und umgekehrt liegen gerade Bayern und Baden-Württemberg gewissermaßen näher am Meer, als die meisten seiner Bewohner ahnen: Sie gehören zu den umsatzstärksten Bundesländern der maritimen Wirtschaft.« Angesichts der starken Exportstellung maritimer Zulieferer und insgesamt ca. 400.000 im seenahen Bereich beschäftigter Menschen sei klar: »Unser Land ist nicht ohne die See zu denken.«

Gauck sprach sich ferner für einen freien Welthandel aus, gegen ein »maßloses Wirtschaften auf Pump«, das zur Finanzkrise geführt habe, für eine Fortsetzung des Maritimen Bündnisses zur Ausbildung und Beschäftigung sowie für sozialverträgliche Arbeitsbedingungen auf See und an Land. In diesem Zusammenhang lobte er das Seearbeitsübereinkommen (MLC) als eine Art Grundrechte-Charta für Seeleute und mahn-

te – angesichts des Todes zweier rumänischer Werftarbeiter in Deutschland – ordentliche Arbeits- und Unterkunftsverhältnisse auch an Land an.

Für die gesamte Branche zeigte sich der Bundespräsident trotz der vielfältigen He­rausforderungen zuversichtlich: »Der Realist klagt nicht über den Wind oder hofft, dass er sich dreht, sondern richtet sein Segel aus.« Die Schifffahrtsindustrie habe demnach ihre Zukunft selbst in der Hand. Und wer mit der Seeschifffahrt vertraut sei, wisse doch, worauf es ankomme: »Auf Furchtlosigkeit und Weitblick, und auf gute Karten, die helfen, Klippen und Untiefen zu umschiffen. Das Wetter kann unerwartet umschlagen, dann sind Gelassenheit und besonnene Reaktionen gefragt.«

Weitere Redner

Zuvor hatte der Vorsitzende des DNV, Frank Wessels, dem Bundespräsidenten für die Übernahme der Schirmherrschaft bei der Veranstaltung gedankt, weil dadurch Wilhelmshaven zum maritimen Schaufenster Deutschlands werde. Vizeadmiral Axel Schimpf betonte in seiner Ansprache, dass es nicht nur Aufgabe des Seeschifffahrts­tages sei, der Öffentlichkeit die maritime Abhängigkeit Deutschlands aufzuzeigen, sondern auch die Interessen von Handelsschifffahrt und Marine an einer guten Zukunft der Seewirtschaft stärker gemeinsam zu verfolgen.

Auf der abendlichen Veranstaltung und dem anschließenden Schifffahrtessen, zu dem der Nautische Verein (NV) Wilhelmshaven-Jade einlud, brachte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil seine Zuversicht zum Ausdruck: »Wir setzen auf die maritime Wirtschaft«, so seine Botschaft. Zum neuen Tiefwasserhafen sagte er: »Ich bin sicher, dass die Entscheidung für den JadeWeserPort eine war, über die man in Zukunft noch sehr dankbar sein wird.« Der Politiker will sich zudem verstärkt für den Ausbau der Häfen und der Infrastruktur in seinem Land einsetzen. Exemplarisch nannte er den Bau der A20 inklusive der Elbquerung. Für Deutschland sei es darüber hinaus wichtig, den Spezialschiffbau voranzutreiben und an der qualifizierten maritimen Ausbildung festzuhalten.

Die Ausrichter des 34. Deutschen Seeschifffahrtstages zeigten sich mit dem Ablauf sehr zufrieden. »Vor einem ausgesprochen interessierten Publikum wurde lösungsorientiert und auch kontrovers diskutiert«, so das Fazit von Konteradmiral Gottfried Hoch, Vorsitzender des NV Wilhelmshaven-Jade. Die Empfehlungen würden an die Politik herangetragen. Da das Bundesverkehrsministerium Mitglied im DNV ist, sei der Weg also relativ kurz, sagte Vereinsgeschäftsführer Nicolai Woelki und bestätigte, dass das Ministerium in der Vergangenheit einige Empfehlungen durchaus umgesetzt habe.


Nikos Späth, Thomas Wägener