David gegen Goliath

Print Friendly, PDF & Email

Für uns alle war der Spaßfaktor in der Schifffahrt sicherlich schon einmal höher. Und dieser Zustand wird wohl auch noch[ds_preview] eine Weile anhalten. Wie jüngst auf dem HANSA-Forum deutlich wurde, geht kaum mehr jemand von einem Abebben der Krise vor Mitte bis Ende 2015 aus (S. 42ff.).

Doch – so muss man sich fragen – sind wir überhaupt noch in der Krise? Oder vielleicht im Zustand des »New Normal«, den Maersk unlängst postuliert hat? Dieser könnte so aussehen: Wachstum im einstelligen Prozentbereich; gnadenloser Preiskampf; Trend zur Größe, abgesehen von ein paar exotischen Nischen; schmale Margen, die ein Massengeschäft erfordern – sprich: Zustände wie etwa im Einzelhandel? Das mag sein, zumindest ist der tiefgreifende Strukturwandel, den andere Branchen längst hinter sich haben (etwa auch die Autoindustrie), nicht mehr zu leugnen.

Zum Strukturwandel gehört auch die immer weiter fortschreitende Konsolidierung.Sie wird zurzeit vor allem aufseiten der Linien­reedereien vorangetrieben. Zwar ist es seit Langem zu keiner Fusion zwischen führenden Marktteilnehmern gekommen (womöglich ändert sich das demnächst mit Hapag-Lloyd und CSAV?), aber dafür werden fleißig Allianzen geschmiedet. Nachdem die Ankündigung des P3-Bundes von Maersk, MSC und CMA CGM Mitte dieses Jahres für Schockwellen in der Branche sorgte, reagiert nun auch die G6 Alliance: APL, HMM, MOL, Hapag-Lloyd, NYK und OOCL wollen ihre gemeinsamen Dienste nun auch auf die Transatlantik- und Asien–US-Westküste-Routen ausweiten. Auf der Ost-West-Rennstrecke operieren sie bereits zusammen mit 240 Schiffen.

Der erste Gedanke mag ein positiver sein, nämlich dass sich durch die Bündnisse der Top-Player die Frachtraten stabilisieren. Mit dem Ende der Preiskämpfe um Marktanteile, könnte man meinen, würde insgesamt mehr Geld in die Schifffahrt fließen, was zwingend notwendig ist. Schließlich ist das Schiff der mit Abstand günstigste Verkehrsträger – auf Stückkostenbasis ist bei jeglichen Produkten in Sachen Transportkosten sicher Luft nach oben. Doch dieser Gedanke ist trügerisch. Denn es steht klar zu befürchten, dass sich zwar die Bilanzen der Linienreedereien verbessern werden, aber nicht substanziell mehr Geld bei Eignern und Bereederungsgesell­schaften hängen bleibt.

Neben Trampreedern sind Spediteure und Stauereien bereits alarmiert. So haben in den USA die National Industrial Transportation League, die International Longshoremen’s

Association und das Global Shipper’s Forum deutlich Anti-Stellung gegen die P3-Allianz bezogen. Deren Argumente hat die ameri­kanische Aufsichtsbehörde Federal Maritime Commission (FMC) aufgegriffen und nimmt die Allianzbildung genau unter die Lupe.

Noch kurz vor Weihnachten wird gemeinsam mit Wettbewerbshütern aus China und Europa ein Spitzentreffen stattfinden, das die Auswirkungen von P3 und auch die Ausweitung der G6 Alliance zum Thema hat. Man darf gespannt sein, ob die Aufseher den Li­nien – wie schon in der Vergangenheit – mit Auf­lagen begegnen, was sicherlich zum Wohle der gesamten Branche wäre.

Gerade die ohnehin unter Druck stehende deutsche Trampreederschaft würde gegenüber ihren Geschäftspartnern in eine noch schlechtere Verhandlungsposition geraten, sollten sich diese zu immer größeren Einheiten zu-sammentun. Dagegen managen in Deutschland nur ein Dutzend Reedereien mehr als 50 Schiffe; bei 275 sind es weniger als zehn Frachter. Angesichts dieser Zahlen wundert es, dass bislang wenig Opposition aus der deutschen Reederschaft laut geworden ist. In der Branche grummelt es, dass der Verband Deutscher Reeder durchaus vehementer gegen P3 und G6 opponieren könnte. Wovor hat man Angst? Im David-gegen-Goliath-Spiel gibt es nicht viel zu verlieren …


Nikos Späth