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Langsam, aber sicher kommt das Thema LNG in Fahrt. Mahinde Abeynaike, Geschäftsführer von Bomin Linde, spricht im Interview über die Pläne des Unternehmens beim Aufbau von Bunkerinfrastruktur, über die Gaspreisentwicklung und aussichtsreiche Anwendungsfälle in der Schifffahrt
Herr Abeynaike, um LNG als Kraftstoff für die Schifffahrt ranken sich viele Mythen. Welche sind aus Ihrer Sicht die[ds_preview] zentralen?

Mahinde Abeynaike: Es gibt drei Hauptthemen: Zum einen das Henne-Ei-Thema bei der Bunkerinfrastruktur, dann das Thema Sicherheit und schließlich den Mythos, dass LNG sich als Kraftstoff aus finanzieller Sicht nicht lohnt.

Fangen wir beim Henne-Ei-Thema an. Hier zeigt sich, dass jeder Mythos natürlich etwas Wahres hat: So stehen wir in der Tat vor der Situation, dass es die Infrastruktur noch nicht wirklich gibt. Die Linde-Gruppe bebunkert zwar als weltweit erster Anbieter LNG Schiff-zu-Schiff in Stockholm, aber das ist eben noch ein Einzelfall. Um das Henne-Ei-Problem zu lösen, muss einer anfangen. Das tun wir nun. In Deutschland etwa in Hamburg und Bremerhaven. Mit diesen beiden Bunkerterminals werden wir mit der entsprechenden Verteillogistik den gesamten deutschen Nord- und Ostseeküstenraum abdecken können.

Zur Sicherheitsthematik. Sind die hier teils vorherrschenden Ängste unbegründet?

Abeynaike: Erdgas ist kein unbekannter Stoff. Die meisten Menschen haben es im Keller und nutzen es zum Heizen. Bei der Bebunkerung der LNG-Fähre »Viking Grace« in Stockholm gab es weder im Rahmen des Genehmigungsverfahrens Sicherheitsbedenken noch vonseiten der Bevölkerung.

LNG ist eine tiefkalte Flüssigkeit, für die es Vorschriften gibt, die einen sicheren Umgang erlauben. Verflüssigtes Erdgas wird auch heute schon in Deutschland transportiert, z.B. versorgt die Linde-Gruppe diverse Industriekunden mit LNG. Wenn LNG in die Umgebung gelangt und verdampft, ist es nur in einem bestimmten, im Vergleich zu anderen Kraftstoffen wie LPG und Benzin aber sehr engen Mischungsverhältnis mit Luft entzündlich. Der Umgang mit Kohlenwasserstoffen in der Industrie und in privaten Haushalten unterliegt daher genauen Vorgaben, die ein sehr hohes Maß an Sicherheit garantieren. Erdgas wird übrigens ja schon im Personenverkehr als umweltfreundlicher, wirtschaftlicher und sehr sicherer Kraftstoff von vielen Kommunen und Unternehmen eingesetzt. Gleiches gilt für die Verwendung als Kraftstoff für die Schifffahrt. Denn LNG ist, da es als Erdgas leichter als Luft ist, ein nicht wassergefährdender Stoff – im Gegensatz zu allen ölbasierten Kraftstoffen.

Zum dritten Thema: Die Frage, ob der Einsatz von LNG auf Schiffen finanziell Sinn macht, lässt sich vermutlich nicht so einfach beantworten.

Abeynaike: Gas ist heute schon deutlich günstiger als traditionelle Bunkerfuels. Aber man muss natürlich sehen, dass Spot-Gaspreise wie »TTF« oder »NBP« für den Endkunden nur einen Teil des Preises ausmachen. Hinzu kommen Logistikkosten für die Verteilung, aufwendige Bunkerstationen, Betankungsschiffe etc. Dennoch sind wir heute schon zu traditionellen Bunkerfuels wettbewerbsfähig. Das gilt insbesondere für Marine Gas Oil (MGO). Schon jetzt können wir LNG signifikant günstiger anbieten als MGO. Und wenn ich an 2015 denke: Bis auf die wenigen, die bis dahin LNG oder Scrubber verwenden, wird dann jeder, der in Emissionskontrollzonen unterwegs ist, mit destilliertem Bunker fahren. Die damit massiv ansteigende Nachfrage könnte den MGO-Preis durchaus in die Höhe treiben.

Die Zusatzkosten für den Gasantrieb sollten Reeder bei der Rechnung aber nicht vergessen.

Abeynaike: Uns ist natürlich klar, dass wir unser LNG so günstig anbieten müssen, dass sich die zusätzlichen Investitionen in Motor und Tank rechnen. Nur aus Umwelt- und Nachhaltigkeitsgründen wird in diesen schweren Zeiten in der Schifffahrt kaum jemand in LNG investieren. Vor diesem Hintergrund können wir schon heute Preise darstellen, die auf der betriebswirtschaftlichen Seite absolut Sinn machen, also einen attraktiven Return on Investment bieten.

Ist staatliche Unterstützung vonnöten?

Abeynaike: Eine dezidierte Fördermöglichkeit für innovative und umweltbewusste Technologien auf See würde den Reedern schon helfen. Denn keines der existierenden Förderprogramme, etwa der staatlichen KfW Bank, ist gemünzt auf das Thema LNG als Schiffskraftstoff. Zudem sind die Fördermechanismen gerade auf EU-Ebene sehr komplex.

Neben Finanzierungsengpässen tut sich in Sachen LNG offenbar noch nicht so viel, weil Reeder weltweit hoffen, dass sich das Inkrafttreten der schärferen SOx- und NOx-Grenzen womöglich noch einmal verschiebt.

Abeynaike: Diese Einstellung ist nicht zielführend. Die Schwefelregulierung wird im Jahr 2015 kommen, da gibt es auch wenige, die daran zweifeln. Und wenn man dies unterstellt, sollte man sich als betroffener Reeder damit auseinandersetzen, wie man die entsprechende Lösung auf den Weg bringt. Diesen Schwenk sollten langsam einmal alle hinbekommen.

»Transatlantik-Trades sind interessant, weil in den USA das Gas deutlich weniger kostet als bei uns«

Zurück zum Thema Preis: Welche Parameter sind für die Preisgestaltung entscheidend? Worauf müssen potenzielle Anwender achten?

Abeynaike: Die wesentlichen Kostentreiber auf unserer Seite sind Ort, Menge und Art der Bebunkerung. Letzteres bezieht sich insbesondere auf die Frage, ob Land-zu-Schiff oder Schiff-zu-Schiff betankt werden soll. Anwender sollten sich bei ihrer Entscheidung z.B. über Größe der LNG-Tanks Gedanken machen, die die Investitionen in die LNG-Ausstattung und die Auswirkung auf die Raumnutzung auf den Schiffen stark beeinflusst. Beschäftigt man sich mit diesen Aspekten schon früh im Entscheidungsprozess – am besten gemeinsam mit dem Bunkerlieferanten – lassen sich optimale Lösungen gestalten.

Kann man jetzt schon sagen, für welche Schiffstypen und Fahrtgebiete sich LNG-Investitionen auszahlen?

Abeynaike: In den Nord- und Ostsee-ECAs sowie rund um die USA sind solche Routen besonders interessant, die eine gewisse Stabilität haben, wie etwa Fähr- und Feederverkehre. Mittelfristig sind zudem Transatlantik-Trades interessant, weil in den USA das Gas deutlich weniger kostet als bei uns und dort entsprechend günstiger bebunkert werden kann.

Sollte die Schiefergas-Entwicklung in Nordamerika so dynamisch weitergehen, wäre es naheliegend, wenn die Schifffahrt die dortigen Preisunterschiede zwischen Öl- und Gas nutzt. Woran hapert es?

Abeynaike: Wir sehen uns die Entwicklungen in den USA sehr genau an. Im Gasbereich ist in den USA in den letzten Jahren viel geschehen. Der Fokus lag auf den großen Infrastrukturthemen wie Erdgasförderung, Pipelines und Export-Terminals. Gas bzw. LNG als Treibstoff für Schiffe oder Trucks kommt nun in einer zweiten Welle des Gas-Hypes in den USA. Das Thema ist dort also zwar später gestartet, nimmt nun aber sehr stark Fahrt auf.

Bleiben die Preisdifferenzen bei LNG in Nordamerika, Europa und Asien bestehen, spräche dies für die Verwendung von Dual-Fuel-Motoren, um beim Bunkern flexibel zu bleiben.

Abeynaike: Mittelfristig könnten die anstehenden großen amerikanischen Gasexporte dazu führen, dass die Gas/LNG-Preise in Asien und auch in Europa sinken werden. Welche Auswirkung dies für die Schifffahrt haben kann, zeigt sich eindrucksvoll an der Tatsache, dass in den USA LNG auf dem Preisniveau von HFO angeboten werden könnte, wenn bald die ersten Betankungsmöglichkeiten etabliert sind. Auf diesem Niveau macht es dann auch

für den transkontinentalen Verkehr ökonomisch viel Sinn, auf LNG umzusteigen. Dual-Fuel-Motoren werden das Mittel der Wahl beim LNG-Antrieb bleiben, zumindest bis eine flächendeckende LNG-Betankungsstruktur besteht.

Wie sieht die Verfügbarkeit von LNG aktuell bei uns vor der Haustür aus?

Abeynaike: Wir sind bereits lieferfähig, beispielsweise aus Nynäshamn, wo Linde ein 20.000 m3 großes LNG-Terminal betreibt. Mit der Infrastruktur, die wir aus­bauen, wird sich die Verfügbarkeit bald deutlich vergrößern. In Hamburg und Bremerhaven schließen wir derzeit die letzten planerischen Vorbereitungen ab, um im Anschluss die Anlagenteile fertigen zu lassen und die Terminals zu errichten. Alle notwendigen Genehmigungen sollen gemäß Plan bis Mitte 2014 erteilt sein, sodass die Anlagen 2015 in Betrieb gehen. Bedarf, der bereits vorher entsteht, wird über Belieferung mit Trucks abgedeckt.

Könnte es eine Unterversorgung geben, wenn kurzfristig viele Schiffe mit LNG-Antrieb in Fahrt gehen sollten? Schließlich sind die Vorlaufzeiten beim Aufbau von Bunkerinfrastrukturen relativ lang.

Abeynaike: Diese Gefahr sehe ich nicht. In der Regel wird die Versorgung geklärt, bevor das Schiff bestellt wird. Außerdem bauen wir unsere Infrastruktur so auf, dass sie schnell skalierbar ist und wir mit Trucks und Betankungsschiffen einen großen Umkreis versorgen können. So werden wir von den Bunkerstationen in Hamburg und Bremerhaven aus die ganze deutsche Nord- und Ostseeküste beliefern können.

Wie viele Schiffe werden Sie mit den entstehenden Depots bebunkern können?

Abeynaike: Allein die Bunkerstationen in Hamburg und Bremerhaven lassen sich bei entsprechendem Bedarf schnell zu einer Kapazität ausbauen, mit der 50 Seeschiffe voll versorgt werden können. Flächen für größere Erweiterungen sind vorhanden.

Bislang sind Ausnahmegenehmigungen vonnöten, um die Elbe oder Weser mit einem LNG-betriebenen Schiff zu befahren. Fürchten Sie nicht, dass Sie aus diesem Grund wenige oder gar keine Kunden bekommen könnten?

Abeynaike: Aufgrund der zunehmenden Erfahrungen beim Einsatz von LNG als Schiffstreibstoff auch im Binnenbereich und der voranschreitenden Arbeit bei der Etablierung der entsprechenden regulatorischen Standards sind wir optimistisch, dass etwaige behördlichen Bedenken hier ausgeräumt werden können.

»Von ›Hubs‹ wie Hamburg oder Bremerhaven können kleinere Häfen mit Trucks oder Bargen beliefert werden«

Teilen Sie den Eindruck, dass unsere niederländischen Nachbarn hier mal wieder smarter sind?

Abeynaike: Wenn ich an LNG-Betankungsmöglichkeiten denke, sehe ich gar keinen Unterschied. Ich glaube, wir haben in Deutschland sehr wohl erkannt, dass das Angebot von LNG für die Hafenstandorte künftig eine hohe Bedeutung im Wettbewerb hat, sodass nun in diese zukunftsweisende Technologie investiert wird.

Die neue Bundesregierung hält in ihrem Koalitionsvertrag übrigens fest, dass sie die Einführung von LNG für die Schifffahrt vorantreiben wird. Die Schaffung entsprechender Anreize für einen Umstieg auf LNG als Treibstoff seitens der Politik wird für die Nachfrage ein wichtiger Treiber sein. Und was die Niederlande betrifft, sehen wir dort keinen Wettbewerb, sondern freuen uns, wenn das Thema vorankommt und international eine LNG-Bunkerinfrastruktur entsteht.

Die Europäische Kommission hat als Ziel ausgegeben, bis 2020 bzw. 2025 in allen

139 See- und Binnenhäfen des transeuro­päischen Verkehrsnetzes LNG-Tankstellen zu installieren. Halten Sie das für realistisch?

Abeynaike: Wi Wir werden in führenden See- und Binnenhäfen sehen, dass dort stationäre Bunkermöglichkeiten entstehen. Von diesen »Hubs«, wie Hamburg oder Bremerhaven, können dann kleinere Häfen mit Trucks oder Bargen beliefert werden, sodass auch hier LNG zur Verfügung steht. Letztendlich wird die Nachfrage über die Dichte der Infrastruktur entscheiden.

der LNG-Bunkerbarge »Seagas« betankt die Linde-Tochter AGA seit März

die Gasfähre »Viking Grace«, die zwischen Stockholm und Turku verkehrt. Wie sind hier Ihre Betriebserfahrungen?

Abeynaike: Di Die Schiff-zu-Schiff-Betankung funktioniert absolut problemlos und dauert lediglich 45 Minuten. Die »Seagas« genügt den höchsten Ansprüchen. Die Barge ist nach dem International Gas Code zertifiziert und erfüllt damit die gleichen Standards wie ein großer LNG-Carrier.

eben Sie in Hamburg und Bremerhaven dasselbe Betankungsprozedere an wie in Stockholm?

Abeynaike: WirWir werden bedarfsgetrieben mit Bunkerschiffen arbeiten. Gerade in der Containerschifffahrt ist es Standard, dass es eine Schiff-zu-Schiff-Bebunkerung gibt, die während des Löschens und Ladens vonstatten geht, damit im Hafen keine Zeit verloren wird.

ches Potenzial sehen Sie in der Kreuzschifffahrt, wo wir bisher erst über den Hafenbetrieb mit Gas oder über LNG-Bargen als Alternative zum Landstrom reden?

Abeynaike: Kr Kreuzfahrtschiffe sind mittelfristig hochinteressant, denn sie verbringen etwa in der Karibik, an der US-Küste oder in Nord- und Ostsee viel Zeit in Emissionskontrollzonen. Zudem wird der Nachhaltigkeitsaspekt bei der Vermarktung eine wachsende Rolle spielen, nach dem Motto: »Bei uns kommt kein schwarzer Rauch aus dem Schornstein«. Eine Herausforderung ist es, bei wechselnden Routen des Schiffes die durchgängige Versorgung mit LNG sicherzustellen, und zwar in großen Mengen. Dieses Marktsegment wird mittelfristig für den LNG-Antrieb sicher sehr spannend werden. Für bestimmte Routen und Schiffe könnte es bereits heute durchaus interessant sein, sich das Thema genau anzusehen.


Nikos Späth