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Das Wachstum der Autoindustrie gewinnt wieder an Fahrt, meinen Experten. Entsprechend zieht auch das Verkehrsaufkommen für die Branche auf den Überseerouten an.
Hohe Verkaufszuwächse im asiatischen Raum, die wirtschaftliche Erholung in Europa und der Ausbau der internatio­nalen Arbeitsteilung kurbeln die Frachtverkehrsaktivität[ds_preview] im Automotive-Sektor weiter an. Auf der Fachkonferenz Automotive Logistics Europe in Bonn zeichneten Branchenvertreter und Marktforscher für die nächsten Jahre ein positives Bild. So geht die Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers (PwC) in ihrem Automotive Outlook 2014 davon aus, dass die globale Fahrzeugproduktion bis 2020 von 82,5Mio. auf knapp 108Mio. Stück zulegen wird.

Hohe Steigerungen prognostizieren die Experten vor allem für die südostasiatischen Länder der Asean-Freihandelszone, Brasilien, Russland und China. Das globale Wachstum der Branche werde voraussichtlich zu mehr als zwei Drittel durch diese Staaten getragen, erklärte PwC-Analyst Michael Gartside. Europa kehre nach dem Einsturz der Neuwagenverkäufe im Zuge der Finanz- und Währungskrise ebenfalls auf den Wachstumspfad zurück.

Gedämpft seien die Aussichten hingegen in Japan sowie Indien. »Die Bevölkerung altert und nimmt ab, während das Interesse der Konsumenten an Autos eher sinkt«, konstatierte Gartside mit Blick auf Japan. Indien mit seiner jungen und wachsenden Bevölkerung beflügelt seit Jahren – wenn nicht Jahrzehnten – die Fantasie der Ökonomen und Investoren. Angesichts ausbleibender politischer Reformen und des schleichenden Infrastrukturausbaus ist die Euphorie aber längst verblasst. »Das hohe Wachstumspotenzial, das alle angepriesen haben, wird wohl erst im nächsten Jahrzehnt zum Tragen kommen«, sagte Gartside. Ein anderes Schwellenland in Nordamerika befindet sich dafür auf der Überholspur: Mexiko kann dank seiner niedrigen Löhne und der Nähe zum US-Markt seine Kapazitäten für die Endmontage wie auch die Produktion von Motoren und anderen Systemkomponenten kräftig ausbauen.

Zwar siedeln die OEMs (Original Equipment Manufacturer/Autohersteller) ihre neuen Werke zunehmend direkt in den Absatzmärkten an, die sie früher mit Exporten aus ihren Heimatländern beliefert haben. So will Volkswagen bis zum Jahr 2018 ca. 7Mrd. € in den Ausbau der Produktion in Nordamerika investieren. Und in China schießen neue Werke interna­tionaler Hersteller wie Pilze aus dem Boden. Trotzdem bangen die Reedereien, die die Fertigfahrzeugverkehre zwischen den Kontinenten abwickeln, offenbar nicht um ihr Geschäftsmodell. Denn die neuen »lokalen« Werke in Mexiko, China oder Indien produzieren nicht nur für die heimischen Märkte, sondern spezialisieren sich auch als globale Lieferanten – exportieren bestimmte Modellreihen, für die sie den Zuschlag erhalten, in aller Herren Länder.

Reedereien investieren wieder

Im Vertrauen auf eine stabile Entwicklung bei den Langstreckentransporten über See haben mehrere Reedereien in den vergangenen Wochen ihre Orderbücher für Schiffsneubauten aufgestockt, darunter die japanische »K« Line, Gram P. D. aus Norwegen und United European Car Carriers (UECC) – eine gemeinsame Tochtergesellschaft der Schifffahrtskonzerne NYK und Wallenius.Hohe Erwartungen hegen auch die auf die Inbound-Logistik für Teile und Material spezialisierten Logistikdienstleister. Trotz der zunehmenden Lokalisierung der Zulieferketten in den asiatischen Wachstumsmärkten zeichneten sich bislang keine Rückgänge bei Überseelieferungen für die Autowerke ab. Das liege teils daran, dass das absolute Wachstum der Produktion Verschiebungen von globalem zu lokalem Sourcing überkompensiere.

Andererseits würden sich die großen europäischen Autozulieferer durch ihren Know-how-Vorsprung immer wieder neue Marktnischen erarbeiten und den Export aus ihren Stammwerken heraus ankurbeln. »Die Kunden, mit denen ich vor 25 Jahren angefangen habe, haben ihre Volumina auf viele Routen in der Zwischenzeit vervielfacht. Das wächst weiter«, zeigt sich Thomas Blank, Chief Executive Officer für Zentraleuropa bei Agility Logistics, zuversichtlich. Nach einer Reorganisation des Unternehmens in Deutschland wolle sich Agility noch stärker auf das Thema »Buyer’s Consolidation« konzentrieren – also die Bündelung sowie See- und Luftfrachtabfertigung von Teilen unterschiedlicher Lieferanten für ein und denselben OEM. Für mehrere Fahrzeughersteller und First-Tier-Lieferanten in Übersee würden am Agility-Hub in Stuttgart heute Lieferumfänge von je 6–12TEU (20-Fuß-Standardcontainer) konsolidiert und versandt. Größere Marktanteile will Blank mit einem »Shared User«-Konzept erobern. Dabei sollen die Lieferungen für unterschiedliche Kunden verstärkt in ein und demselben Lkw bzw. einem Seecontainer befördert werden, wenn sich die Empfangsorte einigermaßen decken. »Wenn Sie drei bis vier Geschäfte in dieselbe Richtung haben, liegen Sie schnell bei einer Überdeckung der Lieferanten von 60 bis 70%«, verdeutlicht Blank. Durch Bündelung von Pick-Ups bei den Lieferanten und Nutzung gemeinsamer Frachtkapazitäten ließen sich Auslastungsquoten steigern und Kosten senken. »Wenn wir Synergien heben, können wir Kostenvorteile weitergeben«, sagt er. Sein Leistungsspektrum wolle Agility entlang der Überseelieferkette ausbauen. So soll die Konsolidierung von Exportware aus Europa bald durch Importlogistik und Distribution in den Empfangsländern ergänzt werden. »Mexiko, Brasilien, China – auf diese Länder konzentrieren wir uns ganz besonders«, unterstreicht Blank.

Optimierte Containerstauung

Bei dem US-Speditionskonzern mit deutschen Wurzeln, UTi, steht das Thema Exportkonsolidierung für Automobilkunden ebenfalls ganz oben auf der Agenda. Das Unternehmen sieht dabei noch viel Verbesserungsspielraum gerade beim Teileversand in Asien. »Wir reden hier von einer Konsolidierung in neuen Märkten mit unerfahrenen Lieferanten«, erklärt Jens Moeller, Senior Vice President bei UTi. Für die Verpackung der Ware wie auch das Beladen der Container gebe es dort häufig keine klaren Standards. Ergebnis: Beim Warenempfang in den Logistikzentren in Amerika müssten die Packstücke aus jedem Container erst einmal sortiert werden, was viel Zeit und Geld kostet. »Ziel muss es sein, alle Container abladestellengerecht zu beladen, sodass sie direkt an der Rampe eines Werks angenommen werden können«, sagt Moeller. UTi habe dazu mit einem Kunden ein Pilotprojekt gestartet.


Michael Hollmann