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Die praktischen Auswirkungen des BGH-Urteils zu Rückforderungen von Gewinnausschüttungen bei Schiffsfonds erläutern Stephan R. Göthel und Oliver Rossbach von der Kanzlei TaylorWessing
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jüngst entschieden, dass ein Schiffsfonds erfolgte Ausschüttungen an seine Kommanditisten nur dann zurückfordern kann, wenn[ds_preview] dies im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehen ist. Wie wird sich dieses Urteil auswirken?

Dr. Stephan R. Göthel / Dr. Oliver Rossbach: Beim Fall des BGH war im Gesellschaftsvertrag nicht eindeutig geregelt, ob der Fonds den Anlegern die gewinnunabhängigen Ausschüttungen nur leihweise, d.h. als Darlehen, gegeben hatte, und diese daher gegebenenfalls zurückfordern konnte. Aufgrund dieser Besonderheit lehnten die Richter eine Rückzahlung ab. Das Urteil lässt sich daher nicht einfach auf andere Schiffsfonds übertragen. Es wird aber bei der Gestaltung zukünftiger Gesellschaftsverträge zu berücksichtigen sein.

Interessant wird sein, wie betroffene notleidende Fonds das Urteil wirtschaftlich verkraften werden. Denn die Rückzahlung von Ausschüttungen ist für sie häufig eine der letzten Möglichkeiten, die Insolvenz abzuwenden. Lässt sich diese nicht vermeiden, werden Anleger trotz des BGH-Urteils erneut mit Rückforderungen konfrontiert werden. Zum einen ist der Insolvenzverwalter gesetzlich verpflichtet, selbst mögliche Ansprüche aus dem Innenverhältnis (weiter) zu verfolgen, wenn er deren Durchsetzung für erfolgversprechend hält. Zum anderen wird häufig übersehen, dass der BGH nur über das Innenverhältnis zwischen Fonds und Anleger entschieden hat. Unberührt geblieben ist die Außenhaftung der Anleger gegenüber ihren Gläubigern nach § 172 Abs. 4 HGB, die im Fall der Insolvenz eines Fonds vom Insolvenzverwalter geltend gemacht wird. Der BGH hat die Anleger somit nicht endgültig aus dem Haftungsrisiko entlassen.

Wie viele Schiffsfonds haben eine derartige Rückzahlungsvereinbarung geschätzt in ihre Gesellschaftsverträge aufgenommen?

Göthel / Rossbach: Zahlreiche Fonds befinden sich derzeit in der Prüfungsphase. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte der Gesellschaftsverträge keine klare Regelung enthalten und damit möglicherweise vom Urteil des BGH erfasst werden.

In der Vergangenheit war häufig von »freiwilligen« Rückzahlungen der Anleger an den Initiator die Rede, die aber nicht selten mit einer Drohkulisse erbeten wurden. Solche Zahlungen werden künftig vermutlich spärlicher fließen…

Göthel / Rossbach: Wenn Anleger in der Vergangenheit »freiwillig« Rückzahlungen geleistet haben, weil sie sonst fürchteten, rechtswirksam in Anspruch genommen werden zu können, dann mag das Urteil des BGH in der Tat dazu führen, dass sich Anleger solche Zahlungen zukünftig genauer überlegen und in geringerem Umfang leisten. Dieses Verhalten dürfte zum Teil aber dadurch relativiert werden, dass die Anleger, wie bereits geschildert, im Außenverhältnis weiterhin haften.

Was können Fonds nun machen, um an Sanierungskapital zu kommen, sollten Nachschüsse in Zukunft spärlicher ausfallen?

Göthel / Rossbach: Sie könnten versuchen, weiteres Fremdkapital in Form von Krediten zu erhalten. Doch vergeben Banken derzeit eher restriktiv neue Kredite – insbesondere dann, wenn sich die Gesellschafter nicht ebenfalls an der Rettung ihres Fonds beteiligen. Wenn auch neue Eigenkapitalgeber in Form von institutionellen Investoren oder Private-Equity-Häusern nicht gefunden werden können, bleibt praktisch nur der Weg, das Schiff zu verkaufen. Auf dem Markt sind griechische, türkische und chinesische Investoren derzeit besonders aktiv. Sie wollen von den historisch niedrigen Preisen profitieren. Genau diese Marktsituation macht aber aus Verkäufersicht – und aus Sicht der den Schiffsfonds finan­zierenden Banken – eine Schiffsveräußerung häufig unattraktiv. Die Bank müsste hohe Abschreibungen auf ihren Kredit in Kauf nehmen und die Anleger würden ihr eingesetztes Eigenkapital uneinbringlich verlieren.

Welche Möglichkeiten gibt es, das Szenario eines Schiffsverkaufs zu einem niedrigen Preis zu vermeiden?

Göthel / Rossbach: In jüngerer Zeit drängen zunehmend sogenannte Plattformlösungen unterschiedlicher Ausprägung in den Markt. Hierbei gründet beispielsweise eine begrenzte Zahl von Investoren unter Beteiligung einer Reederei eine Gesellschaft (die »Plattform«), die notleidende Schiffe kauft und deren operative und finanzielle Stabilisierung sichert. Die bestehenden Finanzierungen werden abgelöst oder übernommen und den zukünftigen Markterwartungen angepasst. Das Ziel ist es, das jeweilige Schiff über einen Zeitraum von einigen Jahren zu refinanzieren und am Ende vielleicht sogar mit Gewinn zu verkaufen. So können Banken eine Abschreibung ihrer Schiffskredite minimieren oder sogar ganz vermeiden.

Was hat der Anleger von einer Sanierungsplattform, wenn er doch das Schiff verliert?

Göthel / Rossbach: Der Anleger kann unter Umständen von einer Markterholung profitieren. Dies kann über einen Besserungsschein erreicht werden, der ihm für den Fall einer Markterholung Zahlungsansprüche einräumt, oder dadurch, dass »sein« Fonds Gesellschafter der Plattform wird und damit dem Anleger als nunmehr mittelbarem Gesellschafter der Plattform die Chance auf zukünftige Ausschüt­tungen erhalten bleibt. Der Anleger profitiert aber auch deshalb von einer solchen Sanierungsplattform, weil er damit dem eben beschriebenen Risiko entgeht, im Insolvenzfall erhaltene Ausschüttungen zurückzahlen zu müssen.

Nikos Späth