Pfiffige Nachbarn

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Mit den meisten unserer Nachbarn haben wir Bundesbürger inzwischen ein sehr herz­liches, aber immer noch auch von diversen geschichtlichen[ds_preview] Altlasten und liebevoll ge­pflegten Klischees behaftetes Verhältnis. Neben Franzosen, Polen und Österreichern sind die Holländer dabei ganz weit vorn. Das fängt schon damit an, dass wir uns schwer tun, ob wir sie – politisch korrekt – Niederländer nennen oder verallgemeinernd nach ihrem Landesteil Holland. Über all die Käse-, Fußball- und Wohnwagen-Witze wollen wir an dieser Stelle lieber schweigen, aber immerhin lacht man heute auf beiden Seiten der (offenen) Grenze darüber. Und auch wir Deutschen sind gar nicht mehr so böse, wenn man uns als pedantische, bierbäuchige Spaßbremsen darstellt. Solange die Oranje-Elf uns keine Fußballweltmeisterschaft wegschnappt, ist eh alles gut…

Eine – befruchtende – Rivalität kennzeichnet das beiderseitige Verhältnis auch in der maritimen Wirtschaft. Hier sind uns die zah­lenmäßig kleineren Nachbarn nicht selten ein Stück voraus. Liegt das an ihrer natürlichen Pfiffigkeit, die daher stammt, stets den Hals über den Deich zu recken (um das allerletzte Klischee zu bemühen)? Oder von der sagenhaften historischen Leistung, dem Meer das Land erst abgetrotzt zu haben? Liegt es an der ge­ringeren Zahl an Menschen, die sich schneller für gemeinsame Ideen begeistern können? Oder am dort schwächer ausgeprägten büro­kratischen Föderalismus, der in Deutschland schon so viele gute Ansätze ausgebremst hat? Man weiß es nicht, vermutlich ist es eine Mi­schung von allem.

Jedenfalls sind die Holländer (bleiben wir mal in der Umgangssprache) in einem wichtigen Wachstumsfeld der maritimen Industrie Weltmarktführer, in dem deutsche Unterneh­men erst noch richtig Tritt fassen wollen: der Offshore-Branche, und hier insbesondere im Bereich Öl und Gas.

Auf der Rotterdamer Fachmesse Europort wird Anfang November erneut deutlich wer­den, wie viele Global Player aus dem König­reich sich inzwischen in der dynamischen Offshore-­Nische etabliert haben. Die Damen Shipyards Group, IHC Merwede, SBM Offshore oder Huisman sind nur einige solcher Namen (Berichte ab S. 18 in dieser Ausgabe).

Ob Spezialschiffbau und Umrüstungen, Decksausrüstung oder Bohrequipment, die Be­reederung von Offshore-Spezialschiffen oder Heavy Liftern – in nahezu allen Be­reichen sind die Holländer vorn dabei. Ihre geografische Nähe zum Nordsee-Öl und -Gas hat den Nachbarn (wie etwa auch den Norwegern) sicher geholfen, diese Sparte zu erschließen. Die Existenz eines heimischen Öl- und Gasmultis wie Royal Dutch Shell schadet sicher ebenfalls nicht. Aber allein das ist keine Erklärung für den Erfolg. Sonst würden Brasilianer und arabische Ölscheichs kein Hightech aus den Niederlanden importieren – sie hätten es selbst.

Mehr als 26 Mrd. € Umsatz in der maritimen Industrie und insgesamt fast 200.000 Ar­beitsplätze sprechen für exzellente Fachkräfte, eine gute Kooperation untereinan­der – man denke nur an das Netzwerk »Maritime by Holland« – und verlässliche politische Rahmenbedingungen. Dazu gehört auch ein Tonnage­steuersystem, das die Versorgung von Bohrinseln und Offshore-Windparks mit Spezial­schiffen ausdrücklich einschließt (S. 23ff).

Für Deutschland lohnt sich ein Blick über die Landesgrenzen daher unbedingt. Nicht nur in Sachen Ideenreichtum und Zusammenarbeit können wir von unseren Nachbarn etwas lernen, sondern auch bei der staatlichen Förderung einer Zukunftsbranche. Zumal bei uns selbst eine (Offshore)-Energiewende vor der Haustür stattfinden soll.


Nikos Späth