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Nach dem Einbruch des KG-Marktes ist die deutsche Schifffahrt auf neue Investoren angewiesen. Doch viele der Reedereien sind für ausländisches Kapital noch nicht attraktiv genug. Es fehlen oftmals wettbewerbs-fähige Strukturen und Geschäftsmodelle. So lautete das Fazit des diesjährigen HANSA-Forums Schiffsfinanzierung. Ein Nachbericht von Krischan Förster
Die Traditionsveranstaltung, dieses Mal unter den Titel »Nach der großen Schifffahrtskrise – Strategien und Modelle für die Märkte von morgen« gestellt[ds_preview], fand bereits zum 17. Mal statt. Die bedeutend­ste Konferenz zum Thema Schiffsfinanzierung in Deutschland erzielte mit rund 550 Teilnehmern im Hamburger Grand Elysée erneut eine hervorragende Resonanz.

In vier Panels zu den Themen Shipmanagement, Sanierungsplattformen, neue Investmentkonzepte und der Zukunft der Emissionshäuser diskutierten hochkarätige Vertreter aus der Reedereiwirtschaft, von Banken und Fondshäusern über die aktuellen Herausforderungen für die Branche.

Im mittlerweile sechsten Krisenjahr ist eine Erholung des Marktes weiter nicht in Sicht. Eine der Folgen: Der über drei Jahrzehnte erfolgreiche KG-Markt in Deutschland sei zusammengebrochen, stellt Torsten Teichert, Vorstandschef von Lloyd Fonds, fest. Die klassische Schiffsfinanzierung sei so gut wie »tot«. Zumal, so seine Einschätzung, die Tonnagesteuer, also die bislang gewährten steuerlichen Vorteile für Schiffsfonds, unter der neuen Koalition in Berlin keinen Bestand haben werde. »Private Anleger werden vorerst nicht mehr in die Schifffahrt investieren«, so Teichert.

Mehr als 350 Schiffe verkauft

Laut einer aktuellen Erhebung der Deutschen Fondsresearch befinden sich aktuell 363 Schiffsfonds in der Sanierung. Dabei stehen neben 3,2 Mrd. € an Fremdkapital von Banken zusätzlich auch 4,8 Mrd. € Anlegergelder auf dem Spiel. Seit dem Jahr 2010 seien bereits 271 Fonds mit insgesamt 353 Schiffen verkauft worden – rund 3,9 Mrd. € Anlegergelder gingen dabei zum Teil oder komplett verloren.

Gestiegenen Kosten stehen weiter erheblich gesunkene Einnahmen gegenüber. Bei jedem dritten Schiff können noch nicht einmal die laufenden Betriebskosten gedeckt werden, heißt es in der Studie. Nur bei 40 % aller Schiffe reichen die Einnahmen derzeit aus, um noch eine Tilgung bei den Banken zu leisten. An eine Ausschüttung für die Anleger sei erst gar nicht zu denken.

Von den verbleibenden 622 Fonds gelten sogar 80 % als gefährdet. »Ob die Sanierung erfolgreich verläuft und die Fonds irgendwann wieder eine Rendite erwirtschaften, ist in den meisten Fällen völlig offen«, so Nils Lorentzen, Geschäftsführer der Deutschen Fondsresearch. »Im schlimmsten Fall droht auch diesen Schiffen noch die Insolvenz oder der Verkauf.« Denn weder Banken noch Anleger wollten oder könnten weiteres Geld für Sanierungskonzepte zur Verfügung stellen.

Hermann Ebel, Vorstandsvorsitzender der Hansa Treuhand, rechnet nicht damit, dass es vor 2016 neue Schiffsfondsangebote geben wird. »Das Vertrauen der Anleger ist durch die finanzielle und wirtschaftliche Krise weitgehend zerstört«, sagte er auf dem Forum. Selbst wenn 2015 die Raten steigen sollten, würden Anleger vermutlich noch abwarten. Für realistisch hält er künftig

ein jährliches Marktvolumen von höchstens 1 bis 2 Mrd. €. In Glanzzeiten war es das Doppelte, wohingegen die deutschen Emissionshäuser im ersten Halbjahr 2013 lediglich 27,4 Mio. € für Schiffsfonds einwerben konnten, davon 23,6 Mio. € Nachschüsse im Rahmen von Sanierungen.

Banken bauen Portfolien weiter ab

Auch die schiffsfinanzierenden Banken versuchen, ihre Bilanzsumme sowie ihre Risiken zu reduzieren. Bei UniCredit sind es nur noch 6 Mrd. statt einst über 10 Mrd. € im Schiffsportfolio. Die Commerzbank hat ihr Kreditvolumen seit 2012 von etwa 19 Mrd. auf mittlerweile 15,5 Mrd. € verringert. Ein knappes Drittel wird weiter als »high risk« eingestuft. Für den weiteren »wertschonenden« Abbau auf 14 Mrd. € gibt sich die Bank bis 2016 Zeit. Für die verbliebenen Assets wird nach Plattformlösungen gesucht, um Problemschiffe auszugliedern und neu zu finanzieren.

So wurde mit der Hanseatic Ship Asset Management GmbH (HSAM) eine eigene Gesellschaft gegründet, um Frachter selbst zu übernehmen. »Zielsetzung ist, sie erst zu veräußern, wenn der Markt sich verbessert«, sagte Matthias Pohl, Leiter des Portfoliomanagements (Inland) der Commerzbank. Allerdings kämen dafür grundsätzlich nur jüngere Containerschiffe und Bulker infrage, so Pohl.

Eine eigene Auffanggesellschaft soll es hingegen bei der HSH Nordbank, die ein Drittel ihres Kreditvolumens als sanierungsbedürftig einstuft, nicht geben. Auch eine großflächige Zwangsverwertung von Schiffen sei nicht geplant, sagte Wolfgang Topp, Leiter der Restructuring Unit der HSH. »Wir haben hier auch eine Verantwortung und können nicht eine ganze Branche abschneiden«, so Topp. Stattdessen wurde gemeinsam mit der Navios-Schifffahrtsgruppe ein neuer Finanzierungsansatz für insolvente oder stark insolvenzgefährdete Schiffe entwickelt. Navios übernahm im April als neuer Investor insgesamt zehn Schiffe und stellte frisches Kapital bereit.

Die HSH bereite derzeit weitere Transaktionen nach diesem Ansatz vor. So gebe es Gespräche mit Vertretern der Hamburger Reederschaft über den Einstieg in ein vergleichbares Portfolio, erklärte Topp. »Ich hoffe, dass wir im ersten Quartal 2014 zum Abschluss kommen.« Insgesamt geht die Bank nach früheren Angaben davon aus, Schiffe im Wert von mehr als 1 Mrd. € mit diesem Finanzierungsansatz aus der Bilanz nehmen zu können.

Reeder auf Investorensuche

Ohne private Anleger und schiffsfinanzierende Banken braucht die Branche dringend frisches Kapital. Deutsche Reedereien suchen daher verstärkt im Ausland nach neuen Investoren. So hat die Hammonia Reederei – ein Gemeinschaftsunternehmen der Peter Döhle Gruppe, HCI Capital und der Transportfinanzierungssparte des US-Konzerns General Electric – kürzlich zusammen mit einem bislang noch ungenannten US-Investor ein Joint Venture namens Hammonia Containership Co. gegründet. »Wir haben die letzten drei Jahre damit verbracht, jede Klinke in New York zu putzen, bis wir endlich fündig geworden sind«, berichtete Karsten Liebing, geschäftsführender Gesellschafter der Hammonia Reederei.Ziel sei es, gemeinsam mit dem amerikanischen Partner gebrauchte Containerschiffe günstig aufzukaufen, um dann bei einer Markterholung von steigenden Charterraten und Schiffswerten zu profitieren.

Etliche internationale Reedereien haben bereits ähnliche Bündnisse für Containerschiffsinvestitionen geschmiedet: Die an der New Yorker Börse gelisteten Firmen Seaspan und Costamare kooperieren beispielsweise mit den Private-Equity-Unternehmen Carlyle und York Capital Management.

Auch die Reederei Nord hat erfolgreich Kapital eingeworben. Zusammen mit institutionellen Investoren aus den USA und der Schweiz seien mehrere mittelgroße Containerschiffe sowie ein Handy­size-Bulker bestellt worden, berichtete Christoph Geck-Schlich, Geschäftsführer der Nord-Tochtergesellschaft Oldendorff Overseas Investments, in Hamburg. Weitere große Projekte könnten noch folgen. »Aber vorher muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden«, räumte Geck-Schlich ein.

Auch die kürzlich abgeschlossene Joint-Venture-Vereinbarung zwischen der Rickmers Gruppe und Apollo Global Management zeigt, dass strategische Investoren (Private Equity, Hedgefonds, Family Offices) durchaus bereit sind, in die Schifffahrt zu investieren. Laut einer Prognose könnten bis Ende 2014 international rund 3 Mrd. € an Privatkapital aktiviert werden.

Doch noch seien die meisten Reedereien gar nicht kapitalmarktfähig, lautete die Einschätzung auf dem Forum. »Davon sind wir meilenweit entfernt«, sagte Lloyds-Fonds-Chef Teichert. Es fehle an Dienstleistungs­tiefe, modernen Managementstrukturen und überzeugenden Geschäftsmodellen.

»Kostenschlacht« nicht zu gewinnen

Deutsche Bereederungsgesellschaften müssten künftig mehr Verlässlichkeit, mehr Effizienz, technisches Know-how und Service für ihre Kunden bieten. »Denn die Kostenschlacht gegen ausländische Anbieter ist nicht zu gewinnen«, so Jan-Henrik Hübner, Leiter Shipping Advisory bei FutureShip (DNV GL), auf dem HANSA-Forum. Ein Retrofit von Bestandsschiffen könne Einsparungen von bis zu 20 % der Betriebskosten bringen, dafür gebe es ein ganzes Bündel von bis zu 40 Einzelmaßnahmen, erläuterte Hammonia-Chef Liebing anschaulich – von der Trimmoptimierung über ein besseres Wetterrouting bis hin zu technisch-baulichen Veränderungen an Propeller, Wulstbug oder Turbolader. Das Problem: »Auch das kostet viel Geld«; geschätzt 500.000 bis 1 Mio. € pro Schiff bei einer Amortisationszeit von bis zu fünf Jahren.

Für die technische Modernisierung der Bestandsflotte wird daher ebenso neues Kapital gebraucht wie für die Beschaffung neuer Tonnage. In dieser Situation stehe die Schifffahrt vor einem Zwang zur Konsolidierung – durch Kooperationen, Charterpools oder Fusionen müssten größere Einheiten entstehen, um die Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern. »Im Prinzip hat sich bisher noch viel zu wenig getan«, kritisierte Frank Günther, Direktor des auf »Problemschiffe« spezialisierten Investors Thor International Shipping.

Betriebsgrößen für Kapitalmarkt zu klein

Mehr als zwei Drittel aller deutschen Reedereien verfügen über weniger als zehn Schiffe, bei 90 % der Reedereien sind es weniger als 30 Frachter. Lutz Weber, Geschäftsführer der NSB Niederelbe Schifffahrtsgesellschaft, sieht dagegen eine Flot­tengröße von 80 oder mehr Schiffen als nötig an, um die gewünschten Skaleneffekte zu erzielen.

Nach Einschätzung des Schweizer Investors JS Maritime Partners kommen bislang aber nur sehr wenige deutsche Reedereien für gemeinsame Projekte infrage. JS-Partner Stefan Bülow kritisiert, dass die Betriebsgrößen vieler Reedereien zu klein und die Kostenstrukturen nicht wettbewerbsfähig seien. »Der Großteil der Schifffahrtsfirmen sieht nicht ein, dass ihr Geschäftsmodell veraltet ist. Wenn sie keine radikalen Veränderungen vornehmen, werden sie nicht überleben«, konstatierte Bülow.

Denn die Krise wird auch ein siebtes Jahr andauern. 2014 sei nicht damit zu rechnen, dass sich die Charterraten wieder auf einem auskömmlichen Niveau einpendeln, hieß es auf dem diesjährigen HANSA-Forum. Die Hoffnung auf einen schnellen Abbau der Überkapazitäten werde durch volle Orderbücher gedämpft. Und auch die Entwicklung der Weltwirtschaft lasse für die nächsten zwei Jahre keine deutlichen Wachstumsimpulse erkennen, heißt es nicht nur im jüngsten Marktbericht der Deutschen Fondsresearch. »Die neuesten Einschätzungen gehen von einem Ende der Krise erst Mitte bis Ende 2015 aus«, sagte Oliver Rossbach, Partner in der Rechtsanwaltskanzlei Taylor Wessing, in Hamburg.


Krischan Förster