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Der Antriebsspezialist MAN orientiert sich verstärkt in Richtung kommerzielle Schifffahrt. Nun hat das Unternehmen einen Motor für den schweren Betrieb entwickelt, der sparsamer und effizienter sein soll als seine Vorgänger. Er wird in Kürze der Öffentlichkeit präsentiert.
Im Jahr 2008 hat MAN noch mehr als zwei Drittel seiner verkauften Motoren an die »Vergnügungsschifffahrt« geliefert, die übrigen rund[ds_preview] 33% gingen an Kunden aus der kommerziellen Schifffahrt. »Es ist eine deutliche Verlagerung des Sales-Anteils auf die kommerzielle Schifffahrt zu erkennen«, sagt Claus Benzler, Chef der Marine-Abteilung bei MAN Truck & Bus. Im vergangenen Jahr seien 60% der verkauften Motoren für die kommerzielle Schifffahrt bestimmt gewesen und nur noch 40% für den Freizeitbereich. Verantwortlich für die Entwicklung war nach Angaben von Benzler unter anderem die Erschließung neuer Marktsegmente wie Wind Farm Supply Vessels sowie der Ausbau des Produktportfolios für die kommerzielle Schifffahrt. Zudem sei die Stärkung des Vertriebs von Motoren für den leichten, kommerziellen Betrieb, beispielsweise für Seepolizeiboote und Küstenwache, ebenfalls für diese Entwicklung verantwortlich gewesen.

Höhere Effizienz und weniger Verbrauch durch neuen Motor

Für die kommerzielle Schifffahrt gelten in den internationalen Seegebieten verschiedene Abgasemissionsgrenzen. Diese werden sich aufgrund der von der IMO vorgesehenen strengeren Umweltbestimmungen weiter verschärfen. Auf diese Entwicklung reagieren auch die Hersteller seit geraumer Zeit, indem sie Motoren entwerfen, die den steigenden Anforderungen gerecht werden.

Mit dem Zwölfzylinder-V-Motor mit der Bezeichnung D2862 LE441 vergrößert MAN sein Leistungsspektrum von schnelllaufenden Marinemotoren für den schweren Betrieb auf 735 kW (1.000 PS). Durch die Anpassung des Turboladers und der Ventilsteuerzeiten konnte der Mitteldruck angehoben sowie die Leistung gegenüber den ursprünglich stärksten – und weiterhin lieferbaren – Motoren D2862 LE431 bzw. D2842 LE421 um 73 kW (100 PS) gesteigert werden.

Mit einem Trockengewicht von 2. 270 kg ist der neue D2862 LE441 nach Unternehmensangaben nicht nur deutlich leichter als seine Vorgänger, er erfüllt auch das Leistungsportfolio für die Abgasnormen IMO-Tier-2- und EPA-Tier-3. Mit einem Hubraum von 24,24 l sowie einer Bohrung von 128mm und einem Hub von 157mm erreicht der neue Marinemotor ein maximales Drehmoment von 4.380 Nm bei 1.100 bis 1.600 min-1, teilt das Unternehmen mit. Damit eignet er sich den Angaben zufolge besonders für Schlepper und kleinere Frachtschiffe.

Auch in puncto Effizienz weist der D2862 LE441 im Vergleich zu seinen Vorgängern eine Steigerung auf. Der spezifische Verbrauch unter Volllast beträgt bei maximalem Drehmoment 192,3 g/kWh. Zum Vergleich: das Vorgängermodell namens D2842 LE405 weist einen Verbrauch von 230 g/kWh auf. Wie bei allen MAN-Motoren sorgt die Common-Rail-Hochdruck-Einspritzung für optimale Verbrennungseinstellungen, heißt es. Dies betrifft den Zeitpunkt, die Menge und das Druckniveau.

Die Voreinspritzung hat auch einen akustischen Einfluss auf den Motor. Bei älteren Einspritzsystemen ohne Voreinspritzung ist ein lauteres Verbrennungsgeräusch zu vernehmen. Dieses bezeichnet der Fachmann als »Nageln«. Ausgelöst wird es durch den steilen Druckanstieg. »Durch die Voreinspritzung ist der Druckanstieg (Gradient) flacher und der Motor läuft leiser bzw. weicher«, sagt Stefan Löser, Chef der Sparte Leistung & Emissionen bei MAN Truck & Bus.

Ferner sind die Zylinderköpfe des neuen Zwölfzylinders einzeln montiert, was für eine hohe Servicefreundlichkeit sorgt, denn sie lassen sich im Bedarfsfall binnen sechs Stunden einzeln austauschen, erklärt Boris Gerlach, bei MAN Truck & Bus zuständig für Marine-Service-Support.

Laut Herstellerangaben liegen die Ölwechselintervalle bei 600 Stunden und

die durchschnittlichen Grundüberholungsintervalle betragen 18.000 Stunden. Der neue Motor ist auch als D2862 LE444 lieferbar. Sowohl der D2862 LE441 als auch der D2862 LE444 sind ab sofort verfügbar. MAN will den D2862 LE444 im September auf der SMM in Hamburg präsentieren.

Erst zu Beginn dieses Jahres hatte MAN eine weitere Neuentwicklung vorgestellt, den Achtzylinder-Motor D2868 LE431. Dieser ist ebenfalls für den schweren Betrieb konzipiert worden. Genau wie bei dem D2862 LE441 befinden sich die Zylinder in einer V-Anordnung. Dieser Motor hat ein Trockengewicht von 1.800 kg und einen Hubraum von 16,16 l. Die Leistung liegt bei 500 kW und das maximale Drehmoment bei 2.985 Nm bei 1.100 bis 1.600 min-1. Zwei Motoren des Typs MAN D2862 LE432 mit einer Leistung von 882 kW bei 2.100 min-1 wurden auf dem von der Werft South Boats gebauten Windfarm Supply Vessel »Alisdory« eingebaut. Dies hat nach Angaben von MAN für einen höheren Komfort für die Offshore-Servicetechniker auf dem rund 19m langen und 7,25m breiten Fahrzeug gesorgt.

Zwei Testverfahren zum Aufspüren von Fehlern im Motor

Die Motoren werden bei MAN zwei Testverfahren unterzogen, um sicherzustellen, dass im Inneren eines jeden Motors alles in Ordnung ist oder um gegebenenfalls Fehler schnell aufzuspüren. Bei beiden Tests kommt das Computerprogramm MAN-cats, ein vom Hersteller entwickeltes Diagnosesystem, zum Einsatz. Beim sogenannten Kompressionstest werden im Steuergerät des Motors Momentdrehzahlmessungen durchgeführt. Bezogen auf den oberen Totpunkt (OT) von jedem Zylinder wird eine Drehzahl im Kompressionstakt beim Verdichten (Kolbenaufwärtsbewegung) und die zweite Drehzahl nach dem OT ermittelt. Innerhalb von zwei Motorumdrehungen würden die Steuergeräte also beispielsweise beim V12 24 unterschiedliche Momentan-Drehzahlen auswerten (zwei für jeden Zylinder). Eine Differenzbildung aus diesen beiden Drehzahlen je Zylinder zeige mögliche Leckagen am deutlichsten, erläutert Löser. Der Kompressionstest könne zwar keine absolute Aussage zum Motorzustand treffen, einzelne defekte Zylinder ließen sich aber eindeutig erkennen.

Beim Hochlauftest (rev-up-test) können die Zylinder einzeln abgeschaltet werden, wodurch sich fehlerhafte Zylinder identifizieren lassen. Bei diesem Test wird der Motor im Leerlauf (bei ausgekuppeltem Getriebe) betrieben. Nachdem der Test mit MAN-cats gestartet wurde, erhöht der Motor zum Testen der Einspritzung mehrmals selbständig seine Drehzahl (Hochlauf) und kehrt in den Leerlauf zurück. Um die Drehzahl zu steigern, führen die Injektoren eine bestimmte Anzahl von Einspritzungen mit einer definierten Kraftstoffmenge aus, erklärt Löser. Durch Abschalten einzelner Injektoren lasse sich bestimmen, welcher Zylinder einen besonders großen oder besonders kleinen Beitrag zur Beschleunigung des ganzen Motors leiste. Beim ersten Hochlauf arbeiteten alle Injektoren (R6 und V8) bzw. alle Injektoren vom Master-Steuergerät, also auf der rechten Zylinderbank (bei V10 und V12). Bei den folgenden Hochläufen wird jeweils ein Injektor abgeschaltet. Beispielsweise beschleunigt der R6 also insgesamt siebenmal – zuerst mit allen sechs Injektoren und danach sechsmal mit nur fünf Injektoren. Abgeschaltet wird jeweils ein anderer Injektor (1–5–3–6–2–4). Die Motorsteuerung hat laut Löser in der Zwischenzeit bei jedem einzelnen Hochlauf die maximal erreichte Drehzahl und die benötigte Zeit ermittelt, um aus dem Leerlauf dorthin zu beschleunigen. Hieraus lässt sich die Drehzahlbeschleunigung [in rpm/s] errechnen. Je größer die Einspritzmenge eines Injektors tatsächlich ist, desto größer ist auch sein Beitrag zur Beschleunigung des Motors. Spritzt im Umkehrschluss beispielsweise ein Injektor wegen einer verstopften Einspritzdüse beim Hochlauftest immer eine kleinere Menge Kraftstoff ein als von der ECU (Motorsteuerung) vorgegeben, wird der Motor immer dann, wenn dieser Injektor beim Hochlauf beteiligt ist, relativ langsam beschleunigen, erläutert Löser. Wird aber der betroffene Injektor abgeschaltet, so ist die Drehzahlbeschleunigung deutlich größer als beim Abschalten eines intakten Injektors. Der Vergleich aller Hochläufe mit jeweils einem anderen abgeschalteten Injektor enttarnt also den fehlerhaften Zylinder.

Vor einem Hochlauftest sollte jedoch der Kompressionstest durchgeführt werden, empfiehlt der Fachmann. Denn Zylinder mit einer niedrigen Kompression seien auch im Hochlauftest auffällig. Nur wenn für einen Zylinder der Kompressionstest keine Auffälligkeiten zeige und der Hochlauftest ihn als »defekt« ausgebe, ist von einem Fehler bei der Einspritzung auszugehen, so der MAN-Experte.

MAN bevorzugt Abgasnachbehandlungssystem

Mit dem Common-Rail-System wurde zu Beginn bereits eine wichtige Technologie erwähnt. Eine weitere ist die angesprochene Motorsteuerung (ECU). Diese basiert auf dem System, das bei Lastwagen eingesetzt wird. Ergänzt wird das Motorsteuer­gerät durch ein eigenes Alarm- und optionales Sicherheitssystem (EISAS-One), eine optionale Fahrhebelsteuerung sowie ein breites Angebot an Anzeige- und Bediengeräten. Durch Alarmhistorie und Fehlerspeicher lassen sich Fehler im Servicefall zielgerichtet und nachhaltig beheben, so das Unternehmen.

Immer wichtiger wird in der Schifffahrt die Reduzierung von Emissionen, denn die Umweltrichtlinien werden sich in Zukunft weiter verschärfen. Stefan Löser zufolge gibt es auf Schiffen im Wesentlichen drei Möglichkeiten, die Emissionen zu verringern. Der Einbau eines Partikelfilters reduziere zwar die Partikel, habe aber fast keine Auswirkungen auf den NOx-Anteil. Ein Abgasrückführungssystem (AGR) reduziere zwar NOx bei erhöhten Emissionen, bewirke aber einen leichten Anstieg der Partikel. MAN bevorzugt daher das System zur Abgasnachbehandlung (SCR). Dieses reduziere NOx ohne eine feststellbare Erhöhung der Partikel. Abgasnachbehandlungssysteme befinden sich nach Auskunft von MAN derzeit im Feldversuch.

In Zukunft Motoren mit noch weniger Verbrauch

Claus Benzler erwartet, dass Flüssiggas in den kommenden Jahren in der Schifffahrt weiter an Bedeutung gewinnen wird. Wolfgang Wegner, Chef der Sparte Marine Sales Engineering bei MAN Truck & Bus, sieht derzeit allerdings noch Nachholbedarf bezüglich der Klassifizierung der LNG-Technologie. Gegenwärtig steht die Gewichtsreduzierung der Motoren ganz oben auf der Agenda bei MAN. Diese Maßnahme trage zur Effi­zienzsteigerung des gesamten Schiffes bei und werde von den Kunden nachgefragt. Ein verstärktes Augenmerk will der Antriebshersteller auch auf die weitere Reduzierung des Verbrauchs richten. »Im Vergleich zu unseren heutigen Motoren wird sich der Verbrauch nochmals reduzieren«, erwartet Stefan Löser. »Insbesondere in Bezug auf die Verringerung von Emissionen sehen wir uns für die Zukunft gut gerüstet«, ergänzt er.


Thomas Wägener