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Das neueste Offshore-Windanlagen-Errichterschiff »Vidar« von Hochtief wird zurzeit im Nordsee-Windpark »Global Tech I« eingesetzt. Die technischen Anlagen dieses innovativen Fahrzeugs beschreibt


1. Einführung

Die auch als Kranhubschiff bezeichnete »Vidar« mit Heimathafen Hamburg wurde am 12. Dezember 2013 in Bremerhaven[ds_preview] getauft und anschließend der Öffentlichkeit vorgestellt. Dabei lag das international als »Self-elevating Vessel« bezeichnete Errichterschiff aufgejackt im Hafen vor der ABC-Halbinsel der BLG Logistics Group (Abb. 1) und wurde hier in den folgenden Tagen ausgerüstet.

Die »Vidar«, die nach dem Sohn des Göttervaters Odin benannt ist, wird von Hochtief Solutions gemanagt. Der Bau wurde mithilfe eines innovativen Finanzierungsmodels ermöglicht, das 2013 mit dem »Marine Money Offshore Award« ausgezeichnet wurde. Das Schiff ist bis Ende 2014 ausgebucht und installiert im ersten Einsatz in der Nordsee von Wilhelmshaven aus für Areva Wind u.a. die Rotorsterne für den Offshore-Windpark »Global Tech I«. Danach geht es für weitere Arbeiten in die Ostsee, zum EnBW-Windpark »Baltic 2«.

Mit ihrer technischen Ausstattung sowie den Kabinen- und Kücheneinrichtungen zur Unterbringung und Versorgung von insgesamt 90 Personen zählt die »Vidar« zu den besonders leistungsstarken Windanlagen-Errichterschiffen. Wie auch das – etwas größere – Schwesterschiff »Innovation« und die Hubinsel »Thor« wurde die »Vidar« auf der Crist-Werft im polnischen Gdingen in Polen gebaut – mit sehr vielen Anlagen und Systemen von deutschen Unterlieferanten.

Energieerzeugungs-, Antriebs-, Hilfs- und Automationsanlagen sind weitgehend identisch mit der »Innovation« [1]. Sie werden in diesem Beitrag kurz dargestellt. Ausführlicher werden hingegen die Besonderheiten der »Vidar« beschrieben, z. B. die elektrohydraulische Hubeinrichtung zum Aufjacken und das Kühlwassersystem mit den Luftkühlern.

2. Technische Beschreibung

Die »Vidar« (Rufzeichen: DDWP2, IMO-Nr. 9655315) ist rund 140m lang, 41,3m breit, mit 18.885BRZ vermessen und hat eine Tragfähigkeit von 8.265 dwt. Das diesel-elektrisch angetriebene Errichterschiff hat keine Laderäume, ist mit zwei Moon Pools ausgestattet und verfügt auf der freien Deckfläche von rund 3.100m² über eine Ladekapazität von bis zu 6.500t für die aufzustellenden Fundamente, Türme, Gondeln und Flügel der Offshore-Windkraftanlagen. Von Det Norske Veritas erhielt sie das Klassezeichen »1A1 Self-elevating Wind Turbine Installation Unit SPS Crane Unit HELDK CRANE OPP-F E0 DYNPOS-AUTR CLEAN«.

2.1 Brücke und Maschinen-kontrollraum

Die nautischen Einrichtungen für den Fahrbetrieb befinden sich im vorderen Bereich (Abb. 2) der großzügig ausgestatteten, über die gesamte Schiffsbreite angeordneten und rundherum voll verglasten Brücke. Im rückwärtigen Bereich sind separate Fahrstände für die dynamische Positionierung und das Jacken dicht nebeneinander angeordnet. Das von SAM Electronics gelieferte und installierte dynamische Positionierungssystem befindet sich hier im mittleren Fahrpult mit Blick auf das Arbeitsdeck (Abb. 3). Darin ist auch das System zur Satellitennavigation von Veripos enthalten. Vor dem Betriebsübergang vom Schiff zur Hubplattform ist eine exakte Positionierung notwendig, damit sich das Schiff an dem vorgegebenen Ort mit tragfähigem Untergrund aufrichten kann.

Unter dem Hauptdeck liegen der Maschinenkontrollraum (MKR), die Maschinenräume und die Räume für die Schalttafeln. Der MKR (Abb. 4) enthält das Fahrpult mit dem Automationssystem MCS Platinum von SAM Electronics, die Instrumente mit Anzeigen für die Dieselmotoren und die Hilfssysteme. Aufgrund der Redundanz befinden sich die elektrischen Schalttafeln (Abb. 5) und Transformatoren in zwei separaten Räumen. Auch die Hauptmaschinenräume mit je zwei Dieselgeneratoren wurden aus dem gleichen Grund in getrennten Räumen angeordnet.

2.2 Antriebsanlage und dynamisches Positionierungssystem

Die Antriebsanlage (Daten s. Tabelle 2) besteht aus sechs Dieselgeneratoren und vier Schottel- Ruderpropellern (Abb. 6). Caterpillar lieferte die Motoren, Siemens die Generatoren. Diese Aggregate leiten ihren Strom mit der Mittelspannung von 6.600 V und der Frequenz von 60 Hz zu den Schalttafeln. Von hier erfolgt die Verteilung zu den im Hinterschiff befindlichen getrennten Räumen der als Festpropeller ausgeführten Ruderpropeller. Zum Antrieb dienen Asynchronmotoren. Sie werden über Transformatoren (6.600/735 V) und Frequenzumrichter mit Puls-Weiten-Modulation (PWM-Converter, zwölfpulsig) zur optimalen Drehzahleinstellung mit variabler Frequenz versorgt.

Die Stromversorgung der drei Schottel-Querstrahlanlagen im Vorschiff erfolgt ebenfalls mit Mittelspannung, welche hier von 6.600 auf 735 V transformiert wird. Der benötigte Schub der Festpro­peller lässt sich mit den zwölfpulsigen PWM-Frequenzumrichtern exakt einstellen. In Kombination mit den drei Querstrahlern im Vorschiff dienen die vier Ruder­pro­peller auch zur dynamischen Positionierung.

2.3 Jacking-System

Mit dem von Montanhydraulik und der niederländischen Tochter Muns Techniek gefertigtem Jacking-System wird das Schiff zur Hubplattform. Das Jacking-System besteht aus der Hydraulikanlage, den an den vier Hubbeinen angreifenden Führungsrahmen mit Hydraulikzylindern (Pin-in-Hole-System) und der Steuerungseinheit auf der Brücke. Die Hydraulikanlage mit den elektrisch angetriebenen Hydraulikpumpen (17 x 600 kW) befindet sich unter dem Hauptdeck (Abb. 7). Die vier 90m langen zylindrischen Hubbeine haben einen Durchmesser von 4,80m, die Fläche der als Spudcans bezeichneten Füße am Meeresboden beträgt 125m2 (Abb. 8).

Jedes der vier Hubsysteme greift an einem der vier Beine an. Gemeinsam stemmen die vier Hubsysteme ein Gesamtgewicht von 24.000t (max. 31.200t) mit 0,8m pro Minute aus dem Wasser. Ein Hubsystem besteht aus zwei hydraulisch vertikal verschiebbaren und einander gegenüberliegenden – auch als Brillen bezeichneten – Führungsrahmen. Das Auf- und Absenken eines Beines erfolgt durch zwölf synchron geregelte Zylinder (Abb. 9). Jeder davon hat einen Durchmesser von 800mm, eine Länge von 7,40–10,40m und ca. 20t Gewicht. Jeweils sechs Zylinder bewegen einen der zwei Brillen, die durch verschiebbare Verriegelungsbolzen mit dem Bein verbunden bzw. vom Bein gelöst werden können. Damit wird ein kontinuierlicher Hubvorgang ermöglicht. Die gleichmäßige Hub­bewegung des Schiffes wird durch die elektrische Steuerung zur Synchronisierung aller vier Beine gewährleistet.

2.4 Schwerlastkran

Der spezielle Offshore-Schwerlastkran des Typs CAL 45000-1200 Litronic von Liebherr in Rostock (Abb. 10, 11) ist der zweite dieser Art – der erste wurde auf der »Innovation« [1] installiert. Er wurde als »Kran um das Bein« konstruiert, hat einen elektro-hydraulischen Antrieb mit einer Nennleistung von 4.000 kW und kann sich auf dem Drehkranz mit dem Außendurchmesser von 13m um 360° drehen. Der Kran hat ein Eigengewicht von 1.500t und eine maximale Tragkraft von 1.200t bei einem Arbeitsradius von 27,5m. Bei einer Länge des Doppelauslegers von 108m ergibt sich eine maximale Arbeitshöhe von rund 120m über dem Deck.

2.5 Hilfssysteme

Die vielen Elektromotoren der Hilfsmaschinen (Pumpen, Lüfter) werden mit Drehstrom versorgt (450 V, 60 Hz), die Beleuchtung, elektronischen Geräte, Brückenverbraucher und anderen E-Verbraucher mit Wechselstrom (230 Volt, 60 Hz).

Eine Besonderheit bildet das Kühlwassersystem, das die Dieselmotoren als Zentralkühlsystem mit Frischkühlwasser versorgt. Im normalen Fahrbetrieb erfolgt die Rückkühlung mit Seewasser über Plattenkühler. Beim Aufjacken und im aufgejackten Zustand wird die Rückkühlung des Frischkühlwassers dagegen in einem Luftkühlsystem durchgeführt. Die dazu notwendigen insgesamt 16 Luftkühler sind auf den Rückseiten der hinteren Aufbauten angeordnet, die auch die zylindrischen Beine und den Offshore-Kran enthalten (Abb. 11).

2.6 Ballastwasser-Aufbereitungsanlage

Es wurden zwei Ballastwasser-Aufbereitungsanlagen vom Typ BallastMaster ultraV der Firma GEA Westfalia Separator mit einer Nennleistung von jeweils 250m³/h installiert (Abb. 12). Darin erfolgt in der ersten Stufe eine Grobreinigung durch mechanische Vorfiltration. Dabei werden Organismen und Partikel, die größer als 20 µm sind, in Filtermodulen abgeschieden. Die verschmutzten Filter werden automatisch durch eine Vakuumabsaugung gereinigt.

In der zweiten Stufe werden kleinere Organismen wie Bakterien und Phytoplankton durch Einsatz einer UVC-Strahlung (254 nm) abgetötet. Störende Biofilme und anorganische Ablagerungen an den Hüllrohren der UVC-Strahler werden mittels einer durch Ultraschall ausgelösten Mi­krokavitation kon­tinuierlich entfernt.

2.7 Seewasserentsalzung- und Trinkwasseraufbereitungsanlage

Die Trinkwasseranlage (Abb. 13) wurde von Compass Water Solutions aus den USA geliefert und setzt sich aus der Umkehrosmoseanlage zur Entsalzung des Meerwassers (Nennleistung 30m³/Tag, Nenndruck 70 bar, Nennleistung 11 kW) und der nachgeschalteten Trinkwasseraufbereitungsanlage zusammen. Die Umkehrosmoseanlage besteht aus der Speisepumpe, dem Vorfilter (> 25 µm), dem Kerzenfilter (> 5 µm), der Hochdruckpumpe und den Umkehrosmose-Membran­elementen (Abb. 14). Mit den Messsensoren und der Regeleinrichtung erfolgt der automatisierte Betrieb. Enthält das als Permeat bezeichnete Reinwasser nach den Membranen zu viel Salz, wird es automatisch über ein Magnetventil in die Bilge oder nach außenbords geleitet.


Karl-Heinz Hochhaus