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Wärtsilä verkauft seine Zweitaktmotorensparte

an CSSC. Ein Kommentar über Hintergründe und Folgen von Hans-Jürgen Reuß
Nun ist es trotz aller Beteuerungen – noch vor wenigen Wochen auf dem Zweitaktmotorentag in Hamburg – soweit: Wärtsilä trennt sich zumindest[ds_preview] insofern von seiner Zweitaktmotorensparte, als man künftig nur noch eine Sperrminorität an einer Gesellschaft behält, die demnächst weitestgehend die Geschicke dieses Geschäftsbereichs lenken wird.

Wie der offiziellen Börsenmitteilung vom 18. Juli 2014 zu entnehmen ist, haben die China State Shipbuilding Corporation (CSSC) und Wärtsilä eine Vereinbarung getroffen, ein Gemeinschaftsunternehmen zu gründen, das die Zweitakt-Schiffsmotorensparte von Wärtsilä übernehmen wird. Daran werden CSSC mit 70% und Wärtsi­lä mit 30% beteiligt sein.

Zwar soll die neue Gesellschaft ihren Sitz in der Schweiz erhalten, mit Winterthur als Hauptsitz des Geschäftsbereichs, doch selbst wenn das Management unverändert bleiben sollte, ist zu fragen, welche Ausrichtung das Unternehmen langfristig bekommen wird. Dabei stellen sich auch Fragen hinsichtlich des Schicksals der bisherigen Gemeinschaftsunternehmen sowie, mit Blick auf das Lizenzgeschäft, der Partner in Japan und in Korea.

Die blumenreiche Börsenmitteilung hilft bei der Folgeabschätzung überhaupt nicht weiter. Welchen Nutzen aus dieser Transaktion, die mit 46Mio. € verbunden sein soll, die Endkunden haben werden, lässt sich gegenwärtig nicht abschätzen, zumal der Abwicklungszeitpunkt noch nicht feststeht. Mit den Bewilligungen der Behörden wird für das Frühjahr 2015 gerechnet.

Das Schiffsmotorengeschäft ist in den letzten Jahren nicht einfacher geworden – im Gegenteil. Die wiederkehrenden Personalanpassungen von Wärtsilä spiegeln diese Entwicklung wider. Daran ändert auch der zum selben Zeitpunkt wie die Börsenmeldung erschienene Halbjahresbericht des Unternehmens nichts. Wärtsilä hat trotz hervorragender Technik seinen Marktanteil am Zweitaktmotorengeschäft nicht in eine Größenordnung bringen können, die in einem vernünftigen Verhältnis zum Aufwand steht.

Den Zweitaktmotorenmarkt teilen sich drei Unternehmen: MAN Diesel & Turbo, Wärtsilä und Mitsubishi – ganz grob – im Verhältnis 100:10:1. MAN und Wärtsilä haben schon vor Jahrzehnten, der Marktverlagerung entsprechend, zahlreiche Lizenzen nach Asien vergeben, zunächst nach Japan, dann folgte Südkorea und in den letzten Jahren verstärkt nach China.

MAN hat das Abwandern von Lizenznehmern schon einmal erlebt. Wie CSSC mit den japanischen und koreanischen Partnern umgehen wird und wie diese sich verhalten, bleibt abzuwarten. So vorteilhaft sich die »Transaktion« in der Börseninformation liest, so wenig wird die Neuordnung der gesamten Aktivitäten reibungsfrei laufen. Welches Risiko in der Transaktion steckt, aber auch wie die Interessen verteilt sind, wird deutlich, wenn man die offizielle Aussage über die »Zusammenarbeit der Parteien« und die daraus abzuleitende Verantwortlichkeit für die vier Bereiche »Zweitaktmotorentechnologie, Marketing, Vertrieb und Kundendienst« richtig interpretiert. Nur drei davon wird das zu gründende Unternehmen übernehmen, der vierte, der für die Endkunden ganz wichtige Servicebereich, bleibt bei Wärtsilä.

Bei allen Lizenzabschlüssen hatte sich Wärtsilä in der Vergangenheit für die weltweit gebauten Motoren die Servicerechte vorbehalten. Nun wird die neue Gesellschaft kein Lizenznehmer, sondern zum Lizenzgeber. Dennoch bleibt der Service in der Hand von Wärtsilä. Das wird nicht nur unter dem Gesichtspunkt verständlich, dass das damit verbundene Know-how nur sehr schwer weiterzugeben ist, sondern vor allem, weil damit nachhaltig mehr Geld zu verdienen ist als mit dem Verkauf von Neumotoren. Offiziell heißt es dazu: »Für den Bereich Kundendienst erfolgt die Zusammenarbeit zwischen den Parteien [d.h. CSSC und Wärtsilä] basierend auf einer Zusammenarbeitsvereinbarung, wonach Wärtsilä den Kundendienst für die vom Gemeinschaftsunternehmen entwickelten, lizensierten und vertriebenen Motoren erbringt.«

Das sieht nach einer langfristig geltenden Verabredung aus, was nur dadurch eingeschränkt wird, dass in der »Neuen Zürcher Zeitung« vom 19. Juli 2014 in diesem Zusammenhang als offizielles Zitat von »vorläufig« die Rede ist.
Hans-Jürgen Reuß