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Das Cuxhavener Unternehmen Otto Wulf nimmt ein neues Service Crew Transfer Vessel (SCTV) in Betrieb. Das Fahrzeug wurde von Baltec Ship Design entwickelt und auf der Mützelfeldtwerft gebaut


Eingesetzt werden soll das rund 4Mio. € teure SCTV künftig für Personentransporte in Offshore-Windparks der Nord- und Ostsee – neben Schleppdiensten[ds_preview], Bergungsarbeiten und Schwimmkraneinsätzen eines der Geschäftsfelder bei Otto Wulf.

Kasko in Cuxhaven gefertigt

Der Kasko für den Neubau vom Typ A240 wurde auf der Cuxhavener Mützelfeldwerft gebaut. Andreas Wulf, Geschäftsführender Gesellschafter, Kapitän und zusammen mit Sören Wulf Inhaber von Otto Wulf, schätzt insbesondere die geografische Nähe zur Bauwerft. Diese liege praktisch »um die Ecke«, folglich kenne man sich gut. Für die Werft sei der Bau des SCTV zudem der Einstieg in das High-Tech-Geschäft.

Das Schiff wurde in Plattenbauweise konstruiert. Der Rumpf besteht aus dem sogenannten Epoxy-Prepreg-Sandwichmaterial. Die Decklagen beinhalten multiaxiales Gelege in einer Epoxydharzmatrix. Darüber hinaus ist das Material nach Angaben von Stefan Schulz, Geschäftsführer bei Baltec Ship Design, schwer entflammbar, selbstverlöschend und wirkt durch die Sandwichkerne aus Schaum oder Waben gleichzeitig als Isolation. Die Konstruk­tion in der neuen Kunststoffbauweise führe außerdem zu einer deutlichen Gewichtsreduzierung. Verglichen mit Aluminiumschiffen ähnlicher Größe, sollen sich so Kraftstoffersparnisse von bis zu 50% erzielen lassen. Umfangreiche Tests zum Seeverhalten erfolgten bei der Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam. Zudem kann das Schiff mithilfe eines Krans schnell aus dem Wasser gehoben werden, beispielsweise um den Rumpf von Algen zu befreien. Es gab Überlegungen, es mit einem speziellen Anstrich zu versehen, letztlich entschied man sich aber dagegen, da das Fahrzeug unter verschiedenen Bedingungen eingesetzt werden soll. »Allein auf der Elbe haben wir teilweise Brackwasser, Süßwasser, Eisgang und im Sommer Wassertemperaturen um die 23 °C«, erläutert Wulf. Einen Anstrich, der den Rumpf bei allen Bedingungen gegen Algenbefall schützt, gebe es seines Wissens nicht, darum die Entscheidung für einen herkömmlichen Anstrich.

Ausrüstung

Angetrieben wird der knapp 24m lange, 8m breite und bis zu 1,60m tiefgehende Katamaran von zwei Motoren des Typs IPS 650 der D11-Serie von Volvo Penta, die zusammen eine Leistung von rund 750kW erbringen. Mithilfe dieses Gondelantriebs kann das Service-Schiff automatisch die Position halten und vorwärts, rückwärts sowie quer manövrieren.

Das Radar von Furuno und die Funkeinrichtung mit zwei VHF und einem Kurzwellengerät sowie die gesamte übrige Navigationsausrüstung entsprechen den deutschen Vorschriften. Auf dem Vordeck wurde eine hydraulische Ankerwinde installiert.

Das Fahrzeug ist für eine Besatzung von zwei bis drei Personen vorgesehen. Zudem gibt es Platz für bis zu zwölf Passagiere. Das Unternehmen Pörtner wurde mit der Lieferung der Sitze für den Kapitän und die Crew auf der Brücke beauftragt. Die Sitze für die insgesamt zwölf Techniker kommen aus Norwegen. An Bord gibt es ein Feueralarmsystem mit Detektoren im Bereich des Maschinenraums und in den Unterkunftsbereichen. Das Hauptdeck ist mit einem rutschfesten Granulat beschichtet. Auf dem Achterdeck befindet sich ein hydraulischer Kran von Palfinger.

Das Fahrzeug soll die Offshore-Windkraftanlagen (OWEA) mit dem Heck voraus anfahren, da sich das Schiff laut Schulz hinten weniger bewegt als vorne. Ein neuer Rolling Jack – eine auf dem Schiff integrierte wellenkompensierte Plattform mit automatischer Regelung und hydraulischem Antrieb kombiniert mit Rollfendern – soll beim Andockvorgang Bewegungen ausgleichen und auch bei einem Seegang von bis zu 2m einen sicheren Übergang von Personen und Fracht auf die OWEA ermöglichen. Die mechanischen Teile des von Baltec entwickelten und mit einem EU-Patent versehenen Rolling Jack sind als Kohlefaser-Composite und die Hydraulikteile aus Niro gefertigt. Diese Materialien sollen einen optimalen Korrosionsschutz gewährleisten.

Der Rolling Jack hat ein Eigengewicht von 800 kg und eine Tragkraft von 600 kg. Er kann den weiteren Angaben zufolge einen Höhenausgleich von maximal 4m leisten. Das Gerät besteht aus einem kardanisch aufgehängten Rahmen, der automatisch senkrecht gehalten wird und an dem eine Plattform automatisch auf und ab fährt. Das Schiff ist dabei mit Rollenfendern horizontal an der OWEA fixiert und sowohl im Roll- und Stampfwinkel als auch in der Vertikalbewegung frei

beweglich.

Die Plattform des Rolling Jack wird durch ein von Parker hergestelltes Hydrauliksystem im Verbund mit einer elektronischen Regelung von iMAR auf dem Rahmen senkrecht bewegt. Damit soll die Plattform in konstanter Höhe in Bezug auf die OWEA gehalten werden können. Ein doppelter Satz von Sensoren befindet sich unterhalb der Plattform. Laut dem Cuxhavener Eigner stellte es für die Ingenieure bei der Konstruktion eine besondere Herausforderung dar, die Systemsicherheit mit den schweren Nordseebedingungen in Einklang zu bringen.

Das gesamte Fahrzeug inklusive des Rolling Jack wird von der Klassifikationsgesellschaft Bureau Veritas als Windkraft-Serviceschiff klassifiziert und bekommt den Klassenstandard »I + HULL.MACH Wind Farm Service Ship – S1«.

Erste Überlegungen für den Bau des Schiffes gab es bereits vor drei Jahren. Es wurden Gespräche mit Baltec Ship Design geführt. Die Überlegungen wurden konkreter, woraufhin Kontakt zu Kunden der Offshore-Wind-Branche aufgenommen wurde. »Wir glauben, mit dem Fahrzeug die Wünsche der Kunden zu treffen«, ist Wulf zuversichtlich. Das Schiff soll nicht das einzige dieser Bauart bleiben. Ziel ist es, mehrere Fahrzeuge zu verkaufen oder zu verchartern.


Thomas Wägener