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Nicht nur von den großen Konzernen der Elektroindustrie, sondern auch

von kleinen, spezialisierten Unternehmen kommen in jüngster Zeit interessante Vorschläge zur Verbesserung von Ökonomie und Ökologie der energietechnischen Bordanlagen. Ein Beispiel beschreibt Hans-Jürgen Reuß
Energiebilanz und Kraftstoffverbrauch sind seit Jahrzehnten von ausschlaggebender Bedeutung für die Betriebskosten von Schiffen. Insofern sind technische Lösungen, mit denen[ds_preview] sich der Kraftstoffverbrauch positiv beeinflussen lässt, von größtem Interesse. Im Zusammenhang mit diesel-elektrischen Antriebsanlagen wurden hierzu in den vergangenen Jahren neue Lösungen vorgestellt.

Der neueste Vorstoß in diese Richtung kommt vom Hamburger Unternehmen E-MS e-powered marine solutions. Geschäftsführer Peter Andersen, der auf mehr als 30 Jahre Erfahrung mit elektrischen Schiffsantrieben verweisen kann, erläuterte der HANSA seine Vorstellungen von künftigen elektrischen Schiffsantrieben, nachdem sein Unternehmen entsprechende Schutzrechte beim Europäischen Patentamt beantragt hatte.

Herausforderung der Drehzahlsteuerung

Worum geht es? Bislang müssen Generatoren von diesel- oder otto-elektrischen Antriebs- und Stromversorgungsanlagen an Bord von Schiffen nach dem Start synchronisiert werden. Damit geht, abgesehen von der zeitlichen Verzögerung bei der Zuschaltung, neben dem technischen Aufwand, der zu Fehlfunktionen führen kann und immer mit entsprechend hohen Investitionen verbunden ist, ein erheblicher Raumbedarf einher. Nun gibt es verschiedene Ansätze, Geld und Bauraum zu sparen und auf die Synchronisierung von Drehstromgeneratoren zu verzichten. Doch in letzter Konsequenz führen diese Ansätze bislang nicht weit genug.

Überwiegend geht es darum, die lastbedingte Drehzahldrückung – also einen relativ kleinen Drehzahlbereich – einfacher als bislang üblich auszugleichen. Erst wenn es gelingt, die Antriebsmaschinen der Generatoren mit ihren Drehzahlen so zu fahren, dass sie immer nur die Leistung anbieten, die gerade benötigt wird, ist der niedrigste Kraftstoffverbrauch zu erzielen. Das gilt einerseits für den Bereich des besten Kraftstoffverbrauchs, aber andererseits auch für die Nutzung von Drehzahlen oberhalb der Synchrondrehzahlen.

Asynchrone Generatoraggregate

Ein vielfach vertretener Lösungsansatz ist die Aufteilung des Energiebedarfs auf mehrere kleine Stromerzeugungsaggre­gate, die je nach Bedarf zu- oder abgeschaltet werden können, statt ein oder zwei große Aggregate zu verwenden. Damit bliebe jedoch der Aufwand für die Synchronisierung erhalten. Besser erscheint die jetzt von E-MS vorgeschlagene Lösung mit nur zwei oder drei Generatoraggregaten, die konsequent mit variabler und gegebenenfalls unterschiedlicher Drehzahl gefahren werden, ohne dass sie synchronisiert werden müssen. Nach dem Vorschlag von E-MS besteht die Anlage für die Stromerzeugung auf einem Schiff dann aus Asynchrongeneratoren, Umrichtern und einem Gleichspannungszwischenkreis. Die Generatoren werden mithilfe der Umrichter lastabhängig erregt, sodass sie stets möglichst gleiche Spannung, aber eben mit beliebiger Frequenz an die Umrichter liefern. Ausgehend vom Kennfeld der Antriebsmaschinen lassen sich diese dann im Bereich des besten Wirkungsgrades fahren oder mit der Drehzahl, mit der dem Energiebedarf an Bord am besten entsprochen werden kann.

Perspektiven durch Niederspannungsumrichter

Vom Gleichspannungszwischenkreis werden alle Verbraucher und Verbrauchergruppen sowie die elektrischen Antriebsmotoren wiederum über entsprechende Umrichter mit Drehstrom der benötigten Spannung und Frequenz versorgt. Da gerade die Entwicklung der Niederspannungsumrichter – als Einzelgeräte – in den vergangenen Jahren zu Einheiten mit Leistungen bis zu 5.000 kW geführt hat, ergeben sich hier interessante Perspektiven für die Anwendung der Entwicklung von E-MS.

Geht es nun um die Stromversorgungsanlage eines Schiffes mit stark schwankendem elektrischen Energiebedarf, wäre eine Einrichtung zum schnellen Ab- und Zuschalten von Generatoraggregaten eine weitere Verbesserung im Sinne der Kraftstoffeinsparung und des Umweltschutzes. Langzeitmessungen an Bord von Fahrgastschiffen mit diesel-elektrischen Antriebsanlagen haben hierzu jüngst interessante Einblicke in die Energiebilanz gegeben. Der zeitliche Anteil von 30–40% Last ist bei diesen Schiffen deutlich größer als der von 70–80% Last. Daher stellt sich die Frage, ob und für welche Zeit einzelne Aggregate ab- und wieder zugeschaltet werden könnten.

Die bislang übliche Fahrweise, eigentlich nicht benötigte Aggregate mit schwacher Last weiter laufen zu lassen, weil kurz danach doch wieder Vollast benötigt wird, ist weder wirtschaftlich vertretbar noch mit Ressourcenschonung und Umweltschutz zu verbinden. Die klassischen diesel-elektrischen Schiffsantriebanlagen sind jedoch, je nach Größe der Verbrennungskraftmaschine, mit elektrischen oder pneumatischen Starteranlagen ausgerüstet, die nur für eine verhältnismäßig geringe Zahl an Startvorgängen ausgelegt sind. Insofern schließen sie häufige Starts als Mittel der Kraftstoff­einsparung aus. Die heute bei neuen Straßenfahrzeugen übliche automatische Motorabschaltung, auch bei kurzem Halt, ist weder auf die Schiffsantriebe übertragbar noch eine ideale Lösung.

Flexibler Startermotor mit großem Drehmoment

Wie Andersen weiter erläuterte, setzt hier eine weitere Entwicklung von E-MS an, denn bei den Stromerzeugungsaggregaten steht eine äußerst leistungsstarke E-Maschine zur Verfügung, die nicht nur als Generator, sondern auch als Motor laufen kann. Sie unterliegt keiner Begrenzung hinsichtlich der Zahl ihrer Anläufe. Insofern ist sie der ideale Startermotor, der jederzeit einen zuverlässigen Startvorgang in kürzester Zeit sicherstellen kann. Ihr Drehmoment ist im Vergleich zu üblichen Startern, gleichgültig welcher Betriebsart, wesentlich größer. Die Verbrennungsmotoren könnten so nicht nur bis zur Zünddrehzahl, sondern bis zur Nenndrehzahl hochgefahren werden.

Kurze Startvorgänge – wesentlich schneller als mit konventio­nellem Starter – sind bei der von E-MS vorgeschlagenen Start-Stopp-Funktion wichtig, da andernfalls ein rasch steigender Energiebedarf zu einem Blackout führen könnte. Jedoch lassen sich mit der neuen Technik zum Beispiel bei Dieselmotoren im Leistungsbereich von 100–4.000 kW die Zeiten zwischen dem Startsignal und der Leistungsabgabe von etwa 30–40 Sekunden auf zehn Sekunden verringern. Da die Verbrennungsmotoren warm und geschmiert sind, gibt es auf ihrer Seite keine Schwierigkeiten.

Die beschriebenen technischen Verbesserungen für diesel- und otto-elektrische Bordanlagen (selbst größter Leistung) sind heute ausführbar. Man darf gespannt sein, wann die erste Anlage dieser Art zum Einbau kommt. Nach mehr als hundert Jahren diesel-elektrischer Schiffsantriebe versprechen die gegenwärtigen Entwicklungen erhebliche Einsparpotenziale, die genutzt werden sollten.


Hans-Jürgen Reuß