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Die neue Gefahrgut- und Brandschutz-verordnung Hafen Hamburg gesetzte neue Gefahrgut- und Brandschutzverordnung Hafen Hamburg (GGBVOHH) nunmehr vollen Umfangs zur Anwendung. Einen Überblick zum neuen Landesgefahrgutrecht in Hamburg geben Heiko Beller und Peter Hesse

Der Hamburger Hafen wird jährlich von rund 20.000 See- und Binnenschiffen angelaufen. In ihm werden über 9Mio.TEU (20-Fuß-Standardcontainer[ds_preview]) umgeschlagen und er ist damit der zweitstärkste Containerhafen in Europa. Damit einher geht eine Ballung der Güterverkehrsströme auf der Straße, der Schiene, den Binnen- und Seeschifffahrtstraßen: Der Hamburger Hafen nimmt die Funktion eines logistischen Drehkreuzes innerhalb der Lieferkette wahr. Dabei entfällt wie in anderen Universalhäfen auch in Hamburg ein nicht geringer Teil der auf den Hafen zulaufenden, dort umgeschlagenen und vom Hafen ablaufenden Warenmengen auf die sog. gefährlichen Güter. Nach der Legaldefinition in §2 Absatz 1 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes sind »gefährliche Güter« »Stoffe und Gegenstände, von denen auf Grund ihrer Natur, ihrer Eigenschaften oder ihres Zustandes im Zusammenhang mit der Beförderung Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere für die Allgemeinheit, für wichtige Gemeingüter, für Leben und Gesundheit von Menschen sowie für Tiere und Sachen ausgehen können«. Bei der inhaltlichen Gestaltung der landesrechtlichen Gefahrgutvorschriften ist die Lage des Hafens inmitten der Stadt besonders zu berücksichtigen, weil wie in jedem Universalhafen auch gefährliche Güter für den Wechsel des Transportmittels oder aus sonstigen Gründen über einen gewissen Zeitraum abgestellt werden und sich somit zu jeder Zeit nicht unerhebliche Mengen von Gefahrgütern im Hafen befinden.

Für die Sicherheit bei der Beförderung von gefährlichen Gütern – auch für den zeitweiligen Aufenthalt – gelten grundsätzlich die bundesdeutschen Gefahrgutvorschriften wie das Gefahrgutbeförderungsgesetz einschließlich seiner verkehrsträgerspezifischen Verordnungen sowie die international geltenden Gefahrgutvorschriften wie das ADR für den Straßenverkehr, RID für die Schiene und der IMDG-Code. Sie lassen jedoch örtliche Besonderheiten weitestgehend außer Acht und reglementieren Sicherheitsvorkehrungen während des Abstellens von Gefahrgütern nur rudimentär. Vor diesem Hintergrund gelten schon seit Jahren im Hamburger Hafen lokale Gefahrgutbe-stimmungen, die diese Lücken schließen sollen. Am 1. April 2013 ist die grundle-gend überarbeitete und an die Veränderungen des Hafens angepasste Gefahrgut- und Brandschutzverordnung Hafen Hamburg (GGBVOHH) in Kraft getreten. Durch die neue Verordnung wurden Sicherheitsbestimmungen den neuen Ge-gebenheiten angepasst und effektiver und flexibler gestaltet. Auf diese Weise konnte ein sehr hohes Sicherheitsniveau praxisgerecht umgesetzt werden. Insbesondere vermeidet die GGBVOHH Doppelregelungen in solchen Fällen, bei denen bereits andere die Sicherheit gefährlicher Stoffe betreffende Vorschriften, wie zum Beispiel das Umwelt- und Gefahrstoffrecht, Vorgaben für den Umgang mit Gefahrgütern enthalten.

Von diesem Gedanken wird vor allem §5 der GGBVOHH getragen. Durch ihn werden Sicherheitsmaßnahmen, die während des Abstellens von verpackten gefährlichen Gütern zum Zwecke des zeitweiligen Aufenthalts innerhalb eines Umschlagbetriebes eingehalten werden müssen, festgelegt. Dabei geht es in erster Linie um Mengengrenzen, besondere Sicherheitsanforderungen, Sicherheitsabstände und Brandschutzmaßnahmen. Entscheidend ist jedoch, ob – unabhängig von gefahrgutrechtlichen Regelungen – dieser Umschlagbetrieb durch eine Genehmigung aufgrund von Vorschriften des Arbeitsschutz-, Immissionsschutz-, Bauordnungs- oder Wasserrechts für das Lagern von gefährlichen Stoffen zugelassen ist. Sofern das betroffene Gefahrgut von diesen Genehmigungen umfasst ist, haben die Sicherheitsvorschriften der Genehmigungen Vorrang vor den Vorschriften der GGBVOHH. Nur in den Fällen, bei denen das Gefahrgut, welches innerhalb des Umschlagsbetriebes abgestellt werden soll, nicht unter die Umweltvorschriften bzw. ihren Genehmigungen zuzuordnen ist, gelten die besonderen Sicherheitsbestimmungen der neuen Hamburger Gefahrgutvorschriften.

Auch noch so strenge Sicherheitsbestimmungen können keine 100%ige Garantie dafür geben, dass es nie zu einem Einsatz von Feuerwehr und Wasserschutzpolizei kommt. Für die Fälle eines erforderlichen Einsatzes ist es für den betroffenen Betrieb, aber insbesondere für die Einsatzkräfte der Feuerwehr und Polizei erforderlich zu wissen, welche Gefahrgüter sich noch auf dem Gelände bzw. sich in der Nähe der Havarie befinden. Mit diesen Informationen können sich die Sicherheitskräfte bereits bei der Anfahrt zum Unfallort ein Lagebild machen, um den Kräfteansatz und den Einsatz z. B. geeigneter Löschmittel vorzubereiten. Aus diesem Grund gibt es auch in der neuen GGBVOHH eine Pflicht zur Anmeldung von Gefahrgütern. Sie erfolgt in das als elektronische Datenbank geführte Gefahrgutinformationssystem des Hamburger Hafens (GEGIS). Die Anmeldepflicht gilt für Schiffe mit Gefahrgütern, sofern sie sich im Hamburger Hafen befinden, für gefährliche Güter, die sich im Hamburger Hafen in oder auf Eisenbahnwagen befinden und für die Gefahrgüter, die auf einem Betriebsgelände oder auf einem Wasserfahrzeug innerhalb des Hafens abgestellt sind.

Im Vergleich zur Vorgängerregelung ist die Meldepflicht auf den Eisenbahnverkehr innerhalb des Hafengebietes ausgedehnt worden und gilt für alle Betriebe, die mit Gefahrgütern umgehen – also nicht nur ausschließlich für Seeschiffsumschlaganlagen. Die Anmeldung muss im Zusammenhang mit dem Schiffsverkehr grundsätzlich 24 Stunden vor Erreichen des Hamburger Hafens, im Falle des Eisenbahnverkehrs spätestens zum Zeitpunkt des Erreichens der Gleisanlagen des Hamburger Hafens und bei Hafenbetrieben spätestens zum Zeitpunkt des Abstellens auf dem Betriebsgelände erfolgen. Auf diese Weise besitzt Hamburg – auch im Vergleich zu andern europäischen Umschlagplätzen – ein sehr leistungsfähiges System, mit dem Informationen über Gefahrgüter für die Überwachungsbehörde und die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei in Echtzeitnähe abgebildet werden können.

Gefahrgutvorschriften erfüllen nur ihren Zweck, wenn sie auch eingehalten werden. Daher sind Kontrollen durch die zuständigen Behörden notwendig. In Hamburg ist die Wasserschutzpolizei mit der Überwachung der Einhaltung der gefahrgutrechtlichen Vorschriften zuständig. Um Eingriffe in Betriebsabläufe durch ein unkoordiniertes Kontrollverfahren zu vermeiden, nutzt sie das für die Gefahrgutanmeldung eingerichtete Gefahrgutinformationssystem GEGIS. Die aufgrund der Anmeldepflicht eingestellten Gefahrgutdaten werden durch die Mitarbeiter der Hamburger Wasserschutzpolizei gesichtet und dahingehend bewertet, ob sich anhand der Angaben ein Verdacht auf einen Rechtsverstoß gegen gefahrgutrechtliche Bestimmungen darstellt bzw. darstellen könnte. Infolgedessen unterbleiben wahllose Kontrollen. Im Gegenteil: Die Beamtinnen und Beamten der Wasserschutzpolizei können auf diesem Wege gezielt z. B. einen Container, bei dem der Verdacht besteht, dass die einschlägigen Gefahrgutvorschriften nicht eingehalten werden, untersuchen.

Der Hamburger Hafen ist – wie z. B. auch der Hafen von Antwerpen oder die Megaports in Singapur und Hongkong – dadurch gekennzeichnet, dass er in Stadtnähe liegt. Aufgrund dieses Umstandes sind Gefahren, die sich aus Unfällen mit gefährlichen Gütern ergeben und somit die unmittelbar am Hafen lebende Bevölkerung betreffen könnten, mit einem anderen Maßstab zu beurteilen, als bei Häfen, die weit außerhalb der Stadt »auf der grünen Wiese« angesiedelt sind. Vor diesem Hintergrund verbietet die GGBVOHH für bestimmte gefährliche Güter generell das Einbringen in das Hafengebiet oder lässt nur die Durchfuhr von Transitladung oder die unmittelbare Überladung von einem Verkehrsträger auf den anderen ohne zeitweiligen Aufenthalt im Hafen zu. Nicht zulässig ist das Einbringen von Massengütern, sofern es sich um explosive Stoffe (Kl. 1), entzündend (oxidierend) wirkende Stoffe (Kl. 5.1), organische Peroxide (Kl. 5.2), ansteckungsgefährliche Stoffe (Kl. 6.2) sowie radioaktive Stoffe (Kl. 7) handelt. Einzelne verpackte gefährliche Güter der Klassen 1, 3, 4.1, 5.1, 5.2, 6.1, 6.2 sowie 7 sind im Hafen nur bei unmittelbarer Überladung oder im Rahmen einer Durchfuhr erlaubt. Diese Güter dürfen also nicht für einen zeitweiligen Aufenthalt abgestellt werden.

Unabhängig von den dargestellten Verboten und Beschränkungen gelten für Mineralöl-, Chemikalien- bzw. Gastanker besondere Liegeplatzbestimmungen. Diese Schiffe dürfen nur in dafür besonders ausgewiesenen Tankschiffhäfen liegen. Tankschiffhäfen werden durch Tafeln gekennzeichnet und im Amtlichen Anzeiger bekannt gemacht. Im Gegensatz zu anderen Hafenbereichen dürfen Tankschiffhäfen neben Tankschiffen grundsätzlich durch keine anderen Schiffe befahren werden. Ausgenommen sind Hafengüterfahrzeuge ohne Maschinenantrieb, Schubleichter und Schubboote mit einem Zulassungszeugnis für Tankschiffe oder Wasserfahrzeuge, denen eine besondere Erlaubnis erteilt worden ist.

Eine entscheidende Rolle für die Sicherheit beim Umgang mit Gefahrgütern spielen besondere Brandschutzmaßnahmen. Daher enthält die Gefahrgut- und Brandschutzverordnung Hafen Hamburg auch detaillierte Brandschutzanforderungen. In Abhängigkeit vom Abstellort (in Gebäu-den oder im Freien), von der Transportart (im Container oder als einzelnes Versandstück) werden u. a. besondere Brandabschnitte, Abstände der Gefahrgüter zueinander, Stapelhöhen von Containern, Brandmeldeanlagen und Einrichtungen zur Löschwasserversorgung vorgeschrieben. Im Zusammenhang mit der erhöhten Feuergefahr müssen Rauchverbote und spezielle Sicherheitsvorschriften für die Durchführung von feuergefährlichen Arbeiten beachtet werden.

Die GGBVOHH schreibt infolgedessen vor, dass das Rauchen und feuergefährliche Arbeiten, wie z. B. Schweißen innerhalb eines Betriebsgeländes, auf dem sich gefährliche Güter befinden oder auf Schiffen, die gefährliche Güter geladen haben, nicht gestattet ist. Davon ausgenommen sind Betriebsgebäude bzw. Unterkunftsräume des Schiffes oder im Falle von feuergefährlichen Arbeiten solche Arbeiten, bei denen sich der Einsatzort in einem Abstand von mehr als 30m zu gefährlichen Gütern befindet.

Der heutige Schiffs- und Güterverkehr wird insbesondere vor dem Hintergrund der Containerisierung durch feste Ablaufprozesse bestimmt. Grundsätzlich sind die Vorschriften der Gefahrgut- und Brandschutzverordnung an diesen Standardprozessen ausgerichtet. Dennoch werden Abläufe innerhalb eines Hafens durch nicht vorauszusehende Unwägbarkeiten immer wieder kurzfristig beeinflusst. Insofern beinhaltet die GGBVOHH für nahezu alle Regelungsbereiche auch die Möglichkeit einer Ausnahmegewährung. Auf diese Weise kann jedem Arbeitsablauf eine maßgeschneiderte Sicherheitslösung zugeordnet werden, so dass nicht nur bei den Standardprozessen, sondern auch bei Spezialarbeitsabläufen ein sehr hoher Sicherheitsstandard im Hamburger Hafen erreicht wird.

Bei der Entwicklung der GGBVOHH wurde von der zuständigen Hamburger Innenbehörde auch die Hafenwirtschaft, vertreten durch Einzelunternehmen und den Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH) beteiligt. Auf diese Weise konnten frühzeitig praxisgerechte Lösungen entwickelt werden, ohne den bezweckten Sicherheitsstandard zu beeinträchtigen. Mit der Gefahrgut- und Brandschutzverordnung Hafen Hamburg ist dadurch eine Rechtsvorschrift entstanden, die das System Hafen und Schifffahrt weiterhin auf hohem Niveau produktiv und sicher macht, um effiziente und verlässliche Dienste in alle Teile der Welt anbieten zu können.
Heiko Beller, Peter Hesse