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Hans-Heinrich Witte, Leiter der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS), verteidigt die Priorisierung beim Infrastrukturerhalt, bemängelt die zur Verfügung stehenden Investitionsgelder und schließt nicht aus, dass es erneut zu Sperrungen im Wasserstraßennetz kommt
Die Infrastruktur ist eines der wichtigsten Themen in der Verkehrspolitik. Wo sehen Sie die größten Probleme?

Hans-Heinrich Witte[ds_preview]: In Deutschland wurde in den vergangenen Jahrzehnten dem Erhalt der Infrastruktur nicht die Bedeutung zugemessen, die eine derart hochentwickelte Infrastruktur braucht. Angepackt wurden allerdings etliche Neubauprojekte. Nehmen Sie den Zustand der Wasserstraßen. Wir wissen alle, dass über die Hälfte der Schleusen 80 bis 100 Jahre alt sind. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) ist bisher zwar in der Lage, sie in Betrieb zu halten – doch festzuhalten bleibt, dass wir aus dem Bestand leben. Es ist erfreulich, dass jetzt der Erhalt der Infrastruktur immer mehr in den Fokus rückt.

Hat die Fachverwaltung nicht auf die Defizite aufmerksam gemacht?

Witte: Doch das hat sie. Es handelt sich aber um langjährige Prozesse. Schauen Sie auf den Nord-Ostsee-Kanal (NOK). In den 1990er-Jahren hatte er deutlich an Verkehrsaufkommen verloren. In dieser Phase hätte eine Investitionsentscheidung fallen müssen, die Verwaltung hatte auch alles vorbereitet. Es war die Zeit der Wiedervereinigung, die Zeit des Umbruchs im Osten, da gab es andere Schwerpunkte. Die Herausforderungen, denen wir uns beispielsweise heute am NOK stellen müssen, sind hinlänglich bekannt.

Es soll künftig mehr Geld für Verkehrsinvestitionen zur Verfügung gestellt werden, auf der anderen Seite gibt es eine Priorisierung. Was sind die vorrangigen Maßnahmen?

Witte: Das größte Thema ist, die bestehenden Wasserstraßen mit ihren Bauwerken am Laufen zu halten. Wir müssen Sorge dafür tragen, dass der Verkehr nicht zum Erliegen kommt.

Das Prinzip, eine Wasserstraße nach ihrer verkehrswirtschaftlichen Bedeutung, also u.a. nach dem Transportaufkommen, zu klassifizieren, ist grundsätzlich richtig. Nach dem »Gießkannenprinzip« vorzugehen, hilft niemandem weiter. Die jetzt vorgenommene Einstufung wird alle fünf Jahre überprüft werden. Eine Entwicklung und damit Zukunftschancen sind vorgesehen.

Die Priorisierung ist zwar ein richtiger und wichtiger Schritt, aber die Annahme, dass damit auch die Geldverteilung geregelt ist, wäre falsch. Denn als Eigentümer der Wasserstraßen haben wir über die Schiffbarkeit hinaus auch andere Verpflichtungen und eine vielfältige Verantwortung. Wenn z.B. ein Wehr ausfällt, ist die Funktionsfähigkeit dort umgehend wieder sicherzustellen. Die Priorisierung ist eine Grundlage für die Steuerung unserer Ressourcen. Außerdem gilt der Grundsatz: Erhalt vor Ausbau.

Wie viel Geld können Sie für Erhalt der Infrastruktur und für Neubaumaßnahmen investieren?

Witte: Uns stehen jährlich 500Mio.€ zur Verfügung. Wenn ich mir allein die Ersatzinvestitionen anschaue, die nötig werden, bräuchten wir jedes Jahr das Doppelte an Geld im Vergleich zu dem, was wir jetzt haben, also 1Mrd.€. Wir können also nicht einmal alle Wasserstraßen der Kategorie A weiterentwickeln. Das ist das eine. Zum anderen braucht es weitere Planungskapazitäten, um tatsächlich mehr Maßnahmen umsetzen zu können.

Was heißt das konkret für die Instandhaltungs- und Neubaumaßnahmen, wenn nur die Hälfte des für Ersatzinvestitionen benötigten Budgets zur Verfügung steht?

Witte: Der Fokus liegt eindeutig auf dem Erhalt der Wasserstraßen, d.h. die klare Priorisierung, an welchen Wasserbauwerken Anpassungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen. Aber es wird selbstverständlich auch weiter Ausbaumaßnahmen an den Bundeswasserstraßen geben. Und alle Ersatzinvestitionen passen wir natürlich den zukünftigen Anforderungen an. Es wird uns vermutlich nicht gelingen, unser Wasserstraßennetz in den kommenden Jahren so intakt zu halten, dass es nicht zu außerplanmäßigen Sperrungen kommt. Wir werden jedoch alles tun, dass keine Störungen an entscheidenden Knotenpunkten auftreten.

Interview: Krischan Förster und Thomas Wägener

Krischan Förster und Thomas Wägener