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Zur Reduktion klimaschädlicher Folgen der Seeschifffahrt und für die langfristige internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Reeder schlägt die Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms von den Grünen eine Abwrackprämie vor
Reeder und Schiffseigner haben zwischen den Jahren 2000 und 2007 eine Boomphase erlebt wie noch nie zuvor. Insbesondere die deutsche[ds_preview] Flotte wuchs zu einer der drei größten weltweit an. Doch mit der Wirtschafts- und Finanzkrise kam spätestens 2008 eine weltweite Schifffahrtskrise auf und damit trat Ernüchterung ein. Aufträge brachen weg und eine große Zahl bestellter Schiffe musste wieder storniert werden. Doch trotz allem: Bei Eignern von Containerschiffen gibt Deutschland weiterhin den Ton an. Ich finde, gerade in diesem Segment hat Deutschland eine besondere Hebelmöglichkeit. Es sollte überlegt werden, inwieweit eine Abwrackprämie für Schiffe der Branche helfen könnte.

Trotz der ernsten Lage der Reeder überstieg erst Mitte 2013 die Anzahl der verkauften und verschrotteten Schiffe die der Neuzugänge. Auch weiterhin ist zu viel Tonnage im weltweiten Einsatz, die maßgeblich zum Preisverfall der Fracht- und Charterraten beiträgt. Durch Ablieferungen von großen Containerschiffen an Reedereien, zum Beispiel an Maersk oder CMA CGM, haben sich seit Beginn der Schifffahrtskrise die Containerstellplätze auf vorhandenen Schiffen deutlich erhöht. Und Frachter ohne Transportaufträge kosten mehr, als deren Betrieb endgültig einzustellen und sie kurzfristig zu verschrotten.

Die Verkleinerung der Flotte scheint daher unumgänglich: Während im Jahr 2011 weltweit Schiffe mit einer Gesamt­tonnage von 12,5 Mio. BRZ abgewrackt wurden, waren es 2012 rund 18 Mio. BRZ.

Die langfristige internationale Wettbewerbsfähigkeit von Reedern und Schiffseignern ist ein wichtiges Ziel aktueller Politik. Ein weiteres ist die Reduktion klimaschädlicher Folgen der Seeschifffahrt. Für diese beiden Ziele brauchen wir Wege und Lösungen – eine Abwrackprämie könnte beide Probleme anpacken.

Wie könnte eine ökonomische und ökologische Lösung aussehen?

Es ist klar: Die deutsche Flotte, vor allem im Containerschiffs­bereich, muss wieder verkleinert werden, um die vorhandenen Überkapazitäten abzubauen. Dabei dürfen wir Klimaschutz und soziale Aspekte nicht vernachlässigen. Der Vorschlag einer Abwrackprämie soll zeigen, dass ökonomisch sinnvolle Lösungen mit Umweltschutz kombinierbar sind.

Die Reeder halten aufgrund des spürbar stärkeren Kostendrucks in der Krisenphase verstärkt nach Möglichkeiten Ausschau, um ihre Kosten zu senken. Einige Schiffsgesellschaften sind inzwischen an einem Punkt angekommen, an dem die generierten Einnahmen nicht die gesamten Betriebskosten decken. Dann steht der Verkauf von Schiffen oder deren Verschrottung an – wenn alle anderen möglichen Mittel erschöpft sind.

Damit befreien sich die Reeder von dem Risiko, langfristig auf Schiffsbetriebskosten wie Heuer oder Instandhaltung sitzen zu bleiben und unter dem Strich im operativen Geschäft nicht profitabel zu sein. Hauptursache dafür sind die in vielen Fällen niedrigen Charterraten für den Schiffstransport, die fast alle Segmente stark getroffen haben.

Ich plädiere bei einer Abwrackprämie für Weitblick. Die Lösung ist sicher nicht, die gesamte deutsche oder europäische Flotte auf einmal schlagartig zu verkleinern. Es würden sonst Chancen nicht genutzt werden können, wenn es wieder zu einer Marktbelebung kommen sollte. Außerdem wird es darauf ankommen, auch unter nachhaltigen Gesichtspunkten abzuwracken, damit soziale und ökologische Aspekte in die Gesamtrechnung der Investitionen einbezogen werden.

Welche Bedeutung hat der Unterschiedsbetrag in diesem Zusammenhang?

Die meisten der deutschen Schiffsgesellschaften haben zur Tonnagesteuer optiert und profitierten in den »guten« Jahren mit hohen Gewinnen von der pauschalen Gewinnermittlung. Doch viele Eigner von Schiffen, die bis Ende 2006 gekauft wurden, hatten sich noch für ein anderes Tonnage­steuermodell entschieden: das sogenannte »Kombimodell«. Damals sah das Steuerrecht andere Regelungen vor. Es musste die Differenz zwischen dem Buch- und Marktwert des Schiffes beim Wechsel zur Tonnagesteuer in einem Unterschieds­betrag festgehalten und bis zum Verkauf des Schiffes in der Bilanz fortgeschrieben werden.

Eben jener Unterschieds­betrag könnte einige Schiffsgesellschaften und insbesondere deren Kommanditisten beim Verkauf des Schiffes vor unangenehme Überraschungen stellen. Der Marktwert verschiedener Schiffstypen war 2006 noch auf einem deutlich höheren Niveau als heute. Dadurch ergibt sich in den meisten Fällen auch ein hoher Unterschiedsbetrag – der wiederum beim Verkauf des Schiffes zu einer Steuerlast führen kann. Daher schlage ich eine unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten konzipierte Abwrackprämie vor, die das Verschrotten der Schiffe unter bestimmten Bedingungen belohnt.

Wie kann mit Belohnungen für das Abwracken eine moderne, klimafreundliche Flotte geschaffen werden?

Eine erste Lösung für eine nachhaltige Abwrackprämie wäre etwa die Übertragung des bestehenden Unterschiedsbetrags eines zu verschrottenden Schiffes auf einen Neubau. Dabei könnten Schiffe, deren Ablieferung ab dem Jahr 2015 vorgesehen ist, den Unterschiedsbetrag des alten Schiffes übertragen bekommen. Das hätte den Vorteil, dass die Steuerschuld nicht in den heutigen, für manche Reeder finanziell schweren Zeiten zu tragen ist, sondern erst zum Verkaufszeitpunkt des neuen Schiffes – in 20 oder 30 Jahren. Dieser Zeitraum ist lang, aber für einen Staat weitaus einfacher zu überbrücken als für einen Unternehmer. Dann ist möglicherweise auch der nach § 5a Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfreie Schiffserlös wieder deutlich höher. Fazit: Die Steuerlast würde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und auch deutlich gesenkt werden können.

In einer zweiten Stufe könnten Reeder für neu in Auftrag gegebene Schiffe, die neueste Umweltstandards erfüllen, also zum Beispiel Gasmotoren vorweisen, nicht nur von einer Übertragung des Unterschiedsbetrags auf neue Schiffe als Abwrackprämie profitieren. Als Bonus könnte darüber hinaus für diese besonders umweltfreundlichen Schiffe noch ein Abschlag des Unterschiedsbetrags gewährt werden.

Als zusätzliche Lösung wäre auch die Übertragung des Unterschiedsbetrags auf ein bestehendes Schiff der Reederei denkbar, für das eine emissionsreduzierende Nachrüstung an der Antriebstechnik durchgeführt wird. Dafür kämen allerdings nur Schiffe in Frage, bei denen sich eine solche Umrüstung auch wirtschaftlich über die Lebensdauer des Schiffes lohnt. Vorstellbar wäre es auch, die Bonuslösung für die Abwrackprämie mit der verbindlichen Zusage des Reeders für Ausbildungsmöglichkeiten auf Schiffen deutscher Eigner zu verbinden.

Das Sympathische an einer solchen Lösung wäre der Abbau unbenötigter Tonnage bei gleichzeitiger Erneuerung um wenige, aber moderne und zukunftsfähige Schiffe. Die in finanziellen Schwierig­keiten trudelnden Schiffsgesellschaften könnten von dieser Lösung langfristig profitieren.

Ist die Schifffahrt zu langsam, um sich der gegenwärtigen Situation zu stellen?

Aktuell gehen vermehrt Reedereien den Konsolidierungskurs, verbünden sich und fusionieren mit bisher konkurrierenden Reedereigruppen. Davon versprechen sich die Schiffseigner eine erhöhte Auslastung ihrer Schiffe bzw. eine Kostensenkung. Das hat jüngst eine Branchenumfrage von PwC ergeben. Vor diesem Hintergrund wurden bisher verschiedene Lösungen diskutiert, um die überschüssige Tonnage weiter abzubauen. Ohne fremde Hilfe vonseiten des Staates würde eine »sanfte« Marktkonsolidierung zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Ein Schrumpfungsprozess ist aber dringend notwendig, um die Kosten der Reeder mittelfristig zu senken und die gesamte deutsche Flotte langfristig wieder wettbewerbs­fähig aufzustellen. Mit einer nachhaltig gestalteten Abwrackprämie bestehen meiner Auffassung nach daher große Chancen, dass in der deutschen Seeverkehrswirtschaft die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden und wieder zuversichtlich in die Zukunft geblickt werden kann.

Welche Vorteile bietet die nachhaltige Abwrackprämie?

Die Lösungen verschieben die mögliche Steuerlast des Unterschiedsbetrags bei Verkauf des Schiffes auf einen späteren Zeitpunkt und schaffen finanziellen Spielraum. Außerdem entsteht ein Anreiz für neue, nachhaltige Investitionen. Im Vordergrund soll die Belohnung für die Verringerung der Kapazitäten stehen, um die eingesetzten Schiffe wieder mit höherer Auslastung fahren zu lassen.

Gleichzeitig entsteht ein Anreiz, klimaschädliche Auswirkungen der Seeschifffahrt zu reduzieren. Reeder werden steuerlich entlastet, wenn sie einen modernen Neubau planen. Wenn ein solcher Neubau nicht nur bisherige Umweltstandards einhält, sondern ökologisch zukunftsweisende Lösungen umsetzt, soll das entsprechend zusätzlich steuerlich belohnt werden. Wünschenswert wäre auch ein Bonus, der die Ausbildung an Bord der Schiffe honoriert.

Autorin: Dr. Valerie Wilms, MdB, Expertin für maritime

und Nachhaltigkeitsthemen bei Bündnis90/Die Grünen,

www.valerie-wilms.de

Valerie Wilms