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Die Anforderungen an Ingenieure unterliegen einem Wandlungsprozess mit vielfältigen Ursachen. Der Ehrenvorsitzende der HTG, Heinz Giszas, hat sich intensiv mit diesem Thema befasst. Ergebnis seiner Überlegungen ist ein Ansatz, der in der Praxis langfristig die Chance böte, viele mit Bauprojekten verbundene Schwierigkeiten von vornherein zu vermeiden
Bauherren die jeweils erforderlichen Ingenieurleistungen zu bieten, die zur Errichtung eines Bauwerkes notwendig sind, das ist die herkömmliche Aufgabe der[ds_preview] Ingenieure: Pläne, statische Berechnungen für Standsicherheit und Konstruktion, Ausschreibung, Vergabe und Überwachung des Bauablaufs und Übergabe des fertigen Bauwerkes.

Inzwischen hat sich dieses Aufgabenspektrum wesentlich erweitert. Die durch Mitglieder der HTG geprägte und getragene EAU dokumentiert allein eine umfangreiche technische Entwicklung. War die EAU in den 1970er-Jahren noch ein dünnes Bändchen von weniger als 100 Seiten, so ist sie inzwischen ein veritables Buch von mehr als 400 Seiten mit komplexen technischen Vorgaben zur Bewältigung großer Bauvorhaben. Das beschreibt aber nur einen und leichteren Teil der Entwicklung, die von Ingenieuren und Planungsunternehmen heute zu bewältigen ist. Technische Entwicklungen war man gewohnt, sie gehören zum Alltag des Ingenieurs.

Geradezu dramatisch war eine Fülle von Gesetzen, Vorschriften und Richtli­nien, die sich wie eine Sturzflut in den vergangenen Jahrzehnten über die Ingenieure ergossen hat:

Bundesbaugesetz und Naturschutzgesetze des Bundes und der Länder

Immissionsschutzvorschriften mit TA Lärm und TA Luft

Planfeststellungsverfahren, Bestandsaufnahmen

Bedarfsbegründungen, Alternativenbetrachtungen und dann noch ein kompliziertes Vergaberecht, das Vergaben vereinfachen sollte!

Die Regelungswut scheint keine Grenzen zu kennen, und die Entwicklung wird noch durch EU-Vorschriften verkompliziert:

Wettbewerbsregelungen

Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie

Vogelschutzrichtlinie

Natura 2000

Wasserrahmen-Richtlinie

Ein Ende ist nicht in Sicht… Basieren die deutschen Vorschriften noch auf einem einheitlichen Rechtssystem, so kommt im EU-Recht erschwerend hinzu, dass sich hier Vorschriften teilweise auf englisches Recht stützen. Dieses ist anders aufgebaut als das deutsche. So kommt der planende Ingenieur manchmal zu der verblüffenden Erkenntnis, dass ein und derselbe Sachverhalt unterschiedlich beurteilt werden kann.

Wie beeindruckend das sein kann, zeigt ein Beispiel: Wenn man in einem Flora Fauna Habitat (FFH)-Gebiet in Deutschland auf Kampfmittel stößt, so ist man nach dem deutschen SOG) zur umgehenden Räumung verpflichtet. Nach der FFH-Richtlinie ist aber der mit der Räumung verbundene Eingriff zunächst nicht zulässig, wenn nicht durch eine Prüfung die Verträglichkeit der Räumungsmaßnahme nachgewiesen wird. Der Zeitbedarf könnte heikel werden, wenn man an Sprengkörper mit Säurezündern denkt. Auf dieses Problem angesprochen, erhielten wir von Naturschutzkollegen den überzeugenden Vorschlag: Man müsse das pragmatisch lösen. Ob Pragmatismus im Ernstfall ausreicht, definieren dann Gerichte!

Alle diese Regelungen mussten von Ingenieuren und Planungsunternehmen nicht nur gelesen und verstanden werden. Sie mussten in Terminabläufe eingebunden und in rechtlich verlässlicher Weise umgesetzt werden.

Immer umfangreichere, komplexere und zeitaufwendige Untersuchungen sind so bei großen Investitionen notwendig, um überhaupt die rechtliche Genehmigung für den Bau zu erhalten. Der Zeitaufwand dafür überschreitet inzwischen die für den Bau benötigte Zeit beträchtlich. Bei manchen Projekten hat man den Eindruck, dass gebaut wird, was inzwischen durch Zeitablauf veraltet ist.

Ingenieure waren und sind es, die mit ihrer systematischen Arbeitsweise diese notwendigen Abläufe gestalten und sie damit zeitlich überhaupt beherrschbar machen. So entwickelten sich bis heute die klassischen Ingenieurbüros vom Planungs- oder Consultingunternehmen zu Kompetenzzentren für Problemlösungen.

Sie übernehmen es, die Vorhaben von Bauherren abzuwickeln, nach dem Motto: Wir liefern eine komplette Lösung nicht nur aller Probleme, wir liefern auch das betriebsbereite Bauwerk. Um dieses Versprechen einzulösen, waren die Planungsunternehmen gezwungen, die dafür erforderlichen Qualifikationen zu erwerben. Nur so konnten sie im Markt bestehen.

Aber reicht das auch für die Zukunft? Die Signale, was droht, was kommen wird, sind mehr als deutlich.

»Wir stehen vor einschneidenden Veränderungen in der Abwicklung großer Infrastrukturprojekte in unserem Land«

Stuttgart 21 und die Stadtbahn in Hamburg – zwei große Projekte mit weit in die Zukunft reichenden Auswirkungen. Sie sind im ersten Ansatz krachend gescheitert am Widerstand der Bürger. Sie lassen erkennen, dass wir vor weiteren einschneidenden Veränderungen in der Abwicklung großer Infrastrukturprojekte in unserem Land stehen.

Die sorgfältige Vorbereitung aller technischen und verfahrensmäßigen Schritte mit Gutachten, Studien, Berechnungen und Erläuterungen sind offensichtlich nicht mehr ausreichend, um große Projekte mit hohen Kosten und weitreichenden Folgen für die betroffenen Menschen durchzusetzen.

Das mögen wir bedauern, aber betrachten wir die Situation einmal mit den Augen des einfachen, aber kritischen Bürgers. Irgendwann teilt ihm die Verwaltung oder der private Investor mit, dass eine große Investition geplant ist. Im Scopingverfahren wird er aufgefordert, den Planern mitzuteilen, was sie denn alles zu berücksichtigen hätten; und danach geschieht eine ganze Zeit gar nichts. Irgendwann bekommt er die Mitteilung, dass er sich eine fertige Planung anschauen kann, die alle seine Fragen und Anregungen berücksichtigen sollte. Unterschwellig mit dem Anspruch, bitte möglichst nichts zu ändern.Und wenn er sich dann an den Ort begibt, wo er sich informieren kann, steht er ziemlich fassungslos vor einigen Metern von Ordnern voller Gutachten. Gutachten, die er kaum versteht. In einer Fachsprache, die selbst im Duden nicht zu finden ist, und vor Plänen, die sich ihm mit seinem ungeübten Auge nicht erschließen.

Dürfen wir uns da noch wundern, dass der Bürger, der dies bezahlen oder erdulden soll, schlichtweg »nein« sagt? Selbst Fachleute verstehen diese komplexen Abläufe und Ausarbeiten kaum noch. Die Ausreden, mit denen diese Situa­tion beschönigt wird, sind wohlfeil: Überbürokratisierung, Technikfeindlichkeit oder die Un­fähigkeit einer älter werdenden

Gesellschaft, zukunftssichere Entscheidungen zu treffen.

Die Liste der vermeintlichen Ursachen ist beliebig lang. Schuld haben jeweils andere, nicht wir Ingenieure. Wir oder die fachtechnischen Gesellschaften fordern mit

Nachdruck von der Politik, diesen Regelungswust zu beseitigen. Es vergeht keine Verbandstagung, in der Vertreter der Planungsunternehmen nicht nachdrücklich den Bürokratieabbau fordern. Und in keinem Wahlprogramm fehlt die Zusage der Politiker, sich nachdrücklich dafür einzusetzen.

Nur, was geschieht? Für Politiker bedeutet Bürokratieabbau in der Regel den Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst. Das mag ein Hindernis sein, aber immer, wenn eine konkrete Vorschrift wirklich aufgehoben werden soll, finden sich Betroffene, die vehement gegen die Aufhebung sind und alle Hebel in Bewegung setzen, dies zu verhindern. Ich weiß um keine Vorschrift, die wirklich abgeschafft wurde und zu nachhaltigen Vereinfachungen oder Verkürzungen geführt hat. Selbst der Einsatz von Ministerpräsidenten in Brüssel hat da nichts bewegt. Wohlfeil ist auch die Forderung nach Vereinfachung des Vorschriften-Dschungels durch mutige Politiker. Nur, für Veränderungen in der Politik braucht man Mehrheiten. Wo sind die Ingenieure in der Politik, die solche Mehrheiten organisieren, die Veränderungen vorantreiben?

Übersehen wir auch nicht, dass bestimmte Gesellschaftsgruppen durchaus ein materielles und/oder politisches Interesse haben, die Verhältnisse nicht zu ändern. So manche Kanzlei müsste sich dann nach neuen Betätigungsfeldern umsehen. So mancher Verband, so manche Nicht­regierungsorganisation würde Existenzsorgen bekommen. All das sind Gruppen, die präsenter auf dem Markt der öffentlichen Meinung sind als wir Ingenieure.

Diese Überlegungen beantworten aber nicht die Frage, wie es denn weitergehen sollte und könnte. Dass wir große Infrastrukturprojekte praktisch kaum mehr durchsetzen können, ist offenkundig. Was wäre denn zu tun, um schwierige, weit in die Zukunft reichende Projekte dennoch durchzusetzen? Und zwar nicht gegen erbitterte Widerstände, sondern im möglichst breiten Konsens?

»Transparent und ergebnisoffen heißt, mit dem Bürger gemeinsam zu planen, ihn bei jedem Schritt mitzunehmen und mit ihm zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen«

Ich bin überzeugt, dass wir alle unsere Vorgehensweise bei solchen Vorhaben erheblich verändern müssen. Schon vor der eigentlichen Projektierungsphase muss eine Phase der Überzeugung d. h. der Akzeptanzarbeit liegen. Die Bürger müssen überzeugt werden, dass überhaupt Probleme erkennbar sind und daher Handlungsbedarf besteht; dass Investitionen notwendig sind, als Zukunftssicherung, als Entscheidung, die eine Generation für die nächste zu treffen hat, und dieses mit größtmöglicher Sorgfalt und Verantwortung tun muss und auch will. Das ist mehr als die bisher bekannte und in den Pro­jekt­unterlagen enthaltene Bedarfsbegründung. Es ist eine Bedarfsbegründung, die von den Betroffenen getragen wird, da sie an der Erarbeitung selbst beteiligt gewesen sind, an der sie mitgewirkt haben.

Erst wenn dies erfolgreich geleistet ist, sollte der zweite Schritt geschehen, nämlich mit den Bürgern einen transparenten und ergebnisoffenen Planungsprozess zu beginnen. Transparent und ergebnisoffen heißt, mit dem Bürger gemeinsam zu planen, ihn bei jedem Schritt mitzunehmen und mit ihm zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Eine Lösung, die auch suboptimal sein kann, die aber durchsetzbar ist, weil sie von der Mehrheit getragen wird.

Das ist ein langer, mühevoller und mit Kosten verbundener Weg, und die Bedenken drängen sich dagegen auf, noch mehr Aufwand für Projekte zu betreiben. Auch besteht die Sorge, dass die Vorbereitungen so lange dauern oder hinausgezögert werden, bis das Projekt überflüssig ist – eine durchaus bewährte Verhinderungsstrategie mancher gesellschaftlicher Kräfte. Doch die genannten Beispiele zeigen, dass der klassische Weg der Projektvorbereitung nicht mehr zum Erfolg führt.

Die Schweiz hat uns vorgemacht, wie selbst ein so gigantisches Vorhaben wie der St. Gotthardt-Tunnel in geduldiger und konsequenter Arbeit durchgesetzt werden kann, ohne Sitzblockaden und körper­liche Auseinandersetzungen. Vor der eigentlichen technischen Planung lag eine lange Phase der Diskussion mit den Bürgern. Erst danach wurde gebaut, ohne große Proteste, ohne Stilllegungen.

Wenn wir einmal den Zeitbedarf großer Investitionen bei uns ehrlich veranschlagen, dann sind wir davon gar nicht weit entfernt – und die Kosten? Welche Summen sind im Zuge der gerichtlichen Klärungen allein an Anwalts- und Gutachtenkosten zu veranschlagen? Was kostet die Bearbeitung Zehntausender von Einwendungen? Alles das sollten wir berücksichtigen, wenn wir den vorgeschlagenen Weg bedenken.

Ich bin überzeugt, dass dieser neue Weg ein künftiges Aufgabenfeld von Ingenieuren ist oder zumindest sein kann. So, wie sie sich den Bereich der formalen Projektvorbereitung in der Vergangenheit erschlossen haben, gilt es jetzt, dieses neue Feld der Akzeptanzarbeit und der transparenten Planung in das Aufgabenspektrum und Leistungsprofil der Ingenieure zu integrieren. Nur mit einem so gestalteten Vorlauf an öffentlicher Projektarbeit werden wir in Zukunft gesellschaftsrelevante Großvorhaben mit Erfolg bewältigen.

Den klassischen Ingenieur dürfte dabei eine große Unsicherheit überkommen, denn gerade Akzeptanzarbeit hat wenig mit verlässlichen Daten und Zusammenhängen zu tun. Es ist ein neues Feld, in dem vor allem andere, nichttechnische Disziplinen ihren Beitrag zu leisten haben, deren Arbeit und deren Ergebnisse in Projektabläufe integriert werden müssen.

Warum sollten gerade Ingenieure diese Aufgabe der Integration übernehmen? Die logische Gestaltung eines Projektablaufes ist ein systematischer Prozess, in dem Ingenieure von Grund auf ausgebildet werden und dessen Systematik sie auf andere Bereiche übertragen können. So wie Consultingunternehmen die Gestaltung der formalen rechtlichen Vorbereitungen übernommen und in ihr Aufgabenspektrum integriert haben, gilt es auch diesen neuen Abschnitt einer Projektvorbereitung zu übernehmen.

Können das Ingenieure überhaupt? Ja und nein! Ja, weil sie geschult sind, komplexe Probleme zu durchdringen und in eine logische Abfolge eines Prozesses zur Erledigung zu bringen. Nein, weil dazu auch persönliche Voraussetzungen notwendig sind, die nur begrenzt – oder besser vielleicht noch nicht zu den herausragenden Eigenschaften von Ingenieuren gehören; aber dafür gibt es Fachleute, die in Projekte frühzeitig zu integrieren sind.

Um diesen Prozess der frühen Akzeptanz mit Erfolg zu führen, bedarf es der Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit. Da-zu gehört die Fähigkeit, Menschen unvoreingenommen zuzuhören, um deren Betroffenheit zu erkennen und diese ernst zu nehmen. Nicht nur ernst zu nehmen, sondern ihnen zu helfen, ihre Interessen und Anliegen richtig einzubringen – sie als Partner, nicht als Gegner zu betrachten und zu behandeln.

Die Gestaltung eines transparenten und ergebnisoffenen Planungsablaufes liegt uns Ingenieuren schon näher. Entscheidend ist dabei aber, dass die Menschen daran wirklich teilnehmen können, dass sie ihn auch tatsächlich beeinflussen können. Dazu gehört die Fähigkeit, auch schwierige technische Probleme mit einfachen Worten und in der allgemeinen Sprache der Menschen darzustellen. Nur wenn ich die Sprache meines Gegenübers spreche, kann ich ihn auch erreichen.

Wie ausgeprägt gerade diese Fähigkeit des Ingenieurs ist, wissen wir nur zu gut. Oder glauben Sie, dass ein normaler Bürger mit dem Begriff einer »vorgespannten verankerten Trogkörpersohle« eine klare Vorstellung verbindet?

Ergebnisoffene Planung ist auch weit mehr, als einen fertigen Plan zur Diskus­sion zu stellen und an einigen Punkten Veränderungen vorzunehmen. Das Ergebnis muss ein gemeinsamer Plan sein, der nicht zwingend die optimale Lösung ist, der aber von einer großen Mehrheit als der ihrige angesehen wird. Das fällt uns Ingenieuren aber besonders schwer, denn unsere ganze Ausbildung ist auf optimale Lösungen ausgerichtet. Und viele empfinden den Kompromiss sogar als Niederlage.

»Wir müssen uns aus unserer überschaubaren Welt der Technik in die Welt der allgemeinen

Politik begeben«

Eine so geartete Mitwirkung von Ingenieuren bei komplexen Vorhaben ist aus meiner Sicht ein Muss, aber ich weiß auch, dass meine Fachkollegen immer wieder geneigt sind, sich lieber auf ihr Fachgebiet der reinen Technik zu begrenzen. Wir machen die Technik, um das andere mögen sich andere kümmern.

Dieser neue Ansatz ist von heute auf morgen weder leistbar noch bewältigbar. Ich bin aber sicher, dass die Ingenieure auch in diese Aufgaben hineinwachsen können, wenn sie als Verantwortliche die Weichen stellen für die nachfolgenden Kollegen. Dazu gehört nicht nur Geduld, dazu gehört auch, dass junge Menschen die Chance erhalten, in solch neue Aufgaben hineinzuwachsen, dass sie den Freiraum erhalten, die dafür erforderlichen Fähigkeiten zu entwickeln.

Solange Menschen als renditeorientiertes Humankapital betrachtet werden, das in ausreichender Menge am Markt vorhanden ist, dürften die Chancen gering sein. Mittelfristig investiertes Kapital zur Bestandsicherung des Unternehmens – das wäre der richtige Blickwinkel. Die sträfliche Vernachlässigung der Ingenieursausbildung in den 1990er-Jahren holt uns unnachsichtig ein. Ingenieure und besonders gute Ingenieure sind ein kostbares Gut! Und sie werden immer kostbarer!

Wenn wir die Herausforderungen auch in der Zukunft bestehen wollen, müssen wir Ingenieure die erforderlichen Fähigkeiten entwickeln, die nicht unbedingt zu unseren beliebtesten Aufgaben gehören. Wir müssen uns aus unserer überschaubaren Welt der Technik in die Welt der allgemeinen Politik begeben. Das ist keineswegs unmöglich, wir müssen nur akzeptieren, dass unsere Technik eine gesellschafts­politische Aufgabe ist, die den ganzen Einsatz von Personen erfordert.

Mit diesen Ausführungen wollte ich darstellen, welche Aufgaben ich für Ingenieure in der Zukunft sehe. Welchen Wandel, welche Veränderungen die Unternehmen und die öffentliche Hand zu bewältigen hätten, um sich auf die veränderte Situation und die neuen Aufgaben einzustellen. Ich weiß, dass ich noch längst nicht jeden überzeugt habe, aber ich hoffe, Anstöße gegeben zu haben, sich damit auseinanderzusetzen, wie wir in der Zukunft große Bauvorhaben realisieren wollen.

Eines sollte dabei nicht übersehen werden: Diese Aufgaben fallen den Ingenieuren nicht in den Schoß. Immer wieder versuchen andere Berufsgruppen, in dieses Planungsgeschäft einzudringen und sich die Führungsrolle anzueignen. Hier sei nur an die Aktivitäten des Interna-­

tionalen Küstenzonen-Managements erinnert. In diesem Ansatz zur interdisziplinären Bewältigung von Problemen im Küstenraum waren Ingenieure in der Anfangsphase des Projektes ausdrücklich ausgeschlossen. Bis man entdeckte, dass man ohne die Fähigkeiten der Ingenieure zur systematischen und logischen Projektaufbereitung doch schlecht beraten war.

Die genannten Überlegungen beziehen sich auf die Realisierung von Großprojekten, vornehmlich die der öffentlichen Hand. Dabei darf aber ein wesentlicher Aspekt nicht unberücksichtigt bleiben. Zur Realisierung gehören stets ein Bauherr und ein oder viele Unternehmen, die das Vorhaben verwirklichen. Viele Bau- und/oder Consultingunternehmen führen seit langem vehemente Klage, dass ihnen nicht mehr ausreichend kompetente und entscheidungsbefugte Vertreter des Bauherren gegenüberstehen.

Dies gilt in großem Umfang für den Staat als Bauherren, der seine Kompetenz auf diesem Feld in erheblichem Umfang eingebüßt hat. Jahrzehntelange Personaleinsparungen, gerade auch im technischen Bereich, zeigen jetzt die Folgen. Der Slogan vom schlanken Staat und die Fiktion, technische Leistungen seien am Markt im Wettbewerb einkaufbar, haben sich als gravierende Fehler erwiesen, denn die Funktion des Bauherrn ist nicht delegierbar und daher auf dem Markt nicht einkaufbar. Diese Leistung muss der Staat, wenn er baut, selbst erbringen.

Über viele Jahre ging das gut, weil genügend Ingenieure in den Apparaten vorhanden waren. Inzwischen haben diese Altersgruppen die Pensionsgrenze erreicht und stehen nicht mehr zur Verfügung. Die Nachwuchsstellen wurden eingespart und so zeigt sich ein gravierender Mangel, der die staatliche Leistungsfähigkeit künftig

erheblich einschränken wird. Im Hinblick auf die rasch wachsenden Defizite im Bau und in der Unterhaltung der gesamten In­frastruktur sind das keine guten Aussichten, wenn nicht dringlich umgesteuert wird.

Autor: Prof. Dr.-Ing. Heinz Giszas

Ehrenvorsitzender der HTG

Heinz Giszas