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Neue Bilanzierungsregeln nach US-GAAP und IFRS können auch Folgen für deutsche Reeder und Schiffseigner haben. Im Mittelpunkt steht dabei der Entwurf für einen Standard zu »Lease Contracts«.
Derzeit werden Charterverträge zwischen einem Schiffseigentümer und dem Charterer sowohl nach dem deutschen HGB als auch im Rahmen der internationalen[ds_preview] Rechnungslegung im Grundsatz regelmäßig einheitlich bilanziert: Der Eigentümer aktiviert das Schiff und schreibt es über die Nutzungsdauer ab. Zugleich vereinnahmt er die Charterraten ertragswirksam, und der Charterer erfasst die Raten als Aufwand.

Dieses Bild des Jahresabschlusses bei Eigentümern wie bei Charterern könnte sich in Zukunft tiefgreifend verändern, soweit es um Jahresabschlüsse nach US-amerikanischen Rechnungslegungsregeln (US-GAAP) oder nach internationalen Rechnungslegungsstandards (International Financial Reporting Standards / IFRS) geht. Die Ursache hierfür liegt in einem inzwischen weit fortgeschrittenen Reformprojekt, das die beiden für die US-GAAP bzw. IFRS verantwortlichen Gremien seit Jahren gemeinsam vorangetrieben haben.

Zwar bilanzieren derzeit in Deutschland nur wenige Unternehmen nach diesen Standards. Die Bedeutung der Reform ist trotzdem nicht zu unterschätzen, zumal gerade internationale Kapitalgeber zunehmend solche Jahresabschlüsse fordern und zusätzlich die Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse der häufig ausländischen bzw. nach internationalen Standards bilanzierenden Charterer beachtet werden müssen.

Obwohl die Diskussion um die konkrete Ausgestaltung der künftigen Rechnungslegung noch nicht abgeschlossen ist und kein Datum des Inkrafttretens feststeht, werden vor diesem Hintergrund die wesentlichen Inhalte des Entwurfs für einen Standard zu »Lease Contracts« skizziert. Dabei wird eine Situation betrachtet, in welcher der Eigentümer sein Schiff an einen Kunden verchartert.

1. Charterverträge als »Lease Contracts«?

Obwohl der Titel des Standardentwurfs etwas anderes vermuten lässt, sollen unter seinen Anwendungsbereich alle Vertragsverhältnisse fallen, durch welche das Recht zur zeitlich begrenzten Nutzung eines bestimmten Vermögenswerts im Austausch mit einer Gegenleistung in der Weise übertragen wird, dass der Abnehmer die Fähigkeit hat, die Nutzung des Gegenstands zu bestimmen und die Erträge aus dieser Nutzung während der Laufzeit erhält.

Bareboatcharter-Verträge fallen danach fraglos unter den Begriff eines solchen »Lease Contracts«. Inwieweit dies auch für Zeit- und Reisecharterverträge gilt, ist noch ungeklärt, zumal jenen Verträgen zumindest auch ein gewichtiges frachtvertragliches bzw. Dienstleistungselement innewohnt. Teilweise wird vertreten, dass aus Zeit-/Reisecharterverträgen ein (fiktives) Bareboatcharter-Element ermittelt werden müsse, auf welches dann die geplanten Regeln anzuwenden seien. Beispielsweise die International Chamber of Shipping und der Verband Deutscher Reeder halten eine solche Trennung aber für undurchführbar und möchten Zeit- und Reisecharterverträge mindestens durch einen klarstellenden Zusatz im Standard oder der zugehörigen Erläuterung insgesamt vom Anwendungsbereich der Reform ausnehmen.

Bislang haben sich die Standardsetzer nicht geäußert, welcher Auffassung sie zuneigen bzw. ob sie eine Segmentausnahme befürworten. Die weiteren Ausführungen betreffen daher Bareboatcharter-Verträge und ggf. (fiktive) Bare­boat-Elemente anderer Charterverträge.

2. Klassifizierung von Charterverträgen

Der Standardentwurf fordert eine Klassifizierung zu Beginn der Laufzeit des Chartervertrags entsprechend dem Schaubild (Abb. 1). Folglich gilt unter Vernachlässigung von Charterverträgen mit Kauf­optionen:

– Charterverträge, deren Laufzeit (inkl. aller Verlängerungsoptionen) ein Jahr nicht übersteigt (kurzfristige Vercharterung), dürfen entsprechend dem eingangs erwähnten, traditionellen Muster der Charterbilanzierung erfasst werden. Der Schiffseigentümer aktiviert dann das Schiff und schreibt es ab, sodass es zu einer ertragswirksamen Erfassung der Raten beim Eigentümer bzw. einer aufwandswirksamen Abbildung beim Charterer kommt.

– Wird nicht zulässig von der gerade erwähnten Sonderregelung für kurzfristige Charterverträge Gebrauch gemacht, ist weiter zu unterteilen: Macht die Laufzeit des Chartervertrags nur einen unwesentlichen Teil der Gesamtnutzungsdauer des Schiffs aus, und/oder ist das Verhältnis des Barwerts der Charter­raten (bzw. der auf die fiktive Bareboatcharter entfallenden Teile dieser Raten) zum Zeitwert des vercharterten Schiffs unwesentlich, handelt es sich um einen Vertrag vom Typ B. Ansonsten liegt ein Vertrag vom Typ A vor.

Der für die Klassifizierung in Typ A oder B zentrale Begriff der Wesentlichkeit ist gegenwärtig noch nicht ausreichend bestimmt. Der Standardsetzer gibt jedoch den Hinweis, dass ca. 17% der Gesamtnutzungsdauer wesentlich, 8% aber unwesentlich seien. Wird der Betrachtung ein Schiff mit einer Gesamtnutzungsdauer von 25 Jahren zugrunde gelegt, bedeutet dies, dass unter alleiniger Betrachtung des Laufzeitkriteriums nur Charterverträge bis zu zwei Jahren unzweifelhaft als Typ-B-Verträge eingestuft werden können.

3. Bilanzierung von Verträgen des Typs A

3.1. Bilanzierung beim Eigentümer

Zu Beginn der Charter wird das Schiff ausgebucht. Zugleich zeigt die Rechnungs­legung

– eine Forderung in Höhe des Barwerts der Charterraten,

– einen sofortigen Veräußerungserfolg in Höhe desjenigen Anteils der stillen Reserven im Schiff, der dem Verhältnis aus dem soeben erwähnten Barwert der künftigen Charterzahlungen zum beizulegenden Zeitwert des Schiffs entspricht, und

– einen Restvermögenswert, der dem Barwert der aus dem Schiff erwarteten Zahlungen nach Ablauf der Charter abzüglich des nicht als Veräußerungsgewinn gezeigten Teils der stillen Reserven entspricht.

In der Folgezeit ist die Charterforderung nach der sogenannten Effektivzinsmethode über die Laufzeit des Chartervertrags aufzuzinsen, und auch der im Restvermögenswert enthaltene Barwert der nach Ablauf der Charter erwarteten Zahlungsströme wird aufgezinst.

3.2. Bilanzierung beim Charterer

In der Bilanz des Charterers wird ein Nutzungsrecht aktiviert. Seine Bewertung folgt den Regeln für nichtfinanzielle Vermögenswerte, sodass es u. a. über die Nutzungsdauer planmäßig abzuschreiben ist. Bei Charterbeginn wird außerdem die Verpflichtung zur Entrichtung der Charterraten mit dem Barwert passiviert. Dieser Posten wird in der Folge als Finanzverbindlichkeit aufgezinst und durch die Zahlung der Charterraten vermindert.

3.3. Folgen für den Eigentümer und den Charterer

Die Konsequenzen für Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung beim Eigentümer veranschaulicht ein Beispiel: Ein Schiff mit einer Gesamtnutzungsdauer von 25 Jahren wird fünf Jahre bareboat zu einer Rate von 1,6Mio. € jährlich nachschüssig verchartert. Der Buchwert des Schiffs zu Charterbeginn beträgt 15Mio. €, der Zeitwert 16Mio. €. Der erwartete Zeitwert bei Ende der Charter liegt bei 13Mio. €. Der relevante Zinssatz beträgt 6,72% (Abb. 2).

Es zeigt sich, dass beim Eigentümer infolge der Ausbuchung des Schiffs eine Verringerung der (Sach-)Anlagenintensität in Verbindung mit einer Erhöhung der Forderungen zu verzeichnen ist. Anders als nach derzeitigem Recht resultiert aus der Zinswirkung in der Folgezeit außerdem ein degressiver Ertragsverlauf.

Beim Charterer resultiert folglich im Vergleich zur derzeitigen Situation eine Bilanzverlängerung verbunden mit einer Verschlechterung der Eigenkapitalquote (Abb. 3). Zugleich zeigt sich aufgrund der Zinswirkungen ein degressiver Aufwandsverlauf. Sollte sich der Chartervertrag aus Sicht des Charterers als nachteilig erweisen, ist ggf. der Nutzungswert abzuschreiben, während nach derzeitigem Recht eine Drohverlustrückstellung zu bilden wäre.

4. Bilanzierung von Verträgen des Typs B

4.1. Bilanzierung beim Eigentümer

Anders als bei Typ-A-Verträgen bilanziert der Eigentümer das Schiff und schreibt es ab. Die Charterraten werden grundsätzlich laufend erfolgswirksam vereinnahmt.

4.2. Bilanzierung beim Charterer

Wie bei Typ-A-Verträgen werden zu Charterbeginn in der Bilanz ein Nutzungsrecht und eine korrespondierende Charterverbindlichkeit gezeigt. In der Folgezeit wird in der Gewinn- und Verlustrechnung allerdings nur ein linearer Charteraufwand ausgewiesen.

4.3. Folgen für den Eigentümer und den Charterer

Die Konsequenzen für den Eigentümer sollen wieder zunächst am Beispiel veranschaulicht werden: Ein Schiff mit einer Gesamtnutzungsdauer von 25 Jahren und einer Restnutzungsdauer von 20 Jahren wird zwei Jahre bareboat zu einer Rate von 1,6Mio. € jährlich nachschüssig verchartert. Der Buchwert des Schiffs zu Charterbeginn beträgt 15Mio. €, der Schrottwert am Ende der Gesamtnutzungsdauer wurde mit 5Mio. € geschätzt. Der relevante Zinssatz beträgt 6,72% (Abb. 4). Das Beispiel zeigt, dass die Bilanzierung beim Eigentümer weitgehend der derzeit üblichen Abbildung von Charterverträgen entspricht. Die Neuregelung erscheint aus dieser Perspektive weitgehend unproblematisch.

Wie die Fortführung des Beispiels darlegt, gilt dies jedoch nicht auch aus Sicht des Charterers (Abb. 5). Wie bei Typ-A-Verträgen kommt es infolge der Aktivierung des Nutzungswerts und der Passivierung der Charterverbindlichkeit im Vergleich zur derzeitigen Situation zu einer Bilanzverlängerung mit der Folge einer verschlechterten Eigenkapitalquote. Der in der Regel lineare Charteraufwand entspricht hingegen wieder grundsätzlich der derzeitigen Situation. Wie bei Typ-A-Verträgen ist schließlich im Falle von Nutzungswertminderungen eine außerplanmäßige Abschreibung möglich bzw. notwendig.

5. Zusammenfassung und Ausblick

Während die Reform nach derzeitigem Stand fraglos auf Bareboatcharter-Verträge anzuwenden sein wird, erscheint ihre Anwendung auf ein (fiktives) Bareboat-Element in Zeit-/Reisecharterverträgen noch unsicher.

Soweit Charterverträge unter die Reform fallen, gilt unter Vernachlässigung von Charterverträgen mit Kaufoptionen: Grundsätzlich wird die Reform erhebliche Auswirkungen auf das Bilanzbild sowohl des Eigentümers – vor allem aufgrund der erwähnten Bilanzverlängerung – als auch auf dasjenige des Charterers entfalten. Von den Veränderungen ausgenommen sind lediglich kurzfristige Charterverträge mit einer Gesamtlaufzeit bis zu zwölf Monaten.

Verschont ist darüber hinaus der Eigentümer im Fall von Typ-B-Verträgen. Angesichts der zumindest in wirtschaftlich ruhigen Zeiten eher geringen Verbreitung der dafür notwendigen, relativ kurzlaufenden Charterverträge darf die letztgenannte Erleichterung allerdings nicht überschätzt werden.

Zwar sind die für die Erarbeitung der Standards verantwortlichen Gremien als Reaktion auf viele kritische Stellungnahmen zu dem vorgestellten Entwurf in zahlreiche, zum Teil grundsätzliche Diskussionen eingestiegen, sodass der Ausgang des Tauziehens um den endgültigen Standard von einigen Beobachtern wieder als offen angesehen wird. Dennoch sollten sich sowohl Schiffseigentümer als auch Charterer darauf einstellen, ihre Jahresabschlussadressaten frühzeitig auf die ggf. zu erwartenden Veränderungen des Bilanzbilds einzustimmen.


WP/StB Dr. Dietrich Jacobs