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Das Treiben der selbst ernannten Anlegerschutzanwälte hat allmählich eine Eigendynamik entwickelt, die beängstigende Ausmaße annimmt. Ein Kommentar von Michael Rathmann
Vor knapp zwei Jahren hatte ich das Thema Anlegerschutz­anwälte schon einmal in einer Glosse abgehandelt (HANSA 09/2011). In[ds_preview] der Zeit danach haben mich mehrere Emissions­häuser gefragt, ob sie den Artikel zu Informationszwecken für ihre Anleger benutzen dürfen und ich habe gern zuge­stimmt. Als Erfolg gab es viele dankbare und auf­geklärte Anleger, die heute die ihnen zuge­henden Schreiben der »Anlegerschützer« von vornherein in den Papierkorb werfen.

In den letzten Wochen und Monaten aber ist auffällig: Die Zahl der selbst ernannten Anlegerschützer und heilsbringenden Anwälte hat zugenommen. Immer häufiger klingelt mein Telefon und Anleger fragen mich, ob ich schon das Anschreiben von dieser oder jener Kanzlei kenne oder ob mir irgendwelche ominösen Schutzvereinigungen oder -bunde bekannt seien. Die obligatorischen Pappenheimer kennt man natürlich, aber ständig erscheinen neue Lichtgestalten auf der Bühne des Anlegerschutzes, die nicht selten mit identischen oder zumindest ähnlichen Argumenten behaupten, ausschließlich das »Wohl« der Anleger im Blick zu haben.

Die Beschaffung des Adressmaterials für solche Schreiben ist durch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sehr vereinfacht worden: Treuhandgesellschaften müssen die Daten ihrer Gesellschafter auf berechtigte Anfrage herausgeben. So sparen die Anlegerschützer bei der Recherche viel Zeit und Geld.

Bei genauerer Begutachtung der Werbeschreiben fällt zunächst eines ganz besonders auf: Die Texte weisen zum Teil erhebliche grammatikalische und orthografische Schwächen auf, die Interpunktion mutiert mitunter zum Glücksspiel. Dies lässt auf die mangelhafte Beherrschung der Grundlagen der deutschen Sprache durch ihre Verfasser schließen. Der Stil eines Schreibens ist – unter Berücksichtigung dieser Grundlagen – normalerweise die Visitenkarte seines Verfassers.

Wenn es allerdings schon an diesen essenziellen Fähigkeiten fehlt, hat ein solches Schreiben wenig Chancen, vom Leser wirklich ernst genommen zu werden. Mir zumindest stellt sich die Frage, wie jemand, der die elementaren Grundkenntnisse unserer Sprache nicht beherrscht, glaubhaft machen will, er sei erfolgreich im Kapitalanlagerecht tätig.

Auffällig ist auch, dass der Aufbau der Schreiben sehr ähnlich ist. Das verwundert nicht, denn irgendeiner aus der Riege dieser Anlegerschützer hatte im Jahr 2008 oder 2009 erstmalig die Idee, diese Art von Beratung als Geldquelle für sich zu nutzen und verfasste einen »Erstlings«-Brief. Offenbar mutierte dieser Brief dann quasi zur »Raubkopie« für die ganze Branche und wird seitdem, ergänzt durch die selbst kreierten oben genannten Fehler, immer weiter verwendet. Es ist ja auch wesentlich einfacher, auf Vorlagen zurückzugreifen, als selber zu denken und sich – mit der gebotenen Sorgfalt – mit der Materie zu befassen. Anders ist kaum zu erklären, weshalb die Kernpunkte der Schreiben sachliche Falschaussagen und Fehlinformationen enthalten.

Quasi obligatorisch wird einleitend erklärt, dass man die Interessen eines Kapitalanlegers vertrete, der sich an der im Betreff näher bezeichneten Fondsgesellschaft beteiligt habe. Dieser Anleger habe darum gebeten, zur weiteren Sachverhaltsaufklärung und zum Informationsaustausch mit anderen Gesellschaftern des Fonds in Kontakt treten zu können. Daran schließt sich eine Sachverhaltsdarlegung an, deren Aussagen unbedarfte Anleger sehr verunsichern können. Eine Platitüde reiht sich an die nächste und in Summe stiften sie schlicht Verwirrung.

Drei Argumente werden dabei vorrangig herausgestellt. Das Hauptargument ist der unterlassene Hinweis auf die Risiken, die mit einer solchen Beteiligung verbunden sind. Das zweite Thema berührt die Altersvorsorge, zu der die Beteiligung positiv beitragen sollte, und drittens geht es um die verschwiegenen Provisionen, die Vermittler für die Vermittlung der Beteiligung erhalten haben.

Die Darstellung dieser drei Punkte spricht den Anleger natürlich an, weil er nach dem Lesen dieses »Genau-Gefühl« hat, das ihn veranlassen könnte, auf das Schreiben zu reagieren. Psychologisch gesehen ist das ein sehr guter Schachzug, denn nichts ist leichter als das Vergessen, insbesondere, wenn es im Zusammenhang mit späteren unangenehmen Folgen steht. Es mag sein, dass im historischen Beratungsgespräch das eine oder andere Argument, auch hinsichtlich der Risiken der Anlage, nicht in epischer Breite besprochen wurde, aber eine gewisse Pflicht der Mitwirkung bei der Auswahl einer Anlage hat auch der Anleger selbst. Selbst wenn es mühsam ist, so ist die Lektüre der Vertragsdetails jedem zuzumuten, egal wie umfangreich sie ist. Dazu gehört auch das Lesen der Ausführungen über die Chancen und Risiken im Prospekt, den der Anleger einige Zeit vor der Unterzeichnung des Angebotes ausgehändigt bekommen hat.

In den Prospekten aus den 1990er Jahren waren die Hinweise auf das Risiko einer unternehmerischen Beteiligung und das Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB schon deutlich erläutert. In den Prospekten, die in den Jahren 2001 bis heute zum Einsatz kommen, ist diesem Thema immer mehr Platz eingeräumt worden und die Risiken solcher Beteiligungen sind auf vielen Seiten ausführlich dargestellt. Soweit es renommierte Berater betrifft, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Hinweis auf dieses Thema nicht erfolgt, weil dies sozusagen zum kleinen Einmaleins der Vermittlung gehört. Das gilt gleichermaßen für das Argument der zusätzlichen Altersvorsorge. Kein Vermittler, der sein Handwerk versteht, wird eine unternehmerische Beteiligung für die Altersvorsorge empfehlen, weil die darin liegenden Risiken viel zu groß sind.

Das Thema der Offenlegung der Provisionen ist in der Vergangenheit immer ein Problem der Banken gewesen, nicht der freien Vermittler. Insofern sehe ich hier keine Ansatzpunkte für eine erfolgversprechende Argumentation der Anlegerschutztruppen.

Richtig abenteuerlich wird es dann in den ­Schreiben, wenn sehr komplexe Sachverhalte zur Sprache kommen, die der Verfasser offenbar selbst nicht richtig verstanden hat. Da wird die »Loan-to-Value«-Klausel in direkten Zusammenhang mit der 105-prozentigen Wertsicherungsklausel gebracht, obwohl die beiden ungefähr soviel mit­einander zu tun haben wie Kühe mit dem Eierlegen. Es klingt aber gut und kompetent. Auch der Hinweis auf viele Verfahren, die geführt wurden oder werden, vermittelt den Eindruck großer Kompetenz. Eingenartig finde ich nur, dass im Internet zu keiner der Kanzleien, die den Trend »Geld verdienen via Anlegerschutz« mitmachen, ein Hinweis auf erstrittene Urteile zu finden ist, dabei wären diese doch die besten Indikatoren für Kompetenz. Doch behaupten kann man viel, denn Papier ist bekanntlich geduldig.

In den Schreiben findet man auch die beinahe schon obligatorische Frage nach »Anwalts Liebling«. Liegt eine Rechtschutzversicherung vor, können sich die vermeintlichen Anlegerschützer sogar richtig zu ihrem persönlichen Vorteil austoben, zur Not wird die Deckungszusage der Versicherung gleich noch mit erstritten. Denn zwei Dinge liegen ihnen besonders am Herzen: das Geld der Anleger und der Weg, daran zu kommen.

Aber keine Bewegung ohne Gegenbewegung. Für die Vermittler, die wegen des aggressiven Vorgehens der »Anlegerschützer« und der anbieter- und vertriebsunfreund­lichen Rechtsprechung besorgt sind, gibt es jetzt professionelle Hilfe von langjährig tätigen Anwälten, die an sehr vielen strei­tigen Verfahren mitgewirkt haben. Das ist doch eine wunderbar nutzlos ausgeglichene Gerechtigkeit – und allen Anwälten, die es nötig haben, ist damit geholfen.

Autor:

Michael Rathmann ist Schifffahrtsexperte und Anlageberater, www.mira-anlagen.de

Michael Rathmann