Print Friendly, PDF & Email

Insgesamt 360 Teil-nehmer informierten sich auf der Zukunftskonferenz und dem darin eingebun-de-nen HANSA-Forum Offshore in Rostock über aktuelle Markt- und Technologietrends.
Nach der Einigung zwischen Bundesregierung und Bundesländern über den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien blickt die Windenergiebranche wieder etwas zuversichtlicher[ds_preview] in die Zukunft. Das wurde Anfang Mai auf der zweitägigen Konferenz »Wind & Maritim 2014« in Rostock deutlich. »Mittelfristig gibt uns das wieder mehr Planungssicherheit«, sagte Andree Iffländer, Vorstandsvorsitzender des Wind Energy Network, das die von 360 nationalen und internationalen Teilnehmern besuchte Konferenz auch diesmal wieder zusammen mit dem Schiffahrts-Verlag »H ansa« veranstaltete. Solle der vollständige Umbau auf die erneuerbaren Energien wie von der Politik geplant bis 2050 gelingen, dürfe die Energiewende allerdings nicht weiter ausgebremst werden, betonte Iffländer. »Langfristig sind weit höhere Ausbauziele, erheblich mehr politische Verlässlichkeit und stabile Rahmenbedingungen notwendig.«

In insgesamt 45 Fachvorträgen berichteten Referenten aus Windenergie- und maritimer Wirtschaft sowie aus Meerestechnik und Wissenschaft über aktuelle Markt- und Technologietrends. Eine Verknüpfung dieser Bereiche stellte am zweiten Konferenztag das vierte HANSA-Forum Offshore her, das wie in den Vorjahren von Michael vom Baur (MvB euroconsult sowie HANSA-Fachautor) moderiert wurde. Das Publikum erhielt hier unter anderem Einblicke in bisherige Erfahrungen beim Bau von Offshore-Windparks und Spezialschiffen sowie beim Meeresbergbau und hörte einen Vortrag von Rechtsanwalt und Buchautor Michael Baumhauer, Partner der Kanzlei Taylor Wessing, zur Vertragsgestaltung bei Offshore-Projekten (s. Interview auf Seite 43).

Den Anfang machte Philippe Schönefeld von den German Renewables Shipbrokers. Offensichtlich herrscht in der Branche ein großer Bedarf an spezialisierten Schiffsmaklern, die einen guten Überblick über die für den Bau und Betrieb von Offshore-Windparks verfügbare Tonnage haben: Hatte Schönefeld im Juli 2011 mit seinem Geschäftspartner Matthias Mroß noch als Zwei-Mann-Team begonnen, sind inzwischen schon zwölf Mitarbeiter bei dem Hamburger Unternehmen beschäftigt.

Der Fachmann rechnete vor, dass für die Errichtung eines Windparks mit 80 Anlagen 20 bis 30 Spezialschiffe – vom Installationsschiff über den Kabelleger bis hin zu diversen Crew Transfer Vessels – benötigt werden. Das Angebot deutscher Reedereien umfasse etwa 25 bis 30 Schiffe, und das bei einem Durchschnittsalter von mehr als 30 Jahren. »Man könnte also sagen: Ein Windpark, und die deutsche Offshore-Tonnage ist komplett ausgebucht«, so Schönefeld. Angesichts des Wettbewerbs mit Bauherren und Betreibern anderer Länder sei es enorm wichtig, die benötigten Schiffe rechtzeitig einzuchartern. »Wenn zum Beispiel das Schiff mit dem Blasenschleier für den Schallschutz nicht da ist, kann das Errichterschiff nicht arbeiten – die Charterraten von bis zu 180.000€ pro Tag müssen trotzdem gezahlt werden.« Er gehe davon aus, dass der Bedarf an Spezialtonnage weiter steigen werde. Und sollte es demnächst wieder zu einer erhöhten Nachfrage aus der Offshore-Öl- und Gasindustrie kommen, würden die Charterraten ohnehin anziehen. »Dann wird es die Offshore-Windbranche schwer haben, die Preise zu bezahlen.«

»Vidar«, »Vicky« und »Fritz« bewähren sich beim Windparkbau

Den jüngsten Zugang der Hochtief-Flotte, das auf der polnischen Crist-Werft gefertigte Kranhubschiff »Vidar« (s. HANSA 4/2014), stellte Projektmanager Mike Flemming vor. Man habe nicht das größte und stärkste Schiff bauen wollen, sondern ein optimiertes, betonte er. In den Mittelpunkt sei dabei die Verlässlichkeit gestellt worden. Hochtief Solutions rechne mit einer Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren: »Die Erfahrung zeigt aber, dass bei solchen Schiffen nach fünf Jahren Modernisierungen fällig werden, weil sich die Technik verändert«, sagte Flemming, der mit beeindruckenden Zahlen aufwartete. So berichtete er, dass die 17 Pumpen des hydraulischen Jacking-Systems 24.000 l Öl bewegen müssen, um das Schiff 1m zu heben. Bei einem Gewicht von 24.000t, das aus dem Wasser gestemmt werde, könne es in der Ostsee je nach Bodenverhältnissen schon einmal vorkommen, dass die 90m langen Beine bis zu 12m in den Meeresgrund eindringen: »Das dauert dann schon etwas, die da wieder rauszubekommen.« In der Nordsee seien die Bedingungen mit Eindringtiefen von durchschnittlich 3m komfortabler.

Einblicke in die Arbeit mit Installationsschiffen gewährte auch Fabian Wilke, Senior Engineering Manager bei der Offshore Logistics Company (OLC), ei­ner Tochter von RWE Innogy. Die beiden 2012 in Dienst gestellten Schwesterschiffe »Victoria Mathias« und »Friedrich Ernestine«, von den RWE-Mitarbeitern der Einfachheit halber »Vicky« und »Fritz« genannt,­

hätten eine Verfügbarkeit von mehr als 99%: Nach den anfänglichen Problemen mit den Stahlzylinderkomponenten im hydraulischen Hubsystem (s. HANSA 3/2012) seien keine größeren Schwierigkeiten mehr aufgetreten. Dass der Bau von Offshore-Windparks in verschiedenen Berei­chen mit Herausforderungen verbunden ist, wurde am Beispiel des Projekts »Gwynt y Môr« vor der walisischen Küste deutlich. Die »Friedrich Ernestine« war dort zur Installation von Monopiles im Einsatz und musste wegen schwieriger Bodenverhältnisse bei einem Teil der Fundamente abwechselnd rammen und bohren. Für das Bohren habe man ursprünglich jeweils ein bis zwei Tage einkalkuliert, berichtete Wilke. »Tatsächlich waren es dann zwei bis sieben Tage, darum sind wir kurzfristig auf eine Zwei-Schiff-Strategie umgeschwenkt.« Den Zeitplan habe man so einigermaßen halten können – allerdings »nicht ganz kostenneutral«. Mittlerweile hat »Fritz« den ersten Auftrag erfolgreich abgeschlossen und sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, um »Vicky« beim Bau des RWE-Windparks »Nordsee Ost« zu helfen.

Bedarf an innovativer Meerestechnik steigt

Eine andere regenerative Energie präsentierte Niels Lange vom Josef Becker Forschungszentrum der Schottel-Gruppe: die Tidenenergie, die gut vorhersagbar ist und daher laut Lange perspektivisch auch beim Netzmanagement eine Rolle spielen kann. Einen echten Markt gibt es zwar in diesem Bereich noch nicht, doch verschiedene Unternehmen arbeiten aktuell an Konzepten. Schottel ist hier mit einer 50-kW-Turbine vorne mit dabei. Zusammen mit dem britischen Unternehmen Tidal Stream wurde die »Triton-Plattform« entwickelt, die eine Installation von mehreren Turbinen und damit Gesamtleistungen im Multi-Megawatt-Bereich ermöglicht. 2016 soll in Kanada eine 2,5-MW-Demonstrationsanlage installiert werden. »Wir gehen davon aus, dass Tidenenergie kommerziell nutzbar wird«, betonte Lange.

Kommerziell erschlossen werden soll auch das weltweite Methanhydratvorkommen, das vor allem in der Tiefsee sowie

in Permafrostgebieten zu finden ist und das von vielen Fachleuten als potenzielle Energiequelle der Zukunft gesehen wird. Um welche Mengen es tatsächlich gehe, sei schwer einzuschätzen, erläuterte Judith Schicks vom Deutschen Geoforschungszentrum (Helmholtz-Zentrum Potsdam). Fest stehe allerdings: »Methanhydrat stellt eine enorme Ressource dar, an die wir eventuell herankommen können.« Die bisherigen Tests hätten gezeigt, dass es grundsätzlich möglich sei, aus den natürlichen Gashydraten das brennbare Gas Methan zu gewinnen. Und noch etwas dürfte schon jetzt klar sein: Spätestens dann, wenn die Förderung von Methanhydrat wirtschaftlich interessant wird, werden innovative meerestechnische Komponenten und Geräte benötigt, ohne die ein industrieller Abbau nicht möglich ist.

Ob Messgeräte, unbemannte Unterwasserfahrzeuge oder Fördergeräte für den Meeresbergbau – um den zukünftigen Bedarf an mineralischen Rohstoffen wie Manganknollen, Mineralkrusten und Sulfiderzen decken zu können, werden diverse innovative Technologien gebraucht, die allesamt tiefseetauglich sein müssen. Unter anderem müssen sie hohen Druck und starke Druckwechsel verkraften, sowohl niedrige als auch sehr hohe Temperaturen aushalten können und in einer weitgehend unbekannten Fauna bestehen.

Bei manchen Materialien ist gar nicht klar, ob sie diese Anforderungen erfüllen, machte Sebastian Schrei­er vom Lehrstuhl für Meerestechnik der Universität Rostock deutlich und präsentierte auch gleich eine Lösung: Seit vorigem Jahr verfügt der Lehrstuhl über einen Drucktank, der einen Betriebsdruck von bis zu 600 bar erzeugen und so die Verhältnisse bei Wassertiefen von 6.000m simulieren kann. Geräte und Komponenten, die für den Tiefseeeinsatz bestimmt sind, können dort auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. Schreier bestätigte damit den Ansatz des HANSA-Forums, Akteure aus unterschiedlichen Bereichen der Wirtschaft und der Wissenschaft zusammenzubringen, damit sie ihre Erkenntnisse austau­schen und Synergien nutzen können.


Anne-Katrin Wehrmann