Das Glas ist halb voll!

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Mehr Licht oder mehr Schatten? Das Glas halb voll oder halb leer? Bei der Betrachtung der Lage im deutschen Schiffbau[ds_preview] scheiden sich zurzeit die Geister. Die jüngste Vergangenheit war von Insolvenzen, Orderrückgängen, Kurzarbeit und einem Abbau von Werftarbeitsplätzen geprägt, würde der Pessimist hervorheben. Der Optimist indes würde betonen, dass es immerhin knapp ein Dutzend deutscher Schiffbaubetriebe gibt, die interna­tional führend in ihren jeweiligen Nischen sind, und dass es trotz der vergleichsweise hohen Lohnkosten keine ernsthaften Anzeichen gibt, dass sich dies ändert.

Ob Kreuzfahrtschiffe, luxuriöse Yachten oder Spezialfähren – Qualität »made in Germany« findet bei ausländischen Bestellern weiterhin Anklang. Besonders erfreulich ist, dass sich neuerdings auch in den Bereichen Offshore-Wind, Öl und Gas sowie der Meerestechnik etwas tut: So hat Sietas unlängst das erste Windpark-Errichterschiff aus Deutschland an einen niederländischen Kunden abgeliefert. Die bei Umbauten und Reparaturen erfolgreiche Lloyd Werft hat seit langem wieder einen Neubauauftrag verbucht und stellt nun in Bremerhaven für den Besteller aus England ein komplexes Offshore-Konstruktions- und Rohrverlegeschiff her. Auch der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft ist der Einstieg in weitere erfolgversprechende Nischen gelungen: Neben Schwergutschiffen und Forschungsfahrzeugen für ausländische Kunden konnte die Werft einen Auftrag über zwei Offshore-Schiffe für Arbeiten an Ölförderinstallationen aus Norwegen an Land ziehen. Gleichfalls positiv ist die Entwicklung bei den Nordic Yards, die zuletzt mit ihren Russland-Kontakten punkten konnten. Unter anderem entstehen zwei eisbrechende Rettungsschiffe in Wismar.

Bei allen Unkenrufen, dass der deutsche Schiffbau gegenüber der asiatischen Konkurrenz dem Untergang geweiht sei, zeigen diese Entwicklungen das Gegenteil auf. Es geht im Spezialschiffbau nicht zuvorderst darum, große Mengen Stahl zusammenzuschweißen, sondern um die Konstruktion von komplexen Gesamtsystemen, die solche Schiffe heute darstellen. Die Wertschöpfung im Hightech-Bereich liegt deutlich höher als in der Vergangenheit – und solange deutsche Ingenieurkompetenz international vorn liegt, muss einem nicht bange sein. Voraussetzung ist freilich, bei Forschung & Entwicklung und der Ausbildung von Nachwuchs nicht nachzulassen. Dass hiesige Werften die reine Stahlverarbeitung zunehmend nach Polen oder ins Baltikum auslagern, tut dem keinen Abbruch. Denn Entwurf, Systemintegration und anschließender Service sind die wichtigen Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit.

Die Investitionen aus Russland bei Sietas und den Nordic Yards, aus Abu Dhabi bei HDW und Nobiskrug, aus England bei Blohm + Voss sowie der heimischen Lürssen-Gruppe bei der Peene-Werft unterstreichen, dass deutsche Schiffbaubetriebe und – vor allem – ihre Mitarbeiter eine Zukunft haben.

In diesem Sinne: Optimismus ist angebracht! Treten wir, der Jahreszeit entsprechend, aus dem Schatten ins Licht, betrachten wir das Glas als halb voll!