Umbruch allerorten

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Schifffahrtsstandort Deutschland, Ende 2013. Wir befinden uns im sechsten Jahr der Krise. Zugegeben, man kann es nicht mehr hören, das[ds_preview] K-Wort. Aber noch sind die Krisenerscheinungen tagtäglich spürbar.

Gleichzeitig macht sich eine Aufbruchstimmung breit, die einen misstrauisch werden lässt. Sie herrscht weniger bei uns, sondern vielmehr in den USA, Griechenland, Skandinavien oder Asien – also in jenen Schifffahrtsclustern, die weniger gebeutelt wurden als das vom KG-Markt dominierte Deutschland. Jedenfalls wittern wegen der günstigen Neubaupreise und dem in rauen Mengen zur Verfügung stehen­den billigen Geld etliche Marktteilnehmer eine Einstiegschance.

Auffällig viele Private-Equity-Fonds tummeln sich zurzeit in Hamburg – einige zum zweiten Mal, nachdem sie sich mit Vorkriseninvestments schon einmal die Finger verbrannt hatten. Sie haben es auf »gestresste« Schiffe aus den Abbauportfolien der Banken abgesehen, suchen aber auch Reedereipartner für neue Pro­jekte. Jetzt, wo Werften vermehrt »Green Ships« zu attraktiven Konditionen anbieten, scheint aus ihrer Sicht ein guter Zeitpunkt für ein antizyklisches Investment zu sein.

Aus individueller Perspektive mögen solche Investitionsentscheidungen ja durchaus sinn­voll sein, aber ob sie gut für den Gesamtmarkt sind, ist zu bezweifeln. Denn bislang wurden keine Überkapazitäten abgebaut. Mit rund 1,5 Mio. TEU wird das Jahr 2013 laut Alphaliner wohl sogar einen neuen Ablieferungs­rekord aufstellen. »Wir sollten den Markt nicht schon wieder mit Schiffen überversorgen«, warnt der türkische Investor Ro­bert Yuksel Yildirim, Anteilseigner von CMA CGM, im Interview mit der HANSA (S. 52ff.).

Umweltfreundliche und effizienzsteigernde Nachrüstungen in die Bestandsflotte wären für die Schifffahrtsbranche insgesamt der bessere Weg, argumentiert Peter Boyd, COO des Carbon War Room (S. 50f.). Aber offenbar mangelt es noch an entsprechenden Finanzierungs­instrumenten für das Refitting in großem Stil.

Das liegt vermutlich auch daran, dass die meisten schiffsfinanzierenden Banken weiterhin mit sich selbst und der Bewältigung der Krisenerscheinungen beschäftigt sind. Sie erhöhen ihre Risikovorsorge und ziehen beim Abbau der Portfolien das Tempo an (Bankenbilanz ab S. 30). Nur selektiv wird Neugeschäft von den deutschen Instituten betrieben. Dafür stellen sich neue Wettbewerber aus Skandinavien und Asien auf – man wird sehen, ob sie die Finanzierungslücke schließen können.

Für Schiffe in den Restrukturierungsab­teilungen werden die Aussichten im sechsten Jahr der Krise jedenfalls nicht besser. Die Fortführungsprognosen trüben sich angesichts weiterhin schwacher Chartermärkte ein, neue Nachschüsse der gebeutelten Anleger sind nicht zu erwarten. Und die anfangs als Allheilmittel betrachteten Sanierungsplattformen heben bislang auch nicht wirklich ab, u.a. weil eine Reihe von steuerrechtlichen Fallstricken lauern (S. 40ff). Die Plattformen mögen eine gute Alternative zu einem Notverkauf in aus­ländi­sche Hände sein, welche die Schiffe zu geringe­ren Kosten betreiben und so weiteren Druck auf den Chartermarkt ausüben könn­ten. Aber auch bei rein deutschen Lösungen, wie wir sie bereits gesehen haben, bedeutet das »Umparken« eines Schiffes in der Regel den Totalverlust für den Altinvestor. Immerhin, so heißt es, werde dieser von seiner Nachschuss­pflicht befreit, die bei einer Insolvenz einträte.

Eine konzertierte Abwrackaktion würde dem Markt wohl am ehesten helfen. Einen interessanten Vorschlag hierzu macht die Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms, die eine Abwrackprämie in Verbindung mit dem Unterschiedsbetrag ins Gespräch bringt (S. 46f). Wenn die Politik sonst schon kaum helfen kann, wäre hier ein Ansatzpunkt für eine parteiübergreifende Initiative.

Das Positive ist: Es kommt Bewegung in die Schifffahrt. Viele gute Ideen kursieren. Und manche Tabus sind keine mehr.


Nikos Späth