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Das Landgericht Hamburg hat sich mit der Frage befasst, inwieweit die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke an Bord eines ausländischen Schiffs zulässig ist. Carsten Grau erläutert die Entscheidung der Richter
In einem unlängst veröffentlichten Urteil (LG Hamburg, Urteil vom 12. März 2013, 325 O 224/12 (rechtskräftig). Volltext: LG Hamburg[ds_preview], RdTW 2013, 288f. – »Gulden Leeuw«.) hat das Landgericht (LG) Hamburg entschieden, dass die Inlandszustellung gerichtlicher Schriftstücke (hier: Klageschrift, Versäumnisurteil) durch den Gerichtsvollzieher an Bord eines ausländischen Seeschiffs als »Geschäftsraum« durch Übergabe an einen dort sich aufhaltenden persön­-

lich haftenden Gesellschafter einer niederländischen V. O. F. (entspricht einer OHG)gemäß §177 ZPO bzw. an den Ersten Offizier als »dort beschäftigte Person« im Sinne von §178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig ist.

Damit das Gericht gemäß §168 Abs. 2 ZPO den Gerichtsvollzieher mit der Zustellung an Bord beauftragen kann, ist zunächst Voraussetzung, dass dem Gericht die mangelnden Erfolgsaussichten einer Zustellung im Ausland schlüssig dargelegt werden. Im entschiedenen Fall genügte hierfür der Umstand, dass die persönlich haftenden Gesellschafter der Eigentümergesellschaft des Schiffs über keine zustellungsfähige Anschrift in den Niederlanden verfügten, insbesondere auf dem Briefpapier und der Homepage der Eigentümergesellschaft lediglich eine P.O.-Box-Anschrift angegeben war. Selbst wenn, so das LG Hamburg, sich im Nachhinein herausgestellt hätte, dass eine Auslandszustellung doch ohne Weiteres möglich gewesen wäre, bliebe die Inlandszustellung durch den Gerichtsvollzieher an Bord des Schiffes in einem deutschen Hafen wirksam (in diesem Sinne auch: Zöller, ZPO-Kommentar, 30. Auflage, Köln 2014, §168 Rn. 6).

Für die Zustellung der Klageschrift an den Ersten Offizier des Schiffes hatte das Landgericht Hamburg zu prüfen, ob ein Schiff als »Geschäftsraum« im Sinne von §178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO anzusehen ist. Hierfür sei, so das Gericht, nicht eine bestimmte Berufs- bzw. Gewerbetätigkeit oder Organisationsform erforderlich.

Erheblich sei vielmehr, dass ein Raum geschäftlicher, gewerblicher freiberuf­licher, amtlicher oder sonstiger mit Publikumsverkehr verbundener Tätigkeit diene, lautete die Argumentation (so auch: Zöller, aaO., §178 Rn. 15). Dies sei für das betroffene Schiff »Gulden Leeuw« unstreitig gegeben, da es gegen Entgelt für Gästefahrten und Events eingesetzt werde. Ohnehin sei für die Eigenschaft eines »Geschäftsraums« im zustellungsrechtlichen Sinne nicht erforderlich, dass der Raum mit der Erde fest verbunden ist (für die Eigenschaft eines Messestands als »Geschäftslokal« siehe BGH NJW-RR 2008, 1082). Die dargestellten Feststellungen des Landgerichts Hamburg sind in besonderer Weise praxisrelevant, da sich der Begriff des »Geschäftsraums« im Sinne von §178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ohne Weiteres auf alle konkret im Hafen dem Publikumsverkehr dienenden Räume eines Schiffes (Salon, Schiffsbüro, Brücke, Maschinenkon­trollraum etc.) erstrecken lässt. Insofern wird die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche gegen im Ausland ansässige Eigentümergesellschaften von Schiffen nun in der Praxis erheblich erleichtert, wenn die Zustellung an Bord in einem inländischen Hafen durch Übergabe an ein Besatzungsmitglied erfolgen kann.

Ohnehin dürfte vieles dafür sprechen, das Zustellungsverfahren nach §168 Abs. 2 ZPO grundsätzlich für die Zustellung auf Schiffen zu nutzen (Musielak/Wittschier, ZPO-Kommentar, 10. Auflage, München 2013, §168 Rn. 3). Der Bundesgesetzgeber jeden­falls hielt die Vorschrift des §168 Abs. 2 ZPOfür die Zustellung auf Schiffen für notwendig (BR-Drucksache 492/00, S. 32).

Autor: Carsten Grau, RA / Solicitor

(England & Wales), L2C Luecke & Partner

Carsten Grau