Print Friendly, PDF & Email

SVA-Geschäftsführer Manfred Mehmel zeichnet zum Jubiläum seines Unternehmens die Veränderungen von der Versuchsanstalt zum Ingenieurbüro mit Versuchsanlagen nach
Die Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam hat schon immer Forschung und Entwicklung betrieben – bereits zu einem Zeitpunkt, als sie noch keine Versuchsanlagen[ds_preview] besaß. Während in einem zentralisierten Staat mit gesteuerter Planwirtschaft die Inhalte und Ressourcen festgelegt und zugeteilt wurden, änderte sich mit der deutschen Wiedervereinigung alles: Nur die Versuchsanlagen und ihre qualifizierten Mitarbeiter blieben. Über die Diversifikation hat die Schiffbau-Versuchsanstalt wieder zu ihren Wurzeln gefunden. Neben der Forschung speist heute noch eine weitere Quelle die Arbeit der SVA Potsdam: die Praxis.

1990–1992: der Neubeginn

Nach der politischen Wende verfolgte die SVA das Ziel, sich in einen gemeinnützigen eingetragenen Verein umzuwandeln. Die Lieferungen schiffbaulicher Erzeugnisse der Werften in den neuen Bundesländern gingen zurück und es setzte sich die Erkenntnis durch, dass Brandenburg zur Konzipierung und Umsetzung eines landesbezogenen Verkehrs-, Sport- und Tourismuskonzeptes für die Binnenwasserstraßen eine zentrale Forschungseinrichtung benötigt.

Am 1. Juni 1990 wurde die Schiffbau-Versuchsanstalt GmbH als 100-prozentige Tochter der Deutschen Maschinenbau- und Schiffbau AG (DMS AG) gegründet. 1991 ging sie an die Treuhandanstalt zurück: Die Privatisierung oder Liquidierung des Unternehmensbestandes stand an. Durch veränderte politische Rahmenbedingungen und ein Konzept als gemeinnützige GmbH gelang Ende 1992 schließlich die Privatisierung als MBO/MBI mit drei Gesellschaftern: dem Förderverein der SVA, der GbR Belegschaft und der GbR Management.

1993–1997: Arbeit als Dienstleister

Als private, gemeinnützige Forschungseinrichtung spezialisierte sich die Versuchsanstalt in Schiffshydromechanik, Verkehrswesen und Wasserbau. Nun kooperierte die SVA Potsdam mit deutschen und ausländischen Unternehmen, Instituten sowie Universitäten und Fachschulen. Kommerzielle Dienstleistungen auf dem Gebiet der angewandten Forschung und Entwicklung zu erbringen, setzte sich durch.

Dazu bedient sich die SVA bis heute Versuchsanlagen von internationalem Standard. Hierzu zählen insbesondere eine 280 m lange Schlepprinne und ein Kavitationstunnel von mittlerer Abmessung für kostengüns­tige Versuchsleistungen. International gesehen gehört sie mit diesen Versuchsanlagen und ihrem Personalbestand eher zu den kleinen Schiffbau-Versuchsanstalten.

Schiffbauliche Tätigkeiten bilden heute wie damals die Kernkompetenz. Die Schiffbau-Versuchsanstalt erkannte in ihren Anfangsjahren: Eine Ausrichtung als weltweiter Dienstleister bietet Zukunftschancen und die Entwicklung zum Ingenieurbüro mit schiffbaulichen Versuchseinrichtungen erhöht die Wettbewerbsfähigkeit. Strategische Kooperationen erleichtern seither den Marktzugang. Gleichzeitig heißt das aber auch, dass der Wettbewerbsvorteil, der aus der Realisierung von angewandter Grundlagenforschung resultiert, nicht aufgegeben werden darf, sondern in eine gesunde Relation zu den Industrieaufträgen gebracht werden muss.

1998–2004: Ingenieursleistung ist gefragt

Die Auftragssituation Ende der neunziger Jahre zeigt, dass verstärkt Ingenieurleistungen abgefordert wurden, die durch Versuchsleistungen abzusichern waren. Neben der angestammten Haupt­linie, dem Angebot schiffbaulicher Leistungen – hier wurden speziell auf dem Gebiet der Computational Fluid Dynamics (CFD) und der Entwicklung von Propulsionssystemen wesentliche Fortschritte erzielt –, wurden auch tangierende Fachgebiete wie Maschinen- und Anlagenbau mit erfasst. Die SVA Potsdam erweiterte ihr Angebot an wissenschaftlichen Dienstleistungen besonders durch die bearbeiteten Forschungs- und Entwicklungsprojekte erheblich. Sie verbesserte damit die Chancen auf neue Kundenaufträge. Die Betriebsergebnisse bestätigen die Richtigkeit dieses damals eingeschlagenen Wegs: Nur intensive Marketingtätigkeit kann auch in Zukunft die eingeleitete Entwicklung absichern.

Ab 2005: neue Tochter, neue Projekte

Als Reaktion auf die gestiegenen Anforderungen der Industriekunden nach komplexen Ingenieursdienstleistungen insbesondere mit einem hohen Zulieferungsanteil fasste die SVA 2004 den Beschluss, eine wirtschaftliche Tochter zu gründen, um den Möglichkeiten des Marktes besser gerecht zu werden. Dieses Unternehmen, die SVAtech GmbH, setzte seinen Kurs, abgesehen von einem gesamtökonomisch bedingten Einbruch 2010, kontinuierlich fort. Die zunehmende Projektarbeit bei Spezialschiffen, aber auch die durch Kraftstoffpreise hervorgerufene Konzentration auf Nachbesserungen bestehender Schiffe und die Optimierung neu zu bauender Schiffe haben in Verbindung mit Offshore-Projekten zur Energiegewinnung zu einer anhaltend guten Nachfrage geführt.

Die SVA Potsdam hat sich den Status der Gemeinnützigkeit

bewahrt, der 1991/92 durch gezielte Förderbedingungen des Bundesministeriums für Wirtschaft initiiert wurde, obwohl sich diese Be­dingungen seit Mitte der neunziger Jahre kontinuierlich verschlechterten. Erst seit 2005 eine Forschungsinitiative der Bundesregierung das Budget wachsen ließ, trat wieder eine anhaltende Besserung ein. Dies zeigt sich auch bei den Investitionen, von denen viele nur möglich wurden, weil sie im Rahmen von Forschungsprojekten oder Förderprogrammen durch Beschlüsse des Deutschen Bundestages unterstützt wurden.

Als Ingenieurdienstleister zu überleben, ist ohne eigene Forschung und Entwicklung nahezu aussichtslos, denn nur durch diese wird eine Einrichtung wie die SVA Potsdam für den Mittelstand und auch die Großindustrie zu einem interessanten Partner. Dabei geht es schon lange nicht mehr nur um die deutsche Industrie, sondern um Europa und den Weltmarkt.


Manfred Mehmel